«Jobsharing ist kein Kinderspiel»

Jobsharing – das Teilen einer Stelle – bietet eine Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten. Das Modell ist vielversprechend, die Herausforderungen sind aber nicht zu unterschätzen. An einem Symposium der Uni Bern berichteten drei Praktizierende von ihren Erfahrungen.

Von Sandra Flückiger 05. November 2013

Jobsharing ist eine relativ neue und noch weitgehend unerforschte Art der Arbeitsteilung. An der Uni Bern wird es bereits erfolgreich umgesetzt: Lucia Malär und Bettina Nyffenegger besetzen zusammen die Assistenzprofessur am Institut für Marketing und Unternehmensführung (IMU). Sie führen gemeinsam Forschungsprojekte durch, teilen sich die Vorlesungen nach Themengebieten auf, betreuen gemeinsam Doktoranden und getrennt Masterarbeiten. «Wir kommunizieren sehr oft – an unserem gemeinsamen Tag an der Uni bei einem Kaffee oder Mittagessen, sonst per Telefon», so Malär. Für die beiden Mütter, die auf diese Weise Beruf und Familie vereinbaren können, funktioniert das Jobsharing bestens – und praktisch ohne Konflikte. «Wir beabsichtigen, weiterhin nach diesem Modell zu arbeiten und uns künftig so zu bewerben», sagte Lucia Malär anlässlich eines Symposiums zum Thema Vereinbarkeit, das vom WISO-Mentoring der Uni Bern zusammen mit dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) organisiert wurde. An der Podiumsdiskussion äusserten sich Vertreter von Hochschulen und aus der Wirtschaft, die im Jobsharing arbeiten, zu ihrem Arbeitsalltag.

Podiumsrunde
Das Feedback auf das Jobsharing sei überwiegend positiv, berichteten Martin Enz vom VCS, Lucia Malär vom IMU und Martin Hoelzle aus Fribourg (v.l.) an der Podiumsdiskussion. Bilder: Sandra Flückiger

Mitarbeitende sind motivierter

Über die Vorteile von Jobsharing waren sich die Teilnehmenden des Symposiums einig: Wenn sich zwei Mitarbeitende eine Vollzeitstelle teilen und gemeinsam für die Erfüllung der Stellenaufgaben verantwortlich sind, ist das Spektrum an Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung breiter, die Arbeitszeit kann flexibler gestaltet werden, und es gibt weniger Absenzen. In seinem Vortrag gab Norbert Thom, emeritierter Professor am Institut für Organisation und Personal der Uni Bern, Auskunft zum Forschungsstand: «Die Arbeitszufriedenheit ist generell höher, und die Mitarbeitenden sind motivierter, engagierter und kreativer.»

Auch das Feedback ist vorwiegend positiv: «Wir haben eine gute Akzeptanz in der Fakultät und erhalten öffentlich viel Zuspruch», sagte etwa Martin Hoelzle, Professor für physikalische Geografie an der Université de Fribourg, an der Podiumsdiskussion. Auf allfällige negative Kommentare hören sowohl er wie auch Lucia Malär nicht: «Wir wissen, was wir leisten», so Malär.

Aufsehen erregende Bewerbung

«Jobsharing ist kein Kinderspiel», betonte Norbert Thom. Zahlreiche Voraussetzungen – auf menschlicher und betrieblicher Ebene – müssten erfüllt sein, wie etwa Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, Vertrauen, Ehrlichkeit, loyales Verhalten und Flexibilität. Hinzu kommen eine klare Regelung des Arbeitsverhältnisses, definierte Aufgabenbereiche, gleichwertige Kompetenzen und nicht zuletzt die Kapazität, zwei passende Personen zu finden.

Emeritus Norbert Thom
Jobsharing biete viele Vorteile, wenn die Herausforderungen bewältig werden können, sagte Emeritus Norbert Thom an seinem Vortrag.

Wobei der letzte Punkt bei allen Teilnehmenden des Podiums kein Problem war – sie hatten sich bereits gemeinsam beworben. «Wir haben mit unserer Bewerbung in Fribourg im Jahr 2007 einiges Aufsehen erregt. Die grundlegende Entscheidung musste im Staats- und Regierungsrat gefällt werden», erzählt Martin Hoelzle. Er und sein Stellenpartner kennen sich bereits aus der Studienzeit und ergänzen sich gut. Dies sind auch für Martin Enz, Co-Geschäftsleiter des Verkehrs-Club Schweiz (VCS), wichtige Aspekte: «Ich habe bereits zuvor mit meiner Kollegin zusammengearbeitet. Wir wussten deshalb, dass es funktionieren kann.» Insbesondere sei es für sie – beides Alphatiere – zentral, dass sie keine Doppelunterstellungen hätten: «Wir leiten unsere eigenen Bereiche und können so vielen Konflikten entgegenwirken.»

Mehr Aufwand für Arbeitgeber

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist nicht zuletzt die Bereitschaft des Arbeitgebers, eine solche «Sozialinnovation» zu fördern, wie Norbert Thom sagte. Denn die ökonomischen Kosten, der administrative Aufwand und der Führungsaufwand seien höher. Ebenso bedürfe es mehr Koordination und Kommunikation.

Und nicht immer funktioniert es so reibungslos wie bei Lucia Malär, Martin Hoelzle und Martin Enz. «Es kann auch danebengehen», so Norbert Thom. Er kenne ein Beispiel, bei dem für einen Emeritus zwei Nachfolgerinnen kamen. Einer Dame habe das Jobsharing aber nicht gefallen und sie sei wieder gegangen. Um sie zu ersetzen, mussten fünf Lehrbeauftragte eingestellt werden. «Anstelle des Emeritus arbeiteten also schliesslich sechs Lehrpersonen.»

Dennoch: «Jobsharing kann ein sehr erfolgreiches Modell sein und bietet erhebliche Vorteile, wenn die Herausforderungen bewältigt werden», fasste Thom zusammen. Noch sei das Gebiet aber wenig erforscht. Es fehlten zum Beispiel Studien, die sich auf die Kultur- und Rechtsnormen der Schweiz beziehen. Und weil das Modell noch wenig verbreitet ist und der Diskussionsbedarf im Publikum entsprechend hoch war, könnte es nächstes Jahr ein zweites Symposium geben.

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