Die fliegenden Frösche kamen übers Land

Sie faszinieren und ihre Vielfalt ist gross – die fliegenden Frösche auf Borneo. Ein Berner Forscher hat mittels Genanalysen herausgefunden, dass die Tiere Borneo vom Festland her besiedelt haben. Ihre Artenvielfalt ist nicht wie vermutet ausschliesslich auf der Insel selbst entstanden.

Von Bettina Jakob 21. Mai 2013

Hier hüpfen sie von Teich zu Teich, in Borneo segeln sie von Baum zu Baum: Auf den Sundainseln in Südostasien sind fliegende Frösche ein Naturspektakel. Stefan Hertwig, Leiter der Abteilung Wirbeltiere am Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern und Dozent am Institut für Ökologie und Evolution (IEE) der Universität Bern, kennt die Froschwelt auf Borneo ausgezeichnet – und hat nun herausgefunden, dass die Vielfalt der sogenannten Ruderfrösche nicht auf der Insel selbst, also nicht durch ständige Anpassung an sich verändernde Lebensräume, entstanden ist.

Ein Ruderfrosch im Flug
Ein Ruderfrosch im Flug. Bild: Alexander Haas, Universität Hamburg

«Borneo muss mehrfach von Ruderfröschen des Festlands besiedelt worden sein», erklärt der Amphibienexperte. Die Resultate eines phylogenetischen Vergleichs von 38 Ruderfroscharten Borneos mit Ruderfröschen aus Nordindien, Südchina, Vietnam und Malaysia zeigt, dass Arten der Insel näher mit Arten des Festlands verwandt sind als unter sich. Das internationale Forscherteam hat fünf Gene von insgesamt 91 Arten verglichen, die Studie ist in «Molecular Phylogenetics and Evolution» publiziert.

Besiedelung über Landbrücken

«Diese mehrfache Besiedelung hat entscheidend zur Entstehung der beeindruckenden Vielfalt des Lebens auf dieser Insel beigetragen», schreiben Hertwig und seine Forscherkollegen der Universitäten Kuching und Hamburg. Der Experte vom Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern sieht Klimaveränderungen als Ursache für diesen erstaunlichen Befund: Die Sundainseln, zu welchen Borneo gehört, liegen auf dem sogenannten Sundaschelf, einem relativ flachen Meer.

«Durch globale Temperaturschwankungen in den letzten 30 Millionen Jahre ist der Meeresspiegel wiederholt so stark gesunken, dass zwischen Festland und Insel vorübergehend Verbindungen entstanden sind», so Hertwig. Die stammesgeschichtlichen Erkenntnisse aus der Genanalyse untermauerten geologische Hinweise, die diese Landbrücken ebenfalls attestierten.

Stefan T. Hertwig am Arbeitsplatz
Stefan T. Hertwig ist Amphibien-Experte am Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern und Dozent am Institut für Ökologie und Evolution (IEE) der Universität Bern. Bild: M. Meier

Fragile Vielfalt ist bedroht

Fliegende Frösche sind ein Markenzeichen der Inselwelt Südostasiens. Die Tiere leben in Baumkronen und nutzen ihre Schwimmhäute zum Gleitflug von Baum zu Baum. Zu beobachten sind die Tiere gemäss Stefan Hertwig dann, wenn sie sich von den Bäumen herunter an die Fortpflanzungsgewässer begeben. Auch bei der Brutpflege verhalten sich die Ruderfrösche eigentümlich: Ihre Eier legen sie nicht ins Wasser ab, sondern platzieren sie oberhalb der Wasseroberfläche in Schaumnestern. «Damit bleiben die Eier vor Fressfeinden besser geschützt», erklärt Hertwig. Erst als Kaulquappen schlängeln sie sich wie unsere einheimischen Frösche durch die Tümpel.

Schaumnest
Schaumnest eines Ruderfrosches aus dem Lambir Hills National Park, Sarawak, Malaysia. Bild: S. Hertwig

Die Vielfalt der Frösche auf Borneo ist beeindruckend, «aber auch gefährdet», so der Biologe. Während noch heute immer wieder neue Arten entdeckt würden, könne es sein, dass gleichzeitig eine Art verschwinde: «Die Diversität ist durch die andauernde Zerstörung der Regenwälder – durch Palmölplantagen und Baumrodungen – akut vom Aussterben bedroht.»

Flugfrosch
Eine Art der fliegenden Frösche auf Borneo: Rhacophorus pardalis. Bild: S. Hertwig
Oben