Ein Freitagnachmittag auf dem Mars
Die Frage interessiert immer wieder, wie die vielen Gäste zeigten: Gibt es nun fliessendes Wasser auf dem Roten Planeten oder nicht? Nicht leicht zu beantworten, so Weltraumforscher Nicolas Thomas in der Reihe «Physik am Freitag». Spektakuläre Bilder deuten darauf hin.
Ausgewaschene rote Erde in den Tropen. Das scheinen die Bilder von Weltraumforscher Nicolas Thomas zu zeigen. Und tatsächlich soll es sich um ausgewaschene Erde handeln – allerdings auf dem Mars. Wasser auf dem Mars? Eine Nachricht, die immer wieder verblüfft und Hoffnung auf die Entdeckung von Leben weckt, obwohl sie schon beinahe 40 Jahre bekannt ist. Längst weiss man, dass die Mars-Atmosphäre Wasserdampf enthält, wie der Forscher vom «Albert Einstein Center for Fundamental Physics» in seinem Vortrag in der Reihe «Physik am Freitag» erklärte.
Der «Mars Reconnaissance Orbiter» umkreist den Roten Planeten. (Bild: NASA)
Doch den Nachweis von fliessendem Wasser soll erst kürzlich die Kamera des «High Resolution Imaging Science Experiment» (HiRISE) an Bord der NASA-Raumsonde «Mars Reconnaissance Orbiter» geliefert haben. Nicolas Thomas hat die Hightech-Apparatur mitentwickelt: Das Kamerasystem löst aus 250 Kilometern Entfernung Felsen mit einem Durchmesser von weniger als 50 Zentimetern auf. Und nun soll es trockene Rinnsale an Hängen festgehalten haben. Hat tatsächlich fliessendes Wasser sie geformt?
Im Mars-Frühling treten die dunklen Fliessspuren in Erscheinung (hier an einer Kraterwand im «Newton Basin»),…
…um im Mars-Winter wieder zu verschwinden. (Bilder: NASA/Uni Arizona/Uni Bern)
Unwirtlicher Nachbar
Weit gefehlt, wer etwa an munter plätschernde Bächlein denkt – die Situation auf dem Roten Planeten sieht wenig idyllisch aus: Der atmosphärische Druck kann über ein Mars-Jahr um 25 Prozent schwanken, im Mittel beträgt er 5,6 Millibar. Er ist damit rund zweihundertmal kleiner als auf der Erde. Während die durchschnittliche Oberflächentemperatur bei minus 60 °C liegt, kann sie am Äquator über Null steigen, wenn die Sonne am Zenit steht. Nur beim richtigen Zusammenspiel von Druck und Temperatur kann bei diesen unwirtlichen Bedingungen überhaupt fliessendes Wasser vorkommen.
Von Gas direkt zu Eis
Der Mars ist unter seiner Staub-Oberfläche von Eis überzogen, vor allem an den beiden Polen liegt es als dicke Schicht. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Kohlendioxid-Eis, das durch das Gefrieren von CO2 aus der Atmosphäre entsteht. Bekannt ist dieses Eis bei uns als Trockeneis, weil es nicht schmilzt, sondern direkt vom Feststoff zum Gas sublimiert. Die Zu- oder Abnahme der Kohlendioxid-Eisdecken an den Polen unterliegt den saisonalen Temperatur- und Druck-Schwankungen; so schrumpfen und wachsen sie mit Sommer und Winter durch Übergang von festem in gasförmigen Zustand und umgekehrt.
Das saisonale Verhalten der weissen Kohlendioxid-Eisdecken am Nordpol des Mars. (Bild: NASA)
Wasser als Eis existiert sicher
Doch auch Wasser in Form von Eis haben die Weltraumforschenden gefunden. Und wenn dieses tatsächlich flüssig wird, könnte es solche Spuren im roten Staub hinterlassen, wie sie die «HiRISE»-Bilder zeigen. So vermuten es jedenfalls die Wissenschaftler.
Neben den Rinnsal-Bildern präsentierte Nicolas Thomas Aufnahmen von Meteoriten-Einschlägen, durch welche die Forschenden ihre Interpretationen bestätigt sehen. Wasser-Eis könne durch den Druck eines Einschlags zum Schmelzen gebracht werden, so Thomas. Doch warum sollen all diese Zeichen auf flüssiges Wasser hindeuten? «Es handelt sich um einen wiederkehrenden Zyklus, die Spuren werden mit der Zeit grösser und die Bewegungen scheinen bergab zu laufen. Ausserdem befinden sich die Orte in den geographischen Breiten, wo wir solche Ereignisse überhaupt erwarten dürfen», so Thomas. Doch den 100-prozentigen Beweis für die Existenz von fliessendem Wasser habe man bisher nicht.
Zwei Meteoriten-Krater von rund einem halben Meter Tiefe über 104 Tage beobachtet: Das helle Material verblasst im Mars-Sommer. (Bild: NASA)
Ein ungeniessbarer Cocktail
«Wasser, Wasser, überall, aber kein Tropfen zu trinken.» Was der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge (1772-1834) in seiner Ballade vom alten Seemann schrieb, gilt nicht nur für das Meer, erklärt Nicolas Thomas, sondern auch für den Mars: Wasser kommt auf unserem Nachbarplaneten im Wesentlichen als Eis vor – und sollte dieses tatsächlich fliessen: «Dann ist es ein Salz-Wasser-Gemisch mit Chlor und Schwefel.» Von Trinkwasser kann dabei nicht die Rede sein.