Niederlagen sind interessanter als Siege
Fussball und Literatur müssen keine Gegensätze sein. Den Beweis dafür erbrachte der Berner Mundartautor Pedro Lenz an den literarischen Lesungen des Collegium generale.
Ist es nun die «schönste Nebensache der Welt», welche das Publikum an die literarischen Lesungen des Collegium generale lockte, oder war es doch der klingende Name des Gastautors? Man weiss es nicht genau. Fest steht, dass die Lesung von Pedro Lenz – die letzte in der aktuellen Reihe zum Thema Fussball – aufgrund des Andrangs von einem kleineren Saal ins Auditorium Maximum der Universität verlegt werden musste.
Vor rund 15 Jahren hätte eine solche Veranstaltung wohl kaum diesen Anklang gefunden – damals, als die einst ruhmreichen Berner Young Boys in der B-Liga vor wenigen tausend Zuschauern spielten, statt vor 20’000 wie heute. Damals, als Originale wie der «Frouchiger Res» Richtung Spielfeld riefen: «Meh Bewegig! Meeeh Bewegig!» und auf der Tribüne die Überzeugung vorherrschte, «früecher sigi aues besser gsi», wie Pedro Lenz mit leiser Melancholie in einer seiner Mundartgeschichten schreibt.
Den Bierschaum im Schnauzbart
Diese Entwicklung des Fussballs vom Sport der Arbeiterklasse zum literarischen Phänomen ist nicht zuletzt der Verdienst des Langenthaler Secondos. Seit 2001 arbeitet der ehemalige Maurer als Schriftsteller und Kolumnist. Zentrales Thema: Der Fussball in all seinen Facetten. Es lohne sich, abseits des Spielfelds den Geschichten rund um das runde Leder nachzugehen, sagt er, abseits der platten Schlusspfiff-Interviews mit erschöpften Fussballern und ihren «sauerstoffarmen» Köpfen.
Lenz’ Faszination für den Fussball steckt das Publikum auch an den literarischen Lesungen schnell an, etwa, wenn er präzise die Stimmung im herbstlichen Langenthaler Provinz-Stadion beschreibt, wo er als Jugendlicher «mit de Giele» seine Sonntagnachmittage verbringt: Aus einem kratzigen Lautsprecher dröhnt «By the Rivers of Babylon» von Boney M, während der Abwart mal wieder den Ball aus dem nahen Bach fischen muss. Und nach dem nur halbwegs verdienten Sieg der Heimmannschaft «putze sech d’ Manne glücklech dr Bierschuum us de Schnöiz.»
Fussball-Experte nach 30 Minuten
Es ist nicht zuletzt das Simple, welches den Fussball so populär macht, wie Pedro Lenz auf Nachfrage von Oliver Lubrich, Berner Literatur-Professor und Moderator der Lesung, erläutert: «Alle können mitreden, man muss dafür nicht über eine Hochschulbildung verfügen.» Selbst Leute, die vom Fussball keine Ahnung hätten, seien nach einer halben Stunde zuschauen zu Experten mutiert. Und als Fan, da wisse man «eh alles besser als der Schiri oder die Spieler».
Literarisch gesehen, so Lenz, seien Niederlagen übrigens interessanter als Siege. Der Jubel der Gewinner sehe doch immer gleich aus. Zu beobachten, wie die Besiegten mit ihrer Niederlage umgingen, sei dagegen viel spannender: «Manche brechen in Tränen aus und werden von jenen getröstet, die sich beherrschen können. Andere stapfen wortlos in die Kabine.» Als Anhänger der Young Boys, der ewigen Zweiten (oder Dritten) des Schweizer Fussballs, hat Pedro Lenz wahrlich genug Anschauungsmaterial.
Weiterführende Informationen
Veranstaltungsreihe
sf. Das Forum für Universität und Gesellschaft führt unter dem Titel «Bedrohte Werte? Europa und der Nahe Osten unter Globalisierungsdruck» insgesamt fünf Veranstaltungen durch. Nach der Einführung finden am 30. November 2013, am 11. und 25. Januar sowie am 15. Februar 2014 weitere Veranstaltungen statt. Eine Anmeldung, jeweils bis fünf Tage vorher, ist erforderlich. Die Veranstaltungen werden neu auch via Live-Stream übertragen.