Wildbienen sind die fleissigen Überfliegerinnen
Die Honigbiene erledigt ihre Mission, Kulturpflanzen zu bestäuben, nicht allein. Wildlebende Insekten wie Wildbienen übertrumpfen gar die Leistung ihrer Kolleginnen. Wie wichtig es für maximale Erträge ist, beide Bestäuber-Gruppen auf den Feldern zu haben, zeigt eine internationale Studie mit Berner Beteiligung.
Die fleissige Honigbiene fliegt von Blüte zu Blüte, bestäubt die Kulturpflanzen und sorgt damit für den guten Ertrag an Früchten und Nahrung für Mensch und Tier. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, wie eine internationale Studie in «Science» zeigt: Wildbienen nämlich können den Fruchtansatz weltweit erhöhen, sogar auf Produktionsflächen, in denen sehr viele Honigbienen vorhanden sind. Diese Resultate widerlegen die generelle Auffassung, dass Honigbienen, die gezielt durch den Menschen in landwirtschaftliche Kulturen gebracht werden, die Bestäubungsleistung sichern.
«Die Honigbiene kann die Leistung der wildlebenden Bestäuber zwar ergänzen, nicht aber ganz ersetzen», kommentiert Christof Schüepp vom Institut für Ökologie und Evolution (IEE) der Universität Bern die überraschenden Resultate. Der Ökologe hat an der Studie, die unter Federführung der Leuphana Universität Lüneburg und der nationalen Universität Río Negro in Argentinien stand, mitgearbeitet. Diese Erkenntnis sei deshalb wichtig, da die Vielfalt an wildlebenden Bestäubern in den landwirtschaftlichen Flächen stetig abnehme, so Schüepp.
Videoaufnahmen der fliegenden Bienen
Die Untersuchung war gross angelegt: Mit einem 50-köpfigen internationalen Forschungsteam konnten die Autorinnen und Autoren Daten über 41 verschiedene landwirtschaftliche Systeme aus 600 Anbauflächen in 20 Ländern aller Kontinente zusammengetragen. Protokolliert wurden Häufigkeit sowie Vielfalt der blütenbesuchenden Insekten und ebenfalls der Fruchtansatz zur Erntezeit. Aus dem Datensatz konnte nun berechnet werden, wie stark der Fruchtansatz limitiert wurde, wenn die bestäubenden Insekten reduziert auftraten – und welche Bedeutung dabei den Honigbienen und welche den wildlebenden Insekten zukam.
Christof Schüepp hat die Bestäubung aus der Nähe mit Videoaufnahmen von Kirschblüten im Berner Mittelland dokumentiert. Mit der unkonventionellen Methode konnte der Biologe verfolgen, welche Insekten wie häufig und wie lange die Blüten anflogen und ob sie die Narbe während des Aufenthaltes berührten oder sich nur am Blütenrand aufhielten (siehe Video).
Wildlebende Insekten sind effizienter
Das Ergebnis in Zahlen: Die Häufigkeit von Blütenbesuchen durch wildlebende Insekten hat den Fruchtansatz in allen 41 Anbausystemen positiv beeinflusst. Die Honigbienen hingegen haben in nur 14 Prozent der untersuchten Anbauten den Fruchtansatz erhöht.
Erstaunlich ist auch das folgende Resultat: Die Wildbienen erreichten bei der gleichen Anzahl an Blütenbesuchen einen doppelt so hohen Fruchtansatz als die Honigbiene. Was gemäss Christof Schüepp dafür spricht, dass «wildlebende Insekten effizienter sind». Untersuchungen von Pollen liessen vermuten, dass die höhere Effizienz von wildlebenden Insekten nicht durch eine grössere Menge, sondern durch bessere Qualität an transportierten Pollen zustande kommt.
Anpassungen in der Landwirtschaft nötig…
«Unser Ergebnis zeigt das Potential für eine Steigerung der Erträge bei Nutzpflanzen auf, wenn wildlebende Insekten in Agrarlandschaften gefördert werden», zieht Biologie Schüepp als Fazit aus der Studie. Maximale Erträge seien nur möglich, wenn ein landwirtschaftliches System beide Bestäuber-Gruppen, wildlebende Insekten und Honigbienen, fördere. Das bedingt einige Anpassungen in der heutigen Agrarlandschaft: «Wildlebende Insekten brauchen natürliche Ressourcen wie Nahrung und Nistplätze, welche in der industriellen Landwirtschaft meist nicht ausreichend vorhanden sind», so Schüepp.
…mit Hecken und Blühstreifen
«Konkret braucht es in den Monokulturen Schutz und Aufwertung naturnaher Lebensräume – wie Hecken und langfristig angelegte Blühstreifen.» Die Landwirtschaft müsse vermehrt als Teil eines natürlichen Ökosystems betrachtet werden und die Biodiversität durch wildlebende Organismen müsse mit einbezogen und gefördert werden, damit man «von den vielseitigen Dienstleistungen der Natur» profitieren könne. «Nun sind angewandte Wissenschaft, Politik und Praxis gemeinsam, entsprechende Agrarlandschaften zu entwickeln», so der Berner Biologe.
Professur für Bienengesundheit
bj. Seit Januar 2013 ist an der Vetsuisse-Fakultät der Uni Bern die «Vinetum-Professur für Bienengesundheit» angesiedelt. Die Bieler Stiftung Vinetum stellt der Universität 5 Mio. CHF für die zunächst auf 10 Jahre angelegte Professur zur Verfügung. Prof. Peter Neumann widmet sich der Aufgabe, mehr über die Mechanismen der Varroa-Milbe sowie Viren und Bakterien herauszufinden, um wirksam gegen das Bienensterben vorzugehen. Die Strukturen der Vinetum-Professur erlauben einen einzigartigen Ansatz in dieser interdisziplinären Aufgabe – etwa durch die Zusammenarbeit mit dem Institut für Ökologie und Evolution und mit dem Institut für Pflanzenwissenschaften und dem praxisnahen eidgenössischen Zentrum für Bienenforschung von Agroscope.