Droht dem Wallis die Wasserknappheit?
Die klimatischen und sozioökonomischen Veränderungen werden das Mittelwallis vor grosse Herausforderungen bei der Wasserversorgung stellen. Das hat die interdisziplinäre Studie «MontanAqua» unter der Leitung des Geographischen Instituts der Universität Bern aufgezeigt.
Das Mittelwallis, die «Sonnenstube» der Schweiz, lockt im Sommer mit ausgedehnten Wanderungen durch die Rebberge. Als Wanderer bemerkt man schon heute, wie trocken es in den Hügeln um die Rhone ist. Wie, so fragt man sich, wird das Tal angesichts der fortschreitenden globalen Erwärmung erst in 50 oder 100 Jahren aussehen?
Mit dieser Frage befasste sich die interdisziplinäre Studie MontanAqua, welche Anfang November nach gut dreieinhalb Jahren abgeschlossen wurde. Die gute Nachricht vorweg: «Bis 2050 dürften die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt der Region Crans-Montana-Sierre erstaunlich gering sein», sagt Studienleiter Rolf Weingartner, Hydrologe am Geographischen Institut der Universität Bern.

Gemeinden als «Wasser-Scheichs»
Trockenperioden werden zwar gerade im Sommer zunehmen, insgesamt dürfte aber genügend Wasser zu Verfügung stehen. Wichtiger als der Klimawandel ist laut Weingartner vorderhand die sozioökonomische Entwicklung und der damit einhergehende Wasserverbrauch, zum Beispiel in der Landwirtschaft oder im Tourismus: «Die interkommunale Zusammenarbeit im Bereich Wasserversorgung ist heute schlecht, jede Gemeinde schaut in erster Linie für sich.» Da falle schon mal der Vorwurf, Kommunen, die sich weiter oben an den Wasserläufen befänden, führten sich wie «Wasser-Scheichs» auf.
Eine gemeinsame Wasserbewirtschaftung sei notwendig, um Perioden mit Wasserknappheit wie das extrem trockene Jahr 2011 zu bewältigen, so Weingartner. «Die heutigen Wassernutzungrechte gehen teilweise bis auf das 14. Jahrhundert zurück.» Es brauche Änderungen auf institutioneller Ebene. Die MontanAqua-Forschenden empfehlen deshalb, einen interkommunalen Wasserverbund zu schaffen, der das Wassermanagement der Region steuert.
Bis 2050 profitiert die Region
Doch neue Gesetze alleine reichen langfristig nicht aus, wie das Beispiel des Plaine-Morte-Gletschers zeigt – dieser ist ein wichtiger Wasserlieferant für die Region, insbesondere im Sommer. Wie viele andere Gletscher weltweit schmilzt der bis zu 230 Meter dicke Eispanzer langsam ab. «Davon wird die Region eine Zeit lang profitieren», so Weingartner. «sie befindet sich ein einer Gunstlage, weil sie bis zur Mitte des Jahrhunderts mit mehr Schmelzwasser versorgt wird als heute.»

Doch dieser Vorteil währt nicht ewig: Bis ins Jahr 2080 wird der Gletscher weitgehend weggeschmolzen sein. Weingartners Team untersuchte mittels fluoreszierender Markierstoffe das Abflussverhalten des Schmelzwassers. Es stellte sich heraus, dass es einerseits oberirdisch zur Simme im Kanton Bern und andererseits durch Spalten im Karstgebiet Richtung Rhone abfliesst. Gegen Ende des Jahrhunderts, wenn der Eisschild weg ist, wird der oberirdische Abfluss aus Schmelzwasser versiegen und die unterirdischen Kanäle im Frühling statt Gletscherwasser nur noch geschmolzenen Schnee mit sich führen.
Von der Batterie zum Wasserreservoir
Da in hohen Lagen künftig feuchtere Winter erwartet werden, dürfte das Schmelzwasser der Schneedecke laut Weingartner einen wichtigen Beitrag leisten, um die Region zu versorgen – wenn es gelingt, das kostbare Nass zu speichern: «Der Plaine-Morte-Gletscher als natürlicher Wasserspeicher muss durch einen künstlichen Speicher ersetzt werden.»

Die MontanAqua-Forschenden schlagen darum vor, den südwestlich vom Gletscher gelegenen Tseuzier-Stausee neu als multifunktionalen Speicher zu verwenden. «Bislang wird damit nur Strom hergestellt, aber in Zukunft könnte er auch als riesiger Speicher für Trink-, Brauch und Landwirtschaftswasser dienen», sagt Weingartner und hält fest: «Unsere Studie bezieht sich zwar auf das Mittelwallis, aber letztlich wird die integrale Bewirtschaftung der Wasserressourcen eine gesamtschweizerische Herausforderung sein.»
«MontanAqua» – ein Gemeinschaftsprojekt
Der Umgang mit Wasser ist auch in der Schweiz ein zentrales Thema des 21. Jahrhunderts. Aus diesem Grund wurde das Nationale Forschungsprogramm (NFP) 61 «Nachhaltige Wassernutzung» des Schweizerischen Nationalfonds SNF ins Leben gerufen. Zu den unterstützen Projekten gehört «MontanAqua». Dabei handelte es sich um eine interdisziplinäre Gemeinschaftsstudie der Universitäten Bern, Fribourg und Lausanne, wobei die Uni Bern auf den Bereich Hydrologie und Transdisziplinarität, Lausanne auf den Wasserverbrauch und Fribourg auf die politischen Aspekte fokussierte. Ziel war es, das Wassermanagement im Region Crans-Montana-Sierre zu erforschen und unter Einbezug der lokalen Politik Strategien zur nachhaltigen Wassernutzung auszuarbeiten.