Ross-Schnecke prescht weiter vor

Garten-Besitzern ist der Anblick der braunen Ross-Schnecken meist vertraut. Sollte er aber nicht sein: Die Schneckenart ist nicht einheimisch und gehört zu den invasivsten Organismen in Europa. Die Studie einer Berner Biologin zeigt, dass sie sich vermutlich durch den Klimawandel weiter ausbreitet.

Von Sandra Flückiger 26. September 2012

Invasive Arten können von ihren Merkmalen, sich der Umwelt anzupassen, profitieren. Das sagt jedenfalls eine Theorie. Sie tun dies, indem sie entweder ihre Fitness in einer belastenden Umwelt aufrecht erhalten können, also robust sind. Oder indem sie diese in einer vorteilhaften Umwelt erhöhen können – oder gleich beide Strategien anwenden. Während dieses Konzept bisher nur bei Pflanzen, den sogenannten Neophyten, angewandt wurde, untersuchte Eva Knop vom Institut für Ökologie und Evolution zum ersten Mal eine Tierart: die Schnecke Arion lusitanicus, im Volksmund bekannt als Ross-Schnecke. Diese gilt als eine der hundert invasivsten Organismen in Europa. Kam sie bis vor Kurzem vorwiegend im Schweizer Flachland vor, steigt sie jetzt auch in höhere Lagen; erste Nachweise gibt es bereits auf 2000 m ü. M. «Es stellt sich die Frage, ob sich die Schnecke durch den Klimawandel oder die Verschleppung des Menschen weiter ausbreitet», erklärt Knop.

Ross-Schnecken auf Salat
Ross-Schnecke auf Salat: Die invasive Rossschnecke breitet sich weiter aus und verdrängt die einheimische Art Arion fuscus. Bild: Zvg

Ross-Schnecke ist robust

Erforscht hat Biologin Knop das Verhalten der Ross-Schnecke anhand des Vergleichs mit der einheimischen Arion fuscus. Äusserlich lassen sich die beiden Arten kaum unterscheiden, allerdings ist die einheimische Schnecke etwas kleiner und produziert orangen Schleim, wenn man sie berührt. Lebensraum besiedeln beide denselben.

Während eines Jahres wurden Exemplare beider Arten einem Spektrum von Temperaturen entlang eines Höhengradients von 700 bis 2400 m ü. M. sowie hohen und niedrigen Futterlevels ausgesetzt. Verglichen hat Knop die Reaktionsfähigkeit von zwei Fitnessparametern: die Überlebensrate sowie die Eier-Produktion der Schnecken. Sie testete, ob die invasive Schnecke unter stressigen oder unter optimalen Bedingungen besser überlebt und sich erfolgreicher fortpflanzt als die einheimische Schnecke.

Forscherin Eva Knop bei der Feldarbeit
Eva Knop mit Experiment: Auf 2400 m ü. M. untersuchte die Berner Biologin Eva Knop, ob die einheimische oder invasive Schneckenart den Bedingungen besser trotzt. Bild: Zvg

Im Sommer erwies sich die invasive Ross-Schnecke als anpassungsfähiger – bei hohen Temperaturen und niedrigem Futterlevel überlebte sie besser und produzierte mehr Eier als die einheimische Schneckenart. Während des Winters war die Ross-Schnecke jedoch weniger anpassungsfähig. Knops Fazit: «Die Studie zeigt, dass die Schnecken unter guten Bedingungen einander ebenbürtig sind. Werden sie jedoch durch warme Temperaturen und wenig Futter unter Stress gesetzt,  kann die invasive Art besser überleben.» Damit sei die Ross-Schnecke dem robusten Phänotyp zuzuordnen.

Klimawandel führt zu mehr Invasionen

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass warme Sommer und milde Winter zu einer Verbreitung der invasiven Schneckenart in Höhenlagen führen und gleichzeitig eine stärkere Ausbreitung im Flachland begünstigen. Dies bestätige die Befürchtung, dass der globale Klimawandel zu verstärkten biologischen Invasionen führe.

Invasive Organismen gab es zwar schon immer, allerdings nur vereinzelt. «Seit der Welthandel in den letzten 30 Jahren massiv zugenommen hat, wurden diese durch Verschleppung zunehmend zum Problem», sagt Knop. Die invasiven Pflanzen- und Tierarten seien, nebst dem Lebensraumverlust, eine der wichtigsten Ursachen für den Artenschwund. «Um die einheimische Schnecke zu schützen, müssen wir unbedingt verhindern, dass die invasive Art in höhere Gebiete verschleppt wird. Beispielsweise, indem Waren vor dem Transport kontrolliert werden», schlägt Knop vor. Ihre Studie versteht sie als Appell dafür, nicht nur die Auswirkungen invasiver Arten zu untersuchen, sondern auch den Mechanismus zu verstehen, warum eine Tierart invasiv ist. «Wenn wir die Invasionen von Tierarten kontrollieren wollen, müssen wir wissen, wie sie funktionieren. Nur so können wir die einheimischen Arten vor dem Aussterben schützen.»