«UniPress» wirft einen frischen Blick auf Gotthelf
Jeremias Gotthelf kennen wir als netten Heimatdichter, der uns in Schwarz-Weiss-Filmen und an Freilichttheatern in gute alte Zeiten entführt. Jetzt ermöglicht die historisch-kritische Edition sämtlicher Werke die Wiederentdeckung eines Widerspenstigen, der Schweizer Werte prägte.
Mit einem überraschend neuen Blick nähert sich die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «UniPress» dem ungebrochen populärsten Schweizer Volksschriftsteller des 19. Jahrhunderts. So zeigen die Forschenden der Uni Bern etwa den Pfarrer Albert Bitzius, dem die Lust am Predigen verging – weil seine Schäfchen am Sonntag oft besseres zu tun hatten als zur Kirche zur gehen. Und der sich auch aus diesem Grund der Schriftstellerei zuwandte, wo er unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf mehr Gehör fand. Die Gotthelf-Forschenden beschreiben einen streitlustigen Journalisten und politischen Querkopf, der Mächtigen aller Couleur das Leben schwer machte. Sie entziffern die Spuren eines sozial Engagierten, der mit feiner Satire den Umgang mit den Heimatlosen – den «Sans Papiers» von damals – aufs Korn nahm.
Rund 30 Jahre wird es dauern, bis die Materialfülle in einem der gegenwärtig grössten Editionsprojekte aufgearbeitet ist und ein umfassendes Bild Gotthelfs gezeichnet werden kann. Nach vier Jahren Arbeit sind jetzt die ersten acht Bände der historisch-kritischen Gesamtausgabe (HKG) erschienen.
Gotthelf, so ziehen die Verantwortlichen des Generationenprojekts in «UniPress» eine erste Bilanz, wollte sein Publikum durch drastische Geschichten zu mündigen und selbstverantwortlichen Schweizer Bürgern erziehen. Dies alles, damit die neuen Freiheiten im liberalen Staat nicht ins Verderben führen.
Brücken zwischen Nord und Süd
Ausserdem im Heft: Das ungeheurliche Leben des Fuchsbandwurms. Und wie Forschende von Abidjan über Kathmandu bis Costa Rica im Nationalen Forschungsschwerpunkt «Nord-Süd» unter Berner Leitung nachhaltige Lösungen für globale Probleme entwickelten. Im «Gespräch» fordert Brigitte Schnegg, Professorin für Geschlechterforschung, dass wir alle Pflege- und Fürsorgeleistungen erbringen sollen – weil wir diese «Care-Arbeiten» alle auch in Anspruch nehmen.
UniPress gibts an der Universität Bern in den Verteilboxen, im Abo nach Hause geliefert, im Internet zum Blättern und das «Gespräch» auch zum Hören als Podcast.