Geld von Firmen an der Uni: «Eine Frage des Masses»

Darf eine Uni Geld von Privatfirmen für Lehrstühle einsetzen? Oder wird dadurch die Freiheit von Lehre und Forschung gefährdet? An einem SUB-Podium erörterten Vertreterinnen und Vertreter aus Unileitung, Privatwirtschaft, Studierendenschaft und Gegnerschaft die Schwierigkeiten solcher Kooperationen.

Von Bettina Jakob 02. Mai 2013

Auf den ersten Blick scheint dieses Paket gut geschnürt: Eine Professur für Klimafolgenforschung im Alpenraum an der Universität Bern untersucht Extremereignisse, die im Rahmen des Klimawandels auftreten. Ein gesellschaftlich hochrelevantes Problem, zu dem alle Erkenntnisse willkommen sind. Finanziert wird der Lehrstuhl durch die Schweizerische Mobiliar. Das heisst: Die Versicherungsgesellschaft bezahlt also für eine Forschung, deren Ergebnisse ihr zugute kommen können. «Aber nicht nur der Mobiliar, sondern auch den anderen Versicherern und schliesslich der ganzen Schweizer Bevölkerung», stellt Werner Luginbühl, Ständerat und Verantwortlicher für die Public Affairs bei der Mobiliar, klar.


«Wenn Firmen Unis zahlen»: Unter diesem Titel lud die SUB zum Podiumsgespräch. (Bilder: SUB)

Denn: Die Forschungsresultate stehen nicht etwa exklusiv der Geldgeberin zur Verfügung, sondern werden auf dem regulären Weg – also in den Wissenschaftsjournals – publik gemacht. Nach Unigesetz sei so die Freiheit der Forschung gewährleistet, sagt Christian Leumann, Vizerektor Forschung der Uni Bern. Die Stelleninhaberin der Professur ist gemäss Regelungen der Uni Bern frei in der Ausrichtung und Methodenwahl ihrer Forschung, und die Berufungen auf die gestifteten Professuren erfolgen nach regulärem Prozedere.

100 UBS-Millionen als Stein des Anstosses

Eine Win-Win-Situation zum Wohle aller – und doch melden sich Skeptiker und Mahnerinnen. Bis über die Landesgrenzen hinaus regt sich professoraler Widerstand, der im «Zürcher Appell» auf die Unabhängigkeit der Universitäten pocht. Ausgelöst wurde die Diskussion durch die 100 Millionen, mit welchen die UBS an der Uni Zürich das neue «UBS International Center of Economics in Society» finanziert.

Am Podium der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB) diskutierten Christian Leumann von der Berner Unileitung, Werner Luginbühl von der Mobiliar, Markus Müller, Berner Staatsrechtler und Mitinitiant des «Zürcher Appells», sowie Manuela Hugentobler vom Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS), was – auf einen zweiten Blick – passieren könnte, wenn Firmen Unis mitfinanzieren.


Moderatorin Anna Chudozilov von «NZZ Campus» im Gespräch mit Werner Luginbühl von der Mobiliar (Mitte) und Christian Leumann von der Berner Unileitung.

Das Problem des Anscheins

«Diese schleichende Bewegung raubt der Universität ihren Wert, dieses rare Gut der Unabhängikeit.» Jurist Müller ist überzeugt, dass mit jeder fixen Einrichtung an einer Universität, die durch Privatfirmen gestiftet wird, jenes «Problem des Anscheins» entsteht. Des Anscheins, dass ein Forscher, der auf der Basis von Geld aus der Privatwirtschaft Daten sammelt und analysiert, womöglich durch jene Geldgeberin beeinflusst worden ist oder werden könnte – «auch wenn dies vielleicht nicht der Fall ist». Dieses Grundprinzip wirke ungeachtet dessen, ob es sich bei der Geldspritze aus der Privatwirtschaft um eine Unterstützung der Mobiliar handelt, die ihr Engagement als Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gesehen haben will, oder um 100 Millionen einer Grossbank.

Die Freiheit von Lehre und Forschung ist durch die Verfassung geschützt. Unabhängige Resultate und Expertisen kann eine Uni gemäss Müller nur ohne externen Einfluss zweifelsfrei liefern. «Die Universität ist eine staatliche Einrichtung und kein Unternehmen», doppelte auch Manuela Hugentobler nach. Deshalb sollten auch Bund und Kanton für deren Finanzierung sorgen.

1 Prozent des Uni-Budgets aus Privatwirtschaft

Ein Verweis auf die Finanzen zeigt schnell das Problem auf, vor dem die Berner Uni – und ebenfalls andere Hochschulen – steht: Der Kantonsbeitrag an die Uni ist, allem Weibeln durch die Unileitung zum Trotz, in den letzten 10 Jahren nur um 13 Prozent gestiegen, während sich die Drittmittel verdoppelt haben und die Studierendenzahlen um 50 Prozent gestiegen sind. «Ohne Drittmittel könnten wir den regulären Betrieb gar nicht mehr gewährleisten», so Vizerektor Leumann. Schön wärs, wenn der Honig einfach fliessen würde, aber in Anbetracht der leeren Kantonskasse müsse man sich mit der Realität und nicht mit Wunschdenken auseinandersetzen.

Nachdrücklich betonte Leumann: Die Seele habe die Universität nicht verkauft, wie das nun den Anschein machen könnte. Von den eingeworbenen Drittmitteln von insgesamt rund 218 Millionen im 2012 würden lediglich 9 Millionen Franken aus der Privatwirtschaft stammen. Und diese machen nur rund 1 Prozent des Gesamtbudgets der Uni von 754 Millionen Franken aus.


Wollen, dass die Unis von der öffentlichen Hand finanziert werden: Jurist Markus Müller und Manuela Hugentobler vom Verband der Schweizer Studierendenschaften.

«Grösstmögliche Transparenz»

Die Tendenz zu verstärkten Fundraising-Aktivitäten durch die Schweizer Universitäten bestritt niemand. Nicht alle betrachten die Geldgeschenke aus der Privatwirtschaft aber als gleich problematisch. Werner Luginbühl empfiehlt die «grösstmögliche Transparenz, um mögliche Befangenheiten auszuschalten». Der Ständerat sieht zudem im eidgenössischen Hochschulförderungsgesetz «gewisse problematische Anreize», die man korrigieren müsse. Aber es sei klar: «Für den Entwicklungsplatz Schweiz sind die Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft wichtig.»

Einen gewissen Anteil der eingegangenen privatwirtschaftlichen Gelder für die Einrichtung von Uni-Lehrstühlen in einen Gesamtpot werfen und an alle Unis gleichmässig verteilen: Das schlägt Manuela Hugentobler vor, «um die Entwicklung der Uni zum Dienstleistungsunternehmen abzuschwächen.» Und die Idee des Staatsrechtlers Markus Müller: Die Firmen schenken das Geld der Uni als Gesamtinstitution und die Unileitung verteilt die Mittel schliesslich nach ihrem Gusto.

Transparenz bei den Deals löst für Müller das Problem nicht: «In Verträgen kann man gewisse Befangenheiten ausschliessen, die innere aber nicht.» Studien würden belegen, dass Forschende unbewusst beeinflusst würden und schliesslich Resultate herausfinden, wie sie der Geldgeber erhoffe.

Jeden Fall gesondert betrachten

Schwarzweiss-Denken bringt gemäss Vizerektor Christian Leumann aber wenig: «Eine solch dogmatische Haltung, einer Religion gleich, macht in einem sich laufend entwickelnden Umfeld bewegungsunfähig.» Und plötzlich liege man wie die Costa Concordia aufgelaufen an einem Felsen. «Es ist eine Frage des Masses», so der Uni-Vizerektor. Jeder Fall müsse gesondert betrachtet und eingeschätzt werden.

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