Umwelt erforschen und schützen
Zufriedene Gesichter an der Verleihung des 8. Berner Umwelt-Forschungspreises: Im Beisein von Alt-Bundesrat Samuel Schmid führten die Gewinner vor, wie Forschung praktisch wird und Umwelt schützt. Die Stifter ihrerseits lobten die Verbindung von privatem mit universitärem Engagement zum Nutzen aller.
Samuel Schmid ist nicht nur Alt-Bundesrat, er ist auch Mitbegründer des Berner Umwelt-Forschungspreises UFP. Und er sprach in seinem Referat den aktuellen Stiftern von CSL Behring und Energie Wasser Bern aus dem Herzen: «Es gibt Werte ausserhalb der Bilanz». Der Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sei indes nicht einfach, es brauche viel Überzeugungsarbeit, auf beiden Seiten. Aber: «Die einen brauchen die anderen – und umgekehrt», plädierte Schmid eindringlich. Brücken schlagen, Wissenschaft mit Wirtschaft verbinden, Lösungen für aktuelle ökologische Probleme erarbeiten: Diese und ähnliche Wendungen prägten die Grussworte der anwesenden Prominenz aus Universität und Wirtschaft. Die Preisträgerin und der Preisträger zeigten anschliessend konkret, was dies bedeuten kann.
Entspannt nehmen die Hauptpreisträger Tobias Haller und Loretta Müller sowie Lisa Lauper als Trägerin des Anerkennungspreises den Applaus des Publikums entgegen. (Bild: Lukas Oechslin)
Saubere Roller für alle
Weltweit sind Millionen von Rollern im Einsatz, Tendenz steigend: Hierzulande, weil die praktischen Flitzer selbst in der Rush-hour ein Durchkommen im Verkehrsstau erleichtern. Andernorts, weil grosse Stückzahlen die Preise senken und so vielen den Einstieg in die private Mobilität ermöglichen. Am günstigsten sind Roller mit Zwei-Takt-Motoren. Deren Aufbau benötigt weniger Teile, hat aber eine Verlustschmierung, bei der gleichzeitig mit dem Benzin Öl verbrannt wird. «Die Abgase dieser Roller enthalten sehr viele Kleinstpartikel, welche Lungenzellen schädigen und zusammen mit anderen Faktoren zu Krebs führen können», erklärte Loretta Müller die Ausgangslage ihrer Forschung.
In ihrer Dissertation untersuchte die Forscherin die Giftigkeit von Rollerabgasen systematisch, verglich Zwei- und Vier-Takt-Roller, Vergaser- und Einspritzmotoren, den Einfluss verschiedener Ölqualitäten sowie jenen von Partikelfiltern. Um zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen, musste zunächst eine stabile Versuchsanordnung geschaffen werden. Die Abgase wechselnder Roller sollten in ihren Auswirkungen auf die Zellen unter definierten und konstanten Bedingungen untersucht werden können. In Zusammenarbeit mit der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule Technik und Informatik in Nidau gelang es Müller, ein stabiles Expositionssystem zu erstellen.
Links der Scooter auf dem Rollenprüfstand, in der Mitte die Abgasentnahme, Verdünnung und Messgeräte. Die Expositionskammer mit den Zellen befindet sich in der blauen Box rechts. (Bild: zvg)
Partikelfilter für Roller
Die Giftigkeit der Rollerabgase für Lungenzellen hängt von der Anzahl ausgestossener Nanopartikel ab. Technische Optimierungen der Antriebssysteme führen zu signifikanten Verbesserungen: Je besser die Qualität des verwendeten Benzins und Öls ist, desto kleiner sind die Emissionen. Die grösste Wirkung allerdings bringt – wie bei Autos - ein Partikelfilter: Mit ihm kann die Anzahl der schädlichen Partikel auch bei Rollern um bis zu 99.9 Prozent reduziert werden. Bislang haben Partikelfilter bei Rollern allerdings nicht Eingang in die Serienfertigung gefunden.
Das entwickelte Expositionssystem wird übrigens weiter verwendet: Ein Doktorand der Universität Fribourg untersucht mit Unterstützung von Berner Fachhochschule, Verwaltung und Privatwirtschaft die Giftigkeit von Diesel-Abgasen.
Afrikanische Feuchtgebiete im Vergleich
Die Breite der Berner Umweltforschung illustrierte der zweite Gewinner des Hauptpreises, Professor Tobias Haller von Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern. In Afrika werden viele Flussfeuchtgebiete übernutzt. Das ist eine neuere Entwicklung, denn während Jahrzehnten führte die kollektive Verwaltung durch lokale Gruppen zu einer ausgewogenen Nutzung der Ressourcen. Was also führte zur gegenwärtigen Lage?
In einer vergleichenden Studie untersuchten Forscherinnen und Forscher der Universitäten Bern, Zürich, Dar es Salam und Yaounde die Nutzung von Flussfeuchtgebieten in sechs afrikanischen Ländern. So unterschiedlich die Länder, so vergleichbar der Befund. Tobias Haller, der selber ein Jahr in Sambia geforscht hat, brauchte zur Beschreibung die paradoxe Formel vom «präsent-absenten Staat»: «Früher wurden Land und Gewässer als Allmende wahrgenommen, als gemeinschaftliches Eigentum, dessen Nutzung durch klare Regelwerke von der Dorfgemeinschaft organisiert war», erläuterte Haller. Anstelle des Staates bestimmte also die Gemeinschaft Nutzungsregeln, der Staat war so gesehen abwesend.
Kommerzieller Fang durch auswärtige Fischer mit engmaschigen Schleppnetzen in Sambia. Der Staat hat keine Mittel, die Übernutzung der Ressource einzudämmen. (Bild: zvg)
Anwesender und abwesender Staat
Die lokalen Regeln wurden im historischen Prozess der Entkolonialisierung durch erhöhten Ressourcendruck ausgehebelt. Die jungen Staaten brauchten Geld. Seither werden Ressourcen als Eigentum des Staates begriffen. Mit Folgen: «Heute ist der Staat ideologisch präsent. Mit dem Konzept der Staatsbürgerschaft ändert sich auch das Bewusstsein für die Ressourcennutzung», so Assistenzprofessor Haller. Nicht mehr die lokale Gemeinschaft, alle Staatsbürger sind berechtigt, Ressourcen zu nutzen. Damit ist der Staat jetzt offiziell anwesend. Er verfügt allerdings nicht über die Autorität, Regeln gegen die Übernutzung der lokalen Ressourcen durchsetzen zu können – und ist in diesem Sinne abwesend. Das Fazit liegt laut Tobias Haller nahe: «Das kollektive Eigentum an den Ressourcen muss wieder gestärkt werden».
Der Berner Umwelt-Forschungspreis
Der Berner Umwelt-Forschungspreis UFP wird zum 8. Mal verliehen. Ausgezeichnet werden Forscherinnen und Forscher für hervorragende wissenschaftlichen Arbeiten, die einen relevanten Beitrag zum besseren Verständnis von Umweltproblemen und zu deren Lösung leisten. Den Hauptpreis teilen sich Dr. Loretta Müller und Prof. Dr. Tobias Haller. Den Anerkennungspreis erhält Lisa Lauper für ihre Lizentiatsarbeit.
Der UFP wird durch CSL Behring und Energie Wasser Bern finanziert und vom Handels- und Industrieverein des Kantons Bern unterstützt.