Wenn sie lächeln, haben Affen Angst

Um herauszufinden, was den Menschen einzigartig macht, wird er vor allem mit den Menschenaffen verglichen. Einen sinnvollen, aussagekräftigen, möglichen Ansatz zu finden, stellt eine grosse Herausforderung dar. Auch die Rolle des Forschers wirft Fragen auf.

Von Sandra Flückiger 24. Oktober 2013

Was macht den Menschen zum Menschen? Was unterscheidet uns etwa von den Menschenaffen, unseren nächsten Verwandten im Tierreich? Aus genetischer Sicht ist die Sache klar: «Der Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse beträgt weniger als ein Prozent», erklärt Katja Liebal, Juniorprofessorin für Evolutionäre Psychologie an der Freien Universität Berlin. Die Spezialistin für die Kommunikation von Primaten hat an ihrem Vortrag an der Uni Bern, organisiert vom Institute of Advanced Study in the Humanities and the Social Sciences (IASH), einen Einblick in die artvergleichende Forschung gegeben.

Flachlandgorilla mit Stock im Fluss
Auch Tiere benutzen Werkzeuge – der Flachlandgorilla zum Beispiel einen Stock, um die Wassertiefe in Sümpfen zu prüfen. Er kann nicht schwimmen. Bild: Wikimedia Commons

Unser Sprachrepertoire bleibt unerreicht

Es wurden bislang zahlreiche Verhaltensweisen diskutiert, die einzigartig menschlich sein sollen, sagt Biologin Liebal. Etwa der Werkzeuggebrauch oder die Sprache. Dass Ersterer weit über die menschliche Art hinausgeht, ist mittlerweile bekannt: So können zum Beispiel Schimpansen mit Steinen Nüsse knacken oder mit Speeren Beutetiere jagen. Beim Durchqueren von Sümpfen finden Flachlandgorillas, die nicht schwimmen können, mit Hilfe eines Stocks heraus, wie tief das Wasser ist. Auch viele andere Tierarten wurden beim Benützen von Werkzeug beobachtet – etwa Krähen, die Drähte verbiegen, um damit Futter zu angeln.

Bis heute als einzigartig menschlich, insbesondere in dieser Ausprägung, gilt die Sprache: «Wir kommunizieren mit einem riesigen Repertoire an Begriffen und Wörtern, haben unzählige Kombinationsmöglichkeiten und können uns über abwesende Personen sowie Vergangenheit und Zukunft unterhalten», erläutert Katja Liebal. Bei Affen habe es Versuche gegeben, ihnen menschliche Sprachen beizubringen, was aber kaum gelang. Erfolgreicher verliefen Projekte mit Gebärden oder Zeichen. Aber: «Auch bei intensivem Training sind nur wenige Tiere dazu in der Lage. Sie beherrschen ein vergleichsweise kleines Repertoire und lernen vor allem Aufforderungen wie ‹Gimme Food›.»

Zwei Schimpansen beim Spielen
Affen bewegen die gleichen Gesichtsmuskeln wie wir, ihr Ausdruck verrät aber nicht unbedingt die gleiche Emotion. Bild: Katja Liebal

Affen bewegen die gleichen Gesichtsmuskeln

Ein Forschungsschwerpunkt der Primatologin ist die mimische Kommunikation von Menschenaffen und Kleinkindern. «Wie bei Menschen ordnen wir auch dem Gesichtsausdruck eines Affen sofort einen emotionalen Zustand zu», so Liebal. Das Problem bestehe darin, diese Emotionen messbar zu machen. Für das menschliche Gesicht wurde 1978 das Human Facial Action Coding System (FACS) entwickelt. Damit können spezifische Muskelbewegungen bestimmt werden, die im Zusammenspiel einen Gesichtsausdruck erzeugen.

Analog dazu hat Katja Liebal mit anderen Wissenschaftlern ein Kodier-System für die Mimik von Affen entwickelt, was schliesslich einen Artvergleich ermöglichte. Es zeigte sich, dass Affen die gleichen Muskeln bewegen. Aber: «Die Funktion ist eine ganz andere. Was bei Menschen als Lächeln gilt, ist bei den Affen zum Beispiel ein Ausdruck von Unsicherheit oder Angst», erklärt die Biologin.

Forschende beeinflussen die Tiere

Affen verwenden also Werkzeuge, zeigen Emotionen, können eine Art Sprache lernen, sich mit Mimik und Gestik verständigen. Was unterscheidet sie nun vom Menschen? «Oft ist keine eindeutige Abgrenzung von Verhaltensweisen möglich, die Unterschiede liegen bei der Quantität, nicht bei der Qualität», fasst Liebal zusammen. Die Übertragung von menschlichem Verhalten sei aber schwierig, da dieses für Affen im Alltag nicht nützlich sei.

Foto von Katja Liebal
Katja Liebal erforscht derzeit in einem interdisziplinären Projekt mit einem Berner Professor, wie Emotionen die wissenschaftliche Arbeit prägen. Bild: Zvg

Eine Herausforderung stellt aber nicht nur die Frage dar, wie man einen Ansatz findet, der das Verhalten von Menschen und Affen vergleichbar macht. Darin kann auch die Rolle des Forschenden problematisch sein. «Die Objektivität ist nicht immer gewährleistet. Forschende sind beeinflusst durch ihre eigenen Emotionen und beeinflussen dadurch auch die Tiere», sagt die Primatologin. Zusammen mit dem Berner Professor für Komparatistik und Neuere deutsche Literatur, Oliver Lubrich, und dem Ethnologen Thomas Stodulka von der Freien Universität Berlin leitet Katja Liebal das interdisziplinäre Projekt «Die Affekte der Forscher», welches untersucht, wie Emotionen die vermeintlich objektive wissenschaftliche Arbeit prägen.

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