Endspurt mit Endorphinen

Hormone sind das halbe Rennen: Nicht nur die strammen Beine tragen am 12. Mai durch den Grand Prix von Bern. Wie Adrenalin, Cortisol, Insulin & Co. den Körper fit halten, erklärt der Endokrinologe Christoph Stettler vom Universitätsspital Bern.

Von Bettina Jakob 11. Mai 2012

Es beginnt schon vor dem Startschuss. Wer am Grand Prix von Bern antritt, ist bestimmt vor dem Rennen nervös – «und das hat auch sein Gutes», sagt Christoph Stettler, Endokrinologe am Universitätsspital Bern. Mit der Aufregung kommen nämlich wichtige hormonelle Prozesse in Gang, die einen über die gut 16 Kilometer auf Trab halten werden: Stresshormone werden aktiviert, Adrenalin und Cortisol aus der Nebenniere ausgeschüttet ebenso wie Wachstumshormone aus der Hirnanhangsdrüse. Diese Hormone bewirken – etwa neben der Steigerung der Herzfrequenz und Erweiterung der Bronchien –, dass die Läuferin und der Läufer schneller auf Energiereserven insbesondere Fettdepots zugreifen kann: «Gerade für Ausdauersportler ist es wichtig, dass sie schnell die Fettreserven anzapfen können – Kohlenhydrate und Glukose sind bei langdauernden Belastungen irgendwann verbraucht», erklärt Stettler.

Frauen und Männer rennen am Grand Prix von Bern durch die Altstadt.
Wichtig für den Ausdauersport: Fettreserven frühzeitig anzapfen. Bilder: GP Bern

Zucker vs. Fett

Die «schnelle» Glukose kann sogar zum Stolperstein werden: Wer kurz vor dem Start noch einen süssen Energydrink kippt oder eine Banane hinunterschlingt, riskiert auf halber Strecke schwere Beine zu bekommen. Der Sportexperte führt aus: «Zucker und Kohlenhydrate provozieren eine Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Dieses baut zwar die Glukose ab und stellt sie schnell als Energie bereit, aber gleichzeitig blockiert es eben den Zugriff auf die Fettreserven, die viel nachhaltiger wirken.» Kohlenhydrate setzt der Endokrinologe in den Tagen vor dem Start auf den Speisezettel der Mittelstrecken-Läuferinnen und -Läufer, «aber besser nicht in den Stunden vor dem Start.»

Das delikate Gleichgewicht

Die richtige Hormon-Balance hinzubekommen ist für den Ausdauersport wichtig – und eben auch schwierig. Bei den Läuferinnen können durch sehr intensives Training und geringe Nahrungsaufnahme Zyklusstörungen auftreten: «Durch ein Ungleichgewicht von Energie-Aufnahme und -Verbrauch meldet der Hypothalamus, ein Teil des Gehirns, der Hirnanhangsdrüse, die Stimulation des weiblichen Östrogens einzustellen», erklärt Christoph Stettler. Warum? «Um zu sparen sozusagen. Der Körper sichert das eigene Überleben und lässt als erstes die Produktion der für die Fortpflanzung wichtigen Stoffe fallen.» Was über längere Zeit Konsequenzen hat: Das Risiko, an Knochenschwund, der Osteoporose, zu erkranken, steigt für die betroffene Frau.

Frauen und Männer rennen am Grand Prix von Bern durch das Mattequartier (Fotografie aufgenommen aus der Vogelperspektive).
Ab durch die Matte – mit der richtigen Hormon-Balance.

Zuviel und zuwenig ist ungesund

«Viele wissen nicht, dass auch Männer davon betroffen sein können», sagt Stettler. Verbraucht der eifrige Runner ständig mehr Energie als er aufnimmt, bildet sein Körper immer weniger Testosteron. Im hormonellen Gleichgewicht eines Mannes ist das Testosteron reichlich vorhanden und ein ansehnlicher Teil davon wird in Östrogen umgewandelt, das ist auch beim Mann wichtig für den Aufbau und die Funktion des Knochens. «Ist der Testosteron-Spiegel zu niedrig, fällt der Umbau in Östrogen weg», mahnt der Sport-Experte: «Ein Zuwenig oder Zuviel von gewissen Hormonen tritt immer eine Kaskade los, die gesundheitliche Risiken mit sich bringen kann – etwa auch bei Doping.»

Dreimal pro Woche in die Turnschuhe

Wer aber im vernünftigen Rahmen trainiert – für Hobby-Sportler empfiehlt Stettler drei Mal die Woche eine Dreiviertelstunde –,  profitiert von den Hormon-Ausschüttungen: Durch regelmässiges Training steigt etwa die Sensibilität auf Insulin, was das Risiko an Diabetes Typ II zu erkranken senkt. Auch Wachstumshormone werden vermehrt produziert, ebenso ein Faktor in der Verhinderung von Übergewicht.

Foto vom Zieleinlauf am Grand Prix von Bern am Aargauerstalden (von oben).
Auf zum grossen Finish am Aargauerstalden.

Und zu guter Letzt dürfen Läuferinnen und Läufer auch ab und zu aufs «Runner’s high» hoffen: «Endogene Opiate im Gehirn, sogenannte Endorphine, bewirken eine Schmerzlinderung mit euphorisierenden Nebenwirkungen», erklärt Endokrinologe Stettler. Allerdings gehen dem bisschen Glückseligkeit meist zähe Kilometer voraus. Wer weiss – dafür läuft es sich vielleicht am Aargauerstalden wie von alleine.

Oben