Mit seltenen Erden zu mehr Energie

Wie Berner Chemikerinnen und Chemiker mit «seltenen Erden» aus China die Gewinnung von Sonnenenergie optimieren.

Von Matthias Meier 16. März 2012

Das entscheidende Element kommt von weit her, in Nord-China wird es aus dem Boden geholt: Erbium. Es gehört zu den «seltenen Erden», einer Gruppe von 17 Elementen, die für moderne Technologien immer begehrter werden. Die Elemente sind das Herzstück leistungsfähiger Magnete in Elektromotoren oder effizienter Materialien zur Lichterzeugung. «Wirklich selten sind die seltenen Erden aber gar nicht, Erbium kommt in der Erdkruste etwa 50 Mal häufiger vor als Silber», wie Karl Krämer vom Departement für Chemie und Biochemie der Uni Bern sagt, «es gibt aber nur wenige angereicherte Vorkommen, die einen wirtschaftlichen Abbau ermöglichen.» Der Bedarf für die Grundlagenforschung der Berner Forscher ist aber sowieso sehr gering. Die Chemiker entwickeln derzeit ein Nanomaterial, das mit Erbium angereichert ist. Sie wollen dieses Element nutzen, um Solarzellen effizienter zu machen.


Gar nicht so selten wie der Name vermuten liesse, doch der wirtschaftliche Abbau von seltenen Erden ist aufwändig. (Bild: fotolia)

Strom aus infrarotem Licht

Sonnenenergie wird als saubere Stromquelle der Zukunft gesehen. Doch auch heute noch ist die Umwandlung von Licht in elektrische Energie nicht sehr effizient: Silizium-Panels – die mit über 90 Prozent am häufigsten verwendeten Solarzellen auf unseren Dächern – wandeln weniger als 25 Prozent der eingefangenen Sonnenenergie in elektrischen Strom um, der Rest der Sonnenstrahlen bleibt ungenutzt. Ein Grund dafür: «Die gängigen Module absorbieren nur kurzwelliges Licht in einem bestimmten Spektrum», wie Karl Krämer erklärt. «Alleine 20 Prozent der gesamten Sonnenenergie gehen verloren, weil lange Lichtwellen, das Infrarotlicht, schlicht durch die Solarzellen hindurch gehen, ohne vom Silizium absorbiert zu werden.»

Infrarotes Licht ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Das Potential dieser unsichtbaren Wellen wollen jetzt Berner Chemiker mit ihrer Grundlagenforschung im EU-Projekt «NanoSpec» besser nutzbar machen. «Wir optimieren den sogenannten ‹Upconversion-Phosphor›, eine spezielle Beschichtung, die das Infrarotlicht nutzten kann», erklärt der Experte die Aufgabe der Uni Bern im internationalen Projekt.


Ein Stück reines Erbium. (Bild: Tomihahndorf, Wikimedia Commons, Lizenz: CC)

Seltene Erden konvertieren das Licht

Als erster Schritt muss verhindert werden, dass das infrarote Licht verloren geht. «Dazu installieren wir einen Spiegel hinter dem Solarpanel, der das Infrarotlicht aufhält und wieder zurück schickt», so Krämer. Damit ist das Problem jedoch noch nicht gelöst, denn die Lichtteilchen, die sogenannten Photonen, sind immer noch langwellig: «Um diese infrarote Lichtenergie auf das Silizium übertragen zu können, müssen diese langen Wellen konvertiert werden – in einer ‹Photon-Upconversion› wird aus zwei Photonen langer Wellenlänge ein einziges Photon mit kurzer Wellenlänge gemacht.»

Wie geschieht dies? Die Wissenschaftler tragen auf der Rückseite der Photovoltaik-Module, zwischen dem reflektierenden Spiegel und dem Silizium, eine Beschichtung mit einem speziellen Nanomaterial auf. In diesem Schritt kommt nun das Erbium ins Spiel: Das Material kann mehrere Photonen langer Wellenlänge absorbieren, so die Lichtenergie aufsaugen und sie in einem kurzwelligen Photon wieder abgeben. Dieses hat dann genug Energie, um im Silizium elektrischen Strom zu erzeugen.


Das «Upconverter-Material» unter dem Elektronenmikroskop: Die einzelnen Partikel sind rund 500 Nanometer gross. (Bild: Departement für Chemie und Biochemie)

Suche war ein Puzzlespiel

«Es war nicht einfach, das richtige Material zu finden. Die Suche glich einem Puzzlespiel», gesteht der Chemiker Krämer. Denn um eine möglichst effiziente «Upconversion» zu erreichen, ist ein Element mit einer besonders ausgeprägten Elektronenstruktur nötig: Das verwendete Material muss mehrere Energieniveaus in gleichen Abständen aufweisen, in denen die infraroten Photonen aufgenommen und addiert werden. Laut Krämer weist nur ein Element diese idealen Eigenschaften auf – eben dieses Erbium aus China.


Die saubere Energie der Zukunft? Bei der Effizienzsteigerung von Solarpanels geht es um Zehntelprozente. (Bild: fotolia)

Einige Zehntelprozente

Die technische Entwicklung von Solarzellen ist in den letzten Jahrzehnten weit fortgeschritten. Verbesserungen finden heute im Zehntelprozentbereich statt, so auch bei der Nutzung des Infrarotlichts mit Hilfe von Erbium. «Unsere Grundlagenforschung zeigt ein neues Konzept auf, das sich sehr gut als Ergänzung und Optimierung der bestehenden Silizium-Technologie eignet, es bestehen gute Chancen auf eine Realisation», ist sich Krämer sicher. «Letztlich entscheidend sind jedoch Prozesse in Wirtschaft und Politik – weit ausserhalb der Grundlagenforschung. Entwicklungs- und Herstellungskosten sowie Strompreise bestimmen, wie viele Solarzellen installiert werden.»

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