Zusammen zur Energie der Zukunft

Die Einstellung der Menschen zur Energiewende ist fast durchwegs positiv. Dennoch gibt es bei der Umsetzung Probleme. Umweltpsychologin Gundula Hübner weiss, wo man ansetzen muss.

Von Sandra Flückiger 28. November 2012

Braucht es für eine Energiewende auch eine Wende in der Einstellung und im Verhalten? Gundula Hübner, Gesundheits- und Umweltpsychologin an der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg, verneinte – zumindest teilweise. Im Rahmen der Vortragsreihe «Energiewende» des Forums für Allgemeine Ökologie zeigte sie, dass für das Erreichen der Energiewende – also das Umstellen von fossilen Brennstoffen und Atomkraft auf erneuerbare Energien – oft nicht mangelnde Moralität die grösste Hürde darstellt, sondern andere Zusammenhänge eine Rolle spielen, wie etwa die Beteiligung der Bevölkerung.


Umweltpsychologin Gundula Hübner ist überzeugt, dass eine gute Ausgangsbasis für die Energiewende besteht. (Foto: Lukas Oechslin)

Grundsätzlich herrscht ja Einigkeit: Wir brauchen die Energiewende. Die zahlreich erschienenen Zuhörer nicken alle zustimmend, ebenso sprechen verschiedene Umfragewerte für sich: So verknüpfen 99 Prozent der Schweizer positive Begriffe mit Solarenergie, bei der Windenergie sind es 94 Prozent. Die Kernkraft dagegen kommt nur auf 23 Prozent positiver Assoziationen.

Insgesamt über 70 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer würden einer Windkraftanlage auf ihrem Gemeindegebiet zustimmen. Bereits 2009 – also noch vor der Katastrophe in Fukushima – war Kernkraft nur von drei Prozent der Bevölkerung die bevorzugte Energiequelle.

Potenzielle Konflikte

«Ich schliesse daraus, dass wir sehr positive Einstellungen zur Energiewende haben», fasst Hübner zusammen. Dennoch erfolge das entsprechende Verhalten nicht zwingend – «es gibt Konfliktpotenziale». Bei den verschiedenen erneuerbaren Energien und in verschiedenen Ländern träten unterschiedliche Probleme auf.

Auf lokaler Ebene stellt sich bei Fotovoltaik beispielsweise die Frage nach der Nutzung: Soll man auf dieser Fläche nicht eher etwas Verwertbares wie Getreide anbauen? Ebenfalls ein Thema ist das vielerorts veränderte Landschaftsbild – allerdings nicht nur bei Solarzellen, sondern auch bei Windparks. Befinden sich die Windkraftanlagen an Land (Onshore), befürchten die Anwohner zudem, durch Geräusche und die Hinderniskennzeichnung – blinkende Lichter in der Nacht – gestört zu werden. Stehen die Windräder im Meer (Offshore), könnten sie die Sicherheit der Schifffahrt beeinträchtigen. Befürchtungen betreffen ausserdem die Auswirkungen auf die Tiere – zum Beispiel Meeressäuger oder Vögel.


Windparks verändern nicht nur das Landschaftsbild. Anwohner machen sich ausserdem Sorgen über störende Geräusche und blinkende Lichter in der Nacht. (Bild: Istock)

Bevölkerung einbeziehen

«Das sind alles Konfliktfelder – aber haben die etwas mit Einstellungen zu tun?», fragt Hübner. Nein, meint sie sogleich, es lägen reale Probleme vor. Ansetzen könne man bei verschiedenen Punkten: «Entscheidend ist, die Bevölkerung in den Planungsprozess einzubeziehen.» Es gebe viel weniger Widerstand, wenn sich die Menschen gerecht behandelt und ernst genommen fühlten.

So sollten beispielsweise die Windenergiefirmen, statt direkt mit Landwirten einen Pachtvertrag abzuschliessen, die gesamte Gemeinde in die Wahl eines geeigneten Standorts einbeziehen. «Es geht dabei um eine Verhaltensänderung auf Seiten der Projektierer, nicht um die Einstellung der Bevölkerung», erklärt die Psychologin.

Nutzen vermitteln

Zentral ist für Hübner ausserdem die Gerechtigkeit bei der Verteilung: «Nutzen und Lasten müssen ausbalanciert werden, beispielsweise wenn in Deutschland der Süden vom flachen Norden, wo die Windparks stehen, Strom kaufen will», so die Norddeutsche. Bei einer Gemeinde lasse sich dies etwa dadurch erreichen, dass die Pachteinnahmen verteilt würden. «Gerechtigkeit zu vermitteln ist wichtig. Der individuelle und der kommunale Nutzen müssen klar ersichtlich sein.»

Gundula Hübner ist überzeugt, dass eine gute Ausgangsbasis für die Energiewende besteht. Auch wenn es Widerstand gebe, die Einstellungen seien positiv. Sie betont: «Wir müssen Kommunikationsstrategien gestalten und die Auswirkungen von erneuerbaren Energien empirisch analysieren. So zeigen unsere Studien zum Beispiel, dass sich Anwohner von Windparks kaum belästigt fühlen. Aber sie wollen beteiligt werden.»

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