Kommunist, Gefangener und brillanter Physiker
Das Buch, das eine Physikerin und zwei Physiker der Uni Bern herausgegeben haben, verspricht Spannung: Es erzählt das abenteuerliche Leben des Friedrich Georg Houtermans, welcher der Alma mater bernenis ein grosses wissenschaftliches Erbe hinterlassen hat.
Als er in Bern landete, hatte er bereits viele Lebensstationen hinter sich – aufregende, verfolgte, gequälte. Friedrich Georg Houtermans war 49 Jahre alt, als er 1952 den Ruf an die Universität Bern erhielt. Die Hauptstadt der Schweiz scheint wie eine ruhige Insel im bewegten Leben: Der gebürtige deutsche Physiker, der in Wien bei seiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen war, musste bei Kriegsausbruch 1933 nach England fliehen, da er der Kommunistischen Partei angehörte. Aufgrund seiner politischen Gesinnung zog er weiter ins russische Charkow, wurde aber später von den Stalinisten verhaftet und nach zwei Jahren Gefängnis nach Deutschland ausgeliefert – wo ihn schliesslich die Gestapo in Empfang nahm.
Verschaffte dem Physikalischen Institut der Uni Bern internationales Ansehen: Friedrich Houtermans. (Bilder: Courtesy of the Physics Institute of the University of Bern)
Wie die Biografie nun in die Regale kam
Mithilfe von Freunden kam Friedrich Houtermans frei, forschte in Elektronen- sowie Kernphysik und brillierte mit aufsehenerregenden Arbeiten. «Das abenteuerliche Leben von Georg Friedrich Houtermans» hat der italienische Edoardo Amaldi, einer der Gründer des Cern und der Esa, in ein Buch gefasst. Der Autor starb aber vor Abschluss des Werks, sein Sohn stellte es schliesslich fertig. Nun wird die Biografie von Saverio Braccini, Antonio Ereditato und Paola Scampoli, Physiker des «Albert Einstein Center for Fundamental Physics» (AEC) und des Labors für Hochenergiephysik der Uni Bern, herausgegeben. Am 28. Februar findet eine Buchpräsentation statt.
Houterman legte wichtigen Grundstein in Bern
Der Forscher mit originellen, unkonventionellen Ansätzen und Methoden prägte die experimentelle Physik an der Universität Bern massgeblich und verschaffte dem Physikalischen Institut internationale Ausstrahlung und Ansehen. Unter Houtermans wissenschaftlichen Veröffentlichungen finden sich grundlegende Beiträge zur Kernphysik, zur Astrophysik und zur radiometrischen Altersbestimmung. So bewies er etwa die Existenz des Antiprotons und bestimmte das Erdalter mit 4,5·109 Jahren.
Physiker Houtermans mit seinem ersten Motorrad 1954 vor dem Uni-Hauptgebäude.
Friedrich Houtermans hat auf den Gebieten der nuklearen Geophysik und Geochronologie, bei der Altersbestimmung von Erzen, Mineralien und Meteoriten Pionierleistungen erbracht. Damit legte er den Grundstein für Nachfolgewissenschaften an der Uni Bern. Für Hans Oeschger etwa, den Houtermans instruiert hatte und welcher 1963 eine eigenständige Abteilung für Klima- und Umweltphysik etablierte: Mit neuen Methoden liess sich nun der CO2-Gehalt in antarktischen Eisbohrkernen bestimmen und damit Rückschlüsse auf das Klima der letzten 800'000 Jahre ziehen. Heute ist das Oeschger-Zentrum ein interdisziplinäres Kompetenzzentrum für Klimaforschung.
Friedrich Houtermans hat der Uni Bern ein grosses wissenschaftliches Erbe hinterlassen, wie das Buch beschreibt. Er starb 1966 in Bern. Sieben Jahre nach seinem Tod verlieh die Internationale Astronomische Union einem Mondkrater den Namen Houtermans.
Buch: Edoardo Amaldi: The Adventurous Life of Friedrich Georg Houtermans, Physicist 1903–1966; Hrg. Saverio Braccini, Antonio Ereditato und Paola Scampoli, Springer Briefs in Physics 2013, 152 Seiten.
Buchpräsentation: Donnerstag, 28. Februar, 17 Uhr, Universität Bern, Exakte Wissenschaften.