Der Berner Physiologe beim «Human Brain Project»

Eine Milliarde Euro für die Hirnforschung: Das «Human Brain Project» der ETH Lausanne ist eines der neuen Flaggschiffe der EU. Unter den Schweizer Kollaborateuren ist der Berner Neurophysiologe Walter Senn, der Theorien über neurobiologische Prozesse entwickelt.

Von Bettina Jakob 29. Januar 2013

Das menschliche Gehirn am Computer simulieren: Dieses ambitiöse Ziel hat das «Human Brain Project», das gestern zum EU-Flaggschiff-Projekt erkoren wurde. Die Europäische Kommission fördert mit der Initiative «Neue und künftige Technologien» grosse Forschungsvorhaben mit visionären Zielen. Das Gewinner-Projekt unter der Leitung der ETH Lausanne (EPFL) wird – neben dem zweiten Projekt «Graphene» unter schwedischer Leitung – während einer Laufzeit von 10 Jahren mit bis zu einer Milliarde Euro gefördert.


Das menschliche Gehirn im Fokus der Forschung: Die EU zahlt eine Milliarde Euro an das «Human Brain Project». (Bild: istock)

Mit an Bord beim «Human Brain Project» sind neben der EPFL seitens der Schweiz auch die Uni Bern, das Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV), die ETH Zürich, die Universität Zürich und die IBM Research GmbH. Durch die breit angelegte Forschung werden «Fortschritte in den Neurowissenschaften, in der Medizin, in den Sozialwissenschaften sowie in der Informationstechnologie und Robotik erwartet», wie das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI mitteilt.

Wie Lernen und Gedächtnis zustande kommen

Für die Universität Bern steht der Neurophysiologe Walter Senn mit am Start. Der Forscher ist auf die mathematische Theorie von neurobiologischen Prozessen spezialisiert – passend, da das «Human Brain Project» sehr breit angelegt und neben dem Aufbau von Datenbanken auch die Theoriebildung umfasst. «Im Theorie-Pfeiler des Projekts stellt sich die Frage, wie die vielen Details über Nervenzellen und synaptischen Verbindungen zusammengebracht werden können, um funktionierende Netzwerke zu erhalten», erklärt Walter Senn. Seine Fachgruppe befasst sich spezifisch damit, wie Lernen und Gedächtnis zustande kommen.

Von der Theorie in die Praxis

Konkret heisst das: Senn und sein Team wollen die Theorie des belohnungsbasierten Lernens weiterentwickeln und erforschen, wie das Lernen im Gehirn von selbst generierten Belohnungssignalen profitieren kann. «Solche internen Signale können nämlich die synaptischen Verbindungen zwischen den Nervenzellen so verändern, dass gewisse Gedächtnisinhalte ausgewählt und besser im Netzwerk gespeichert werden», weiss der Physiologe bereits aus vorherigen Studien. Die Theorien sollen direkt in die Simulations-, Robotics- und Kognitions-Pfeiler des «Human Brain Projects» einfliessen, um dort in die entsprechenden Module eingebaut zu werden.

Walter Senn freut sich auf die Arbeit im internationalen Riesen-Vorhaben: «Das ‹Human Brain Project› ist ein zukunftweisendes Projekt», so der Neurophysiologe. «Es integriert auf eine noch nie dagewesene Weise das viele Detailwissen über das Gehirn und sucht mit neuen Mitteln eine Verbindung von Gen, Zelle, Netzwerk und Verhalten.»

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