Pillen schlucken im Stadttheater

Eine klinische Studie im Schnelldurchlauf – von der Erhebung der Daten bis zur Auswertung: Forschende der Universitäten Bern und Zürich verlegen ihren Arbeitsplatz am 18. April für einen Abend ins Stadttheater Bern und testen ein Placebo-Präparat. Die Daten liefert das Publikum.

Von Sandra Flückiger 16. April 2013

«Aquirin» heisst das neu entdeckte, vielversprechende Präparat, doch noch ist sein Effekt unerprobt. Getestet wird seine Wirksamkeit in einer interaktiven Studie im Stadttheater Bern. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sind live dabei (siehe Kasten), wenn das Präparat verabreicht und die Daten erhoben und ausgewertet werden. Doch keine Angst, das Experiment ist nur Show: «Zu Wirkungen und Nebenwirkungen» ist ein Kommunikationsprojekt von «Agora», das vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert wird und den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern soll.


Wirkt das Präparat besser als ein Placebo? Forschende zeigen in der Livestudie, dass sich immer Unterschiede feststellen lassen. (Bild: istock)

Die Resultate lassen Interpretationsspielraum

Medizinische Studien liefern selten vollkommen eindeutige Befunde – es werden komplexe Analysemethoden verwendet, um aus den gewonnen Daten klare Schlüsse zu ziehen. Die Resultate fallen oft nicht schwarz oder weiss aus, sondern lassen Raum für Interpretation. «Dieser Interpretationsspielraum ist kein Missstand, sondern selbstverständlicher Teil der Wissenschaft», erklärt Roland Fischer, Mitorganisator der Livestudie. Problematisch sei einzig, dass verschiedene Akteure diesen Interpretationsspielraum zu ihren Gunsten überstrapazierten und ein neues Präparat ins bestmögliche Licht rückten. «Zu Wirkungen und Nebenwirkungen» zeigt mögliche Manipulationen und beantwortet Fragen zum Ablauf der Forschung.

Wissenschaft ist trotzdem vertrauenswürdig

Die Studie besteht darin, dass dem Publikum – das in die Gruppen A und B aufgeteilt wird – zwei Placebos verabreicht werden. «Sie sind wirkungslos. Trotzdem werden wir es schaffen, eines wirksamer erscheinen zu lassen als das andere, aufgrund von live im Publikum erhobenen Daten», so Roland Fischer.

Dazu verlegen die Forscher Peter Jüni, Professor für Klinische Epidemiologie und Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern, und Kaspar Staub, Forscher am Zentrum für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich, sowie Jungforscherinnen und Helfer ihren Arbeitsplatz ins Stadttheater.

Sie wollen gemäss Organisator Fischer beweisen, dass so gut wie jede Therapie revolutionäre Resultate bringt, wenn man es nur geschickt genug anstellt. Der Abend soll aber auch zeigen, dass man der Wissenschaft trauen kann – ganz bestimmt, wenn man versteht, wie sie funktioniert.

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