«Mit der Geburt Christi verhielt es sich so…»
Mit diesem Satz eröffnet das Matthäusevangelium die Geburtsgeschichte Jesu. Eine solche Einleitung suggeriert sicheres Wissen, harte Fakten, klare Auskünfte. Aus historischer Sicht ist das Weihnachts-Datum 25. Dezember jedoch zweifelhaft, wie Theologe Moisés Mayordomo erläutert.
Seit Jahrhunderten stattet die christliche Welt die Geburt Jesu mit Hirten, Königen, Engeln, Sternen, Geschenken, Tieren, und vielem anderem mehr aus. Und seit Jahrhunderten teilen die christlich geprägten Kulturen die Weltgeschichte in die Zeit vor und nach Christi Geburt ein; eine Geburt, die demnach am 25.12. im Jahre 1 stattgefunden hat. Unter dem kritischen Auge der Geschichtswissenschaft bleibt allerdings nicht viel davon übrig.
Immerhin: Aus der Tatsache, dass Jesus gelebt hat, lässt sich auf seine Geburt schliessen. Für die ersten Christen und Christinnen muss diese jedoch ziemlich uninteressant gewesen sein. Der Apostel Paulus – die früheste theologische Stimme im Neuen Testament – kommt mit keinem Wort auf die Geburt als Ereignis zu sprechen. Das Gleiche gilt für alle anderen Briefe des Neuen Testaments. Die älteste Jesus-Biographie, das Markus-Evangelium, überspringt Geburt und Kindheit und beginnt gleich mit dem erwachsenen Jesus. Auch das Johannes-Evangelium erzählt keine Geburtsgeschichte.
Hirten und Stall wurden erstmals im Lukas-Evangelium erwähnt - Illustration aus der Doré-Bibel. Bild: zeno.org
Wenn aus Magiern Könige werden
Lediglich im Matthäus- und im Lukas-Evangelium wird die wundersame Geburt Jesu geschildert. Lukas tut dies nicht nur wesentlich ausführlicher als Matthäus, sondern auch mit jenem feierlichen Tonfall, der Weihnachtsgefühle aufkommen lässt. Manche der heute bekannten Weihnachtselemente stammen aus diesen Erzählungen; so etwa die Hirten und der Stall aus Lukas, der Stern und die Geschenke aus Matthäus. Manch andere sind spätere «Mutationen»: So wurden aus den exotischen Magiern aus dem Osten die Heiligen drei Könige.
Diese relativ späten Geburtsgeschichten haben kaum etwas gemeinsam. Sie greifen letztlich auf bekannte zeitgenössische Erzählmuster und Motive zurück – beispielsweise Himmelsphänomene, oder die Verfolgung des Kindes durch einen bösen König – um die Bedeutung einer Gestalt durch die besonderen Umstände ihrer Geburt zum Ausdruck zu bringen. Sie wollen also keine historischen Fakten wiedergeben, sondern die Hauptfigur Jesus in die Geschichte einführen.
Kam Jesus «zu früh» zur Welt?
Dennoch finden sich einige Angaben, die immer wieder chronologisch genutzt worden sind: Wann hat die Volkszählung stattgefunden, die nach Lukas Josef und die hochschwangere Maria nach Bethlehem ziehen lässt? Welches datierbare Himmelsphänomen haben die Magier als Hinweis auf die Geburt Jesu beobachtet? Viel ist aber aus diesen Fragen nicht zu gewinnen. Verwertbar sind lediglich zwei Angaben: Jesus wurde während der Regierungszeit von Kaiser Augustus (44/42 v.Chr. bis 14 n.Chr.) geboren, als Herodes der Grosse in Judäa herrschte.
Der Tod des Herodes kann mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Jahr 4 v.Chr. datiert werden. Nimmt man die Angabe hinzu, dass er in Betlehem Kinder bis zum zweiten Lebensjahr töten liess – eine nicht ganz unglaubwürdige anti-herodianische Legende – dann wäre Jesus um das Jahr 6 v.Chr. zur Welt gekommen – ironischerweise also «vor Christi Geburt». Ein genaues Datum ergibt sich daraus nicht einmal annährend.
Wider die dekadenten Geburtstagsfeiern
Die neutestamentlichen Erzählungen haben in der Alten Kirche indes keine entsprechende Weihnachtsfeier begründet. Die Kirchenväter des 2. und 3. Jahrhunderts kannten ein solches Fest nicht – im Gegenteil: Der gebildete christliche Philosoph Origenes († 254) polemisiert gegen die Geburtstagsfeiern. Diese seien typisch für den dekadenten Kaiserhof.
Um 200 wundert sich der Alexandriner Klemens über Theologen, die vorgeben, das Datum der Geburt Jesu zu kennen. Einige frühe Kandidaten waren: 6. oder 10. Januar, 28. März, 19. oder 20. April, 20. Mai. In der Folgezeit wurde beinahe jeder Monat mit einem Geburtstermin Jesu bedacht. Die Geschichte ist verwirrend und lässt – wie vieles im frühen Christentum – auf eine erstaunliche Vielfalt an Meinungen und Positionen schliessen.
Theologe Moisés Mayordomo hat sich eingehend mit der Geschichte von Christi Geburt befasst. Bild: zvg
Christus ersetzt den Sonnengott
Der früheste Beleg für den 25. Dezember findet sich in einem Kalender, den der römische Gelehrte Furius Dionysius Filocalus im Jahre 354 für den christlichen Aristokraten Valentinus anfertigte. Am Anfang einer Liste der Todestage von Märtyrern heisst es unter 25. Dez. ganz unspektakulär: natus Christus in Betleem Iudeae. Für die Wahl dieses Datums gibt es einen plausiblen Grund: der 25. Dezember wurde unter Kaiser Aurelian zum Festtag des römischen Sonnengottes, Sol invictus. Mit dem Aufstieg des Christentums zur römischen Staatsreligion im 4. Jahrhundert wurde dieser Termin sozusagen «frei» für eine christliche Feier. Was bot sich dafür besser an als die Geburt Jesu mit ihrer Affinität für Lichtmetaphern?
Ein historisch versierter Fundamentalist könnte nun aus diesem Befund den Schluss ziehen, dass das Weihnachtsfest jeder Grundlage entbehrt und abgeschafft werden sollte. Aber Feste rufen nicht einfach historische Tatsachen ins Gedächtnis, sie haben Zeit übergreifenden Charakter und bringen elementare Erfahrungen wie Geburt und Erneuerung symbolisch zum Ausdruck.
Moisés Mayordomo ist Prof. für Neues Testament und Antike Religionsgeschichte an der Theologischen Fakultät