Kollisionen von Greifvögeln mit Windrädern verringern

Wenn Windräder in Windparks gruppiert sind, kollidieren weniger Greifvögel mit den Anlagen. Das fand der Berner Biologe Michael Schaub an der Schweizerischen Vogelwarte heraus. Diese empfiehlt deshalb überregionale Planungen.

Von Bettina Jakob 20. September 2012

Windräder sind wichtige Eckpfeiler in der Energieproduktion der Zukunft. Allerdings bergen auch sie Gefahren – nämlich für grosse Vögel. Eine Studie von Michael Schaub, der an der Abteilung «Conservation Biology» der Uni Bern als Pivatdozent tätig ist und bei der Vogelwarte Sempach arbeitet, zeigt jetzt Lösungen auf, wie die Windräder am besten platziert werden, damit das Risiko eines Zusammenstosses möglichst gering gehalten werden kann. Die Vogelwarte empfiehlt auf der Basis dieser Resultate, Windräder generell eher gruppiert und an so wenig Standorten wie möglich aufzustellen.

Greifvogel Rotmilan im Flug
In der Schweiz nimmt der Bestand des Rotmilans seit den 1950er Jahren zu. Foto: Zvg/Beat Rüegger

Zufällig verteilt vs. gruppiert

Auf die Ergebnisse kam der Biologe mittels Computersimulation von Daten einer Rotmilan-Population. Der Rotmilan brütet nur in Europa, und die Schweiz ist eines der wenigen Ländern, in denen sein Bestand zunimmt, jährlich um 5 Prozent. Die simulierte Rotmilan-Population wird gemäss Schaub umso stärker beeinflusst wird, je gleichmässiger die Windräder in der Landschaft verteilt sind. Der Effekt kann massiv sein: «Wenn Windräder in einem Windpark an einem Ort gruppiert werden, so wird das Wachstum der Rotmilan-Population nur wenig gebremst.» Wird die gleiche Anzahl von Windrädern je einzeln aufgestellt und über eine grössere Fläche verteilt nimmt die Population der Greifvögel im schlechtesten Fall ab.

Mit dem Computer so nah an die Natur wie möglich

Um die Simulation möglichst naturgetreu zu machen, hat Schaub auf einer Fläche von 100 mal 100 Kilometer 250 Rotmilan-Horste zufällig verteilt. Pro Rotmilan-Paar  rechnet der Biologe jährlich rund eineinhalb Junge mit ein. Nach der Brutzeit fliegen die Rotmilane auf der Modellfläche bis zum nächsten Frühling umher, wobei einzelne Individuen auf natürlichem Weg ums Leben kommen. Deren Zahl wurde aus den Sterberaten einer jährlich um 5 Prozent wachsenden Westschweizer Rotmilan-Population errechnet.

Am Boden liegender toter Rotmilan
Rotmilane übersehen oft die drehenden Flügel der Windenergieanlagen. Foto: Zvg/Christian Gelpke

So weit die Ausgangslage der Rotmilan-Population – nun kommen die Windräder dazu: Auf einer zentral gelegenen Fläche von 50 x 50 Kilometern werden im Modell nun 50 Windenergieanlagen verteilt. Je näher sich ein Rotmilan bei einer Windenergieanlage befindet, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an ihr zu Tode kommt. Dadurch verringert sich die Zahl der Vögel, die den nächsten Frühling erleben, zusätzlich.

Nun hat Michael Schaub die Anordnung der Windenergieanlagen variert: Werden diese zufällig verteilt, wächst die Rotmilan-Population – je nach aktueller Wachstumsrate – weniger rasch oder kann im extremsten Fall gar schrumpfen. Gruppiert angelegt, wächst die Rotmilan-Population nur geringfügig langsamer, als wenn gar keine Windenergieanlagen vorhanden wären.

Neue Windräder überregional planen

Die Schweizerische Vogelwarte empfiehlt in ihrer Medienmitteilung deshalb, Windräder an so wenigen Standorten wie möglich aufzustellen sowie bereits existierende oder geplante Anlagen in einem grösseren Umkreis zu berücksichtigen.

Derzeit sind in der Schweiz gemäss «Suisse Eole», der Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz und Partnerin des Bundesamtes für Energie (BFE) rund 50 kleine bis grosse Windräder in Betrieb, die jährlich rund 85 Gigawattstunden Strom liefern (2011). Aber es werden künftig einige mehr werden – denn laut Bundesamt für Energie soll sich die Windenergie in der Schweiz noch stark entwickeln: Bis zum Jahr 2030 könnten Windanlagen, welche die Kriterien des Konzepts «Windenergie Schweiz» erfüllen, rund 600 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren.