Klimawandel bedroht das «Graue Langohr»
Biologen postulieren, dass der Klimawandel die in Europa verbreitete Fledermausart gefährden wird. Die genetische Vielfalt des «Grauen Langohrs» wird schrumpfen und damit die Anpassungsfähigkeit der Tierart herabsetzen.
Das Klima der Vergangenheit hat die heutigen Lebensräume der Pflanzen und Tiere geschaffen. Mittels Modellrechnungen versucht die Wissenschaft herauszufinden, welchen Einfluss die Veränderung des Klimas künftig auf einzelne Arten von Fauna und Flora haben wird. Aktuelle Einschätzungen gehen davon aus, dass sich viele Spezies im Lauf des Klimawandels nicht schnell genug an neue Begebenheiten anpassen werden können. Fledermäuse gelten als wichtige Indikatoren für den klimatischen Wandel, da sie eine hohe Vielfalt und eine weite Verbreitung aufweisen. Sie garantieren wichtige Ökosystemleistungen und ihr Schutz muss gemäss Raphaël Arlettaz vom Zoologischen Institut der Uni Bern «hohe Priorität haben».
Der Biologe von der Abteilung «Conservation Biology» ist Teil eines europäischen Forscherteams, welches aus den oben genannten Gründen die Verbreitung des Grauen Langohrs (Plecotus austriacus) in Europa untersucht hat. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass in Zukunft die genetische Vielfalt des Tieres in den sogenannten genetischen «Hotspots» – in Standorten mit hoher genetischer Diversität – gefährdet sein wird. Die Studie wurde kürzlich in den «Ecology Letters» publiziert.
Modelle für Vergangenheit und Zukunft
Das Grosse Langohr ist eine ideale Tierart, um mögliche Effekte des Klimawandels zu untersuchen: Sie verbreitet sich im Gegensatz zu anderen Fledermausarten nicht über sehr weite Strecken, wodurch das Risiko, von klimatischen Veränderungen betroffen zu sein, relativ hoch ist. In einem integrierten Ansatz von Modellrechnungen untersuchten die Forschenden die Effekte, welche das vergangene Klima auf die genetische Diversität und die demografische Entwicklung der Tierart in Europa hatte – und sie errechneten ebenfalls die Szenarien für die Zukunft.
Genetische Verarmung
«Das Graue Langohr hatte sein Refugium während der Eiszeit auf der iberischen Halbinsel, wo die Population sich genetisch extrem diversifiert hat», erklärt Raphaël Arlettaz. Gerade diese südlichen Habitate aber würden mit der Klimaerwärmung ungünstiger und unwirtlicher als Lebensraum für die Fledermaus.
Da diese Fledermaus-Art nicht sehr mobil und durch limitierende Faktoren wie geographische Hindernisse wie die Pyrenäen in ihren Populationsbewegungen beschränkt sei, könne dies zu einer genetischen Verarmung der gesamten europäischen Population führen. «Damit wird diese seltene europäische Art ihr Anpassungspotential verlieren, was schliesslich die gesamte Population bedroht», mahnt Raphaël Arlettaz.