Borstig bis faltig – über die Vielfalt der Vierbeiner

400 Hunde-Rassen sind nicht genug: Forschende haben herausgefunden, dass innerhalb einzelner Rassen verschiedene genetische Untergruppen existieren. So können sehr schnell neue Hunde-Rassen entstehen.

Von Matthias Meier 02. Mai 2012

Seine Augenbrauen sind lang, fast noch länger als die borstigen Haare seines prominenten Bartes, er ist muskulös und wird bis zu 70 Zentimeter hoch: der Riesenschnauzer. Ihm wird ein ausgeglichener, wachsamer und treuer Charakter zugesprochen, genauso auch seinen engen Verwandten, dem Mittel- und dem Zwergschnauzer. Die drei Schnauzer-Rassen sehen sich sehr ähnlich, die menschlichen Eingriffe in die Entwicklung der Hunde in den letzten rund 150 Jahren führten aber zur Entstehung von drei unterschiedlichen genetischen Einheiten. Riesen-, Mittel- und Zwergschnauzer unterscheiden sich allerdings in punkto Grösse und Gewicht entscheidend voneinander.


Ziemlich rauhaarig: Der Riesenschnauzer wird als wachsam charakterisiert. (Bilder: fotolia)

«Hunde sind durch die Zucht des Menschen zu einer der am stärksten diversifizierten Spezies unter den Wirbeltieren geworden – heute werden rund 400 Rassen klassifiziert», erläutert Kathrin Streitberger vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern. «Neue Hunderassen können sehr schnell entstehen», fasst die Biologin ihre neue Studie über die Evolution des Hundes zusammen, die sie gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern aus der Schweiz und Deutschland gemacht hat. Die Forschenden haben nämlich herausgefunden, dass selbst innerhalb anerkannter Rassen eine sehr grosse genetische Vielfalt bestehen kann – das öffnet potentiellen neuen Hunde-Rassen die Tür.

Züchter spalten Rassen auf

Um die genetische Struktur von Hunderassen besser zu verstehen, untersuchten die Forschenden verschiedene Genorte von 600 Hunden, je 50 Individuen aus 12 verschiedenen Rassen – darunter auch die verschiedenen Schnauzer. «Die Erkenntnis ist, dass einige der untersuchten Rassen in sich keine genetische Einheit bilden», erklärt Kathrin Streitberger. «Innerhalb einer Rasse konnten wir verschiedene Gruppen, sozusagen genetische Untereinheiten feststellen, die Rassen spalten sich also weiter auf.»

Laut der Studie ist das teilweise unbewusste Verhalten der Züchter bei der Auswahl der Zuchttiere dafür verantwortlich: So würden bestimmte Merkmale wie Grösse oder Fellfarbe der Tiere bevorzugt. In manchen Fällen setzten die Züchterinnen auch nur einige wenige prämierte Rüden ein, deren Erbgut innerhalb weniger Generationen zu einer eigenen, genetisch separierten Gruppe führe. Ein weiterer Grund für die rasche genetische Differenzierung sei ausserdem die räumlich getrennte Zucht, etwa in Europa und Nordamerika. Die Gene der Tiere mischen sich nicht, gewisse Gen-Gruppen sind dadurch isolierter und werden immer ausgeprägter.


«Aufgeplusterter Löwenhund»: Der chinesische Chow Chow diente in seiner Heimat als Hüte-, Jagd- und Schlittenhund, war aber auch ein beliebter Fleischlieferant.

Chinesische Hunde sind besonders ursprünglich

Drei untersuchte asiatische Hunderassen weisen eine besonders grosse genetische Vielfalt auf: der japanische Akita Inu, der faltige Shar Pei und der chinesische Chow Chow – in China auch bekannt als «aufgeplusterter Löwenhund». «Das ist erstaunlich, da die Rassen aus vergleichsweise wenigen Individuen bestehen», so Streitberger. Doch stellten diese asiatischen Rassen sehr alte Linien in der Hundezucht dar, «die japanischen und chinesischen Tiere stammen wahrscheinlich von frühen Strassenhunden Asiens ab und weisen deshalb sehr ursprüngliche genetische Merkmale auf. Gleichzeitig haben die Tiere aber auch spezifische genetische Merkmale», erläutert die Biologin das breite Spektrum der Gene. «So etwa der Shar Pei, der mit seinen sehr speziellen Hautfalten an Kopf und Rücken immer wieder Aufmerksamkeit erweckt.»

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