Wovon Sportler träumen
Erholung und Training zugleich? Der Berner Sportwissenschaftler Daniel Erlacher erforscht die Bedeutung des Schlafs für Sportlerinnen und Sportler. Er geht davon aus, dass motorische Bewegungsabläufe im Schlaf gefestigt werden.
Können Sportlerinnen und Sportler im Schlaf trainieren? Was anfangs absurd klingt, ist vermutlich gar nicht so unrealistisch, wie Daniel Erlacher vom Institut für Sportwissenschaft (ISPW) in seiner Antrittsvorlesung an der Uni Bern im Rahmen der «Berner Gespräche zur Sportwissenschaft» darlegte. Erlacher ist Experte für die Bedeutung des Schlafs im Sport und seit kurzem Privatdozent am ISPW. «Der Mensch schläft durchschnittlich während rund eines Drittels seines Lebens und verbringt dabei alleine sechs Jahre im Traum», führt er aus. Trotzdem ist die Bedeutung des Schlafs im Sport bisher noch immer wenig erforscht.
Neuer Dozent am ISPW: Daniel Erlacher referiert erst seit kurzem in Bern. (Bild: Martin de Bruin, ISPW)
«Replay» des Erlebten
In einer Nacht durchläuft der Mensch verschiedene Stadien des Schlafs. Neben der Einschlaf- und verschiedenen kurzen Wachphasen sind vor allem der Tiefschlaf und die Traumphasen, der sogenannte REM-Schlaf, von Bedeutung. «In der ersten Hälfte der Nacht überwiegt der Tiefschlaf, der von einer starken Inaktivität des Körpers und des Gehirns geprägt ist», erläutert Daniel Erlacher. «Dabei findet vor allem die körperliche Erholung statt.» Im REM-Schlaf gebe es hingegen erhöhte Gehirnaktivitäten, «in dieser Phase sind Träume erlebbar».
Für diese Traum-Phase interessiert sich der Sportwissenschaftler besonders, denn in diesem Stadium des Schlafs können sich Erlebnisse des vergangenen Tags festigen. «Es findet eine Art ‹Replay› des Erlebten statt. Verschiedene Experimente sprechen dafür, dass Erlerntes im REM-Schlaf konsolidiert wird», sagt Daniel Erlacher. Am ISPW versucht er diese Erkenntnisse aus der Schlaf-Forschung im Bereich des Sports zu adaptieren. Dazu untersuchte er das Lernen von motorischen Bewegungsabläufen im Schlaflabor.
Sportwissenschaft im Schlaflabor: Ein verkabelter Proband wartet auf die Nachtruhe. (Bild: zvg)
Studierende auf dem Trampolin
In einem Experiment erforschten Erlacher und sein Team, wie sich das Erlernen von neuen motorischen Abläufen auf den nachfolgenden Schlaf auswirkt. Dafür verbrachten 20 Studierende, die keine Vorerfahrung im Trampolinspringen oder einer ähnlichen sportlichen Tätigkeit hatten, drei Nächte im Schlaflabor.
Die Probanden wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Die beiden Gruppen mussten an ja einem der zwei folgenden Tage zwei Stunden auf dem Ergometer strampeln und am anderen Tag zwei Stunden einfache Übungen auf dem Trampolin einstudieren. «Das Konditionstraining auf dem Ergometer diente uns als Kontrollbedingung, denn es erfordert kein Lernen», erklärt der Experte. Die für die Probanden neuen Bewegungsabläufe auf dem Trampolin hingegen bedingten einen Lernprozess. In den Nächten wurden die Studierenden im Schlaflabor überwacht. «Es zeigte sich, dass diejenige Gruppe, welche am Abend die Trampolin-Übungen erlernte, prozentual längere REM-Phasen durchlebte als diejenige, die eine einfache Konditionsübung absolvierte», führt Erlacher aus. «Die erlernte motorische Aufgabe wurde also im Schlaf verarbeitet.»
Keine Müdigkeit vortäuschen: Der Sieger der Rundfahrt war wohl ausgeschlafen. (Bild: zvg)
Übernächtigte Athleten sind weniger erfolgreich
In einem weiteren Projekt befasst sich Daniel Erlacher mit dem Zusammenhang von Schlaf und sportlicher Leistungsfähigkeit. «Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit von Sportlern in der Nacht vor einem wichtigen Wettkampf schlecht schläft», erläutert er das Problem. «Nervosität oder eine ungewohnte Umgebung erschweren das Einschlafen, verursachen wirre Träume oder lassen die Athleten früh erwachen.» Es stellt sich die Frage: Wirkt sich ein schlechter Schlaf auf die sportliche Leistung aus?
Die Antwort suchte der Forscher im Strassenradsport. Er begleitete eine Gruppe Rennfahrer während einer Rundfahrt und nahm deren Schlafqualität unter die Lupe. «Die Ergebnisse zeigen eine Korrelation: Je erholsamer der Schlaf, desto besser die Platzierung im Rennen», so Erlacher. Laut dem Sportwissenschaftler gibt es aber in diesem Forschungsgebiet noch viel zu tun.