Ein Professor kämpft gegen das Bienensterben
Neue Ansätze gegen das Bienensterben finden: Das will Peter Neumann, Inhaber der neuen Vinetum-Professur für Bienengesundheit an der Vetsuisse-Fakultät in Bern. Für den Lehrstuhl stellt die Stiftung Vinetum fünf Millionen Franken für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung.
«uniaktuell: Herr Neumann, stimmt es, dass wir Menschen sterben, wenn die Bienen sterben?
Peter Neumann: Das ist so nicht ganz korrekt. Aber wenn die Bienen weiter sterben, kann es durchaus Engpässe bei der Bestäubungsleistung geben und damit natürlich ernsthafte Probleme für die menschliche Ernährung und die Umwelt. Während zwar Reis und Gerste über den Wind bestäubt werden, sind für die gesunde Ernährung mit Gemüse und Obst die Bienen als bestäubende Insekten unersetzlich. Auch die meisten Wildpflanzen benötigen Bestäubung durch Insekten.
Wie sieht denn die traurige Entwicklung des Bienensterbens in Zahlen aus?
Letztes Jahr sind in der Schweiz die Hälfte aller Bienen gestorben, – also rund 100’000 Bienenvölker. Diese Zahlen sind für die Imkerei nicht haltbar, unter dem Strich entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. In den USA liegt die Sterberate in letzter Zeit bei konstanten 30 Prozent – als Toleranzwert gelten für die Imker eigentlich 10 Prozent.
Warum sterben die Bienen? In Verdacht stehen vor allem Pestizide und die sogenannte Varroa-Milbe.
Es ist die Milbe Varroa destructor – sie ist mit Abstand die wichtigste Verursacherin des Bienensterbens. In der Schweiz sind alle Bienenvölker mit diesem Parasiten befallen, und unbehandelt stirbt ein Volk innerhalb von ein, zwei Jahren. Selbst wenn geeignete Massnahmen ergriffen werden, ist nicht sicher, dass die kranken Bienen überleben – denn geschwächte Individuen und Völker werden meist zusätzlich zu den Milben von Viren befallen, was schliesslich zum Tod eines Volkes führt.
Was lässt sich denn tun gegen die Varroa-Milbe?
Wir empfehlen eine Behandlung der Völker mit bestimmten organischen Säuren, da sie keine schädlichen Rückstände in den Produkten der Bienen hinterlassen. Ihre Anwendung ist allerdings sehr umwelt- und wetterabhängig, da diese Mittel zum Beispiel schnell verdampfen. Daneben gibt es die sogenannten Acarizide, chemische Keulen, welche die Milben abtöten. Diese führen aber schnell zu Toleranzen bei den Milben oder gar zu Nebenwirkungen bei den Bienen, ebenfalls können diese Honig und Wachs kontaminieren.
Sie sind Bienenpathologe und forschen bald im Rahmen der neuen Professur für Bienengesundheit an der Uni Bern: Wie wollen Sie den Milben, Viren & Co. beikommen?
Für eine nachhaltige Imkerei ist es essentiell, die vielfältigen Mechanismen im Dreieck Bienen-Milben-Viren in den Fokus der Forschung zu rücken. Wir müssen das Zusammenspiel dieser drei Faktoren unbedingt besser verstehen. Etwa warum die östliche Honigbiene in Asien besser mit der Varroa-Milbe klar kommt, als die westliche Honigbiene, die natürlich in Europa und Afrika vorkommt. Wir müssen herausfinden, warum gewisse Völker besser mit dem Parasiten auskommen.
Wie wollen Sie konkret vorgehen?
Bisher wurden viel Zeit und Ressourcen in die Entwicklung von wirksamen Stoffen gegen Milben und Viren investiert. Sinnbildlich gesagt: Diese Feuerwehrmassnahmen sind gut, doch es ist wichtig, sich auch um den Brandschutz zu kümmern. Neben der akuten Pflege der kranken Bienen braucht es jetzt auch solide Grundlagenforschung, um neue und effektivere Ansätze im Kampf gegen Varroa destructor zu finden. Oder wie Napoleon es sagte: Man muss den Feind nicht hassen, sondern gut verstehen, um ihn erfolgreich bekämpfen zu können. Die Strukturen der Vinetum-Professur für Bienengesundheit an der Vetsuisse-Fakultät erlauben einen in Europa einzigartigen Ansatz in dieser interdisziplinären Aufgabe – etwa durch die Zusammenarbeit mit dem Institut für Ökologie und Evolution und mit dem Institut für Pflanzenwissenschaften und dem praxisnahen eidgenössischen Zentrum für Bienenforschung von Agroscope.
Ein Blick in die Zukunft: Werden die Bienen aussterben?
Das glaube ich nicht. Aber wenn weiterhin so viele Bienen sterben, hängen womöglich viele Imkerinnen und Imker ihr Hobby – in der Schweiz gibt es die Erwerbs-Imkerschaft kaum – an den Nagel, weil es anstrengend und frustrierend ist. Somit sinken die Zahlen vermutlich noch weiter. Es ist daher jetzt wichtig, ein besseres Bewusstsein für die Leistung der Bienen zu schaffen und die Gesellschaft zu motivieren, einzugreifen.
Und was kann die Bevölkerung Nützliches tun?
Alle können mitmachen – etwa statt englischen Rasen ein Beet mit Wildblumen zu bepflanzen und Nisthilfen einzurichten, zum Beispiel auch für die Hummeln. Und als Forscher werde ich alles daran setzen, möglichst rasch Lösungen zu finden, damit die Bienen gesund werden und auch gesund bleiben.