Berner Physiker erhält 2,4 Millionen Franken und will einen Quantensimulator bauen
Ein toller Erfolg für den Berner Forscher Uwe-Jens Wiese: Der theoretische Physiker wird vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem «ERC Advanced Grant» ausgezeichnet. Für sein Projekt zur Quantenphysik erhält er rund 2,4 Millionen Franken.
Wie verhalten sich die Kleinsten der Kleinstteilchen, nach welchen Spielregeln interagieren sie – und wie kann man sich dieses Wissen zunutze machen? Die fundamentalen Naturgesetze, die das Verhalten der elementaren Bestandteile der Materie bestimmen, werden etwa in Experimenten am CERN bei Genf untersucht, an denen auch Physikerinnen und Physiker des «Albert Einstein Center for Fundamental Physics» (AEC) der Universität Bern beteiligt sind. Die mit dem «Large Hadron Collider» (LHC) zur Kollision gebrachten Protonen zersplittern dabei in ihre kleinsten Bestandteile, Quarks und Gluonen, die sich dann in andere Teilchen, wie das vor Kurzem entdeckte Higgsteilchen, umwandeln können. Mit grossen Detektoren wird nach diesen neuen Teilchen gejagt. Gleichzeitig formuliert die theoretische Physik die Naturgesetze mathematisch, um berechnete Grössen mit experimentell erzielten Messergebnissen zu vergleichen. Dies ist das Fachgebiet von Uwe-Jens Wiese, der nun einen der renommierten «ERC Advanced Grants» der EU erhält. Wiese war an der Gründung des AEC der Universität Bern mitbeteiligt und weilt derzeit in einem Sabbatical am «Massachusetts Institute of Technology» (MIT) in Cambridge bei Bosten, USA.
Der Physik-Professor Uwe-Jens Wiese vor der Wandtafel, wo er seine Ideen skizziert. (Bild: zvg)
Ein Quantencomputer als Lösung
Quarks und Gluonen sowie andere Elementarteilchen werden mathematisch durch sogenannte Eichtheorien beschrieben, die von theoretischen Physikerinnen und Physikern am Albert Einstein Center im Detail studiert werden. Obwohl Quarks und Gluonen einfache mathematische Strukturen verkörpern, bilden sich durch deren starke Wechselwirkung komplexe Bindungszustände – unter anderem Protonen –, die gemäss Wiese theoretisch nur schwer zu berechnen sind. Für solche Fälle spielten Computersimulationen, die schon manche Eigenschaften der Protonen erklären konnten, eine zentrale Rolle.
Wenn allerdings sehr viele Quarks auf engstem Raum zusammengedrängt werden, wie dies im Inneren von Neutronensternen der Fall ist, «dann sind klassische Computer hoffnungslos überfordert», sagt Uwe-Jens Wiese vom AEC. Ein hypothetischer universeller Quantencomputer, an dessen Realisierung zur Zeit intensiv geforscht wird, könnte hier langfristig Abhilfe schaffen.
Teilchenphysiker und Quantenoptiker
Im Rahmen des nun bewilligten «ERC Advanced Grant» will Uwe-Jens Wiese ein Team zusammenstellen, das in den kommenden fünf Jahren in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe des Atomphysikers und Quantenoptikers Peter Zoller aus Innsbruck sogenannte Quantensimulatoren für Eichtheorien konstruiert: Dabei sollen ultrakalte Atome in einem Feld von sich kreuzenden Laserstrahlen experimentell so manipuliert werden, dass sie sich ähnlich wie Quarks und Gluonen verhalten – eine Situation, die mit einem klassischen Computer nicht berechnet werden kann, sich aber im Quantensimulator nachstellen lässt.
Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Elementarteilchenphysik und Quantenoptik, die in dieser Form bisher einzigartig ist, soll laut Uwe-Jens Wiese dazu beitragen, komplexe Probleme zu lösen, an denen sich theoretische Physiker bisher die Zähne ausgebissen haben.
Die ERC Grants
Der von der Europäischen Union 2007 gegründete «European Research Council» (ERC) ist die erste gesamteuropäische Förderagentur für Spitzen-Grundlagenforschung. Die Aufgabe und der Anspruch des ERC ist die Unterstützung der freien Forschung der besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Europas. Berner Forschende wurden bisher elfmal mit einem Förderpreis ausgezeichnet.
Webseite des European Reserach Council ERC