Mit dem Sandwichprinzip zum «flinken» Wissen
Was ist gute Hochschullehre, insbesondere in der Weiterbildung? Die Frage, wie nah sich die Vermittlung in Studium und Weiterbildung sind und wie sie voneinander profitieren können, stand im Zentrum der ZUW-Herbsttagung.
«Lehre ist etwas Unanständiges, wer gut ist in der Lehre, ist einfach kein guter Wissenschaftler». Mit dieser provokativen Aussage verwies Bildungsforscher Diethelm Wahl an der gut besuchten 4. ZUW-Herbsttagung «Die ‹gute› Lehre in der Hochschulweiterbildung» auf ein bekanntes Problem der Hochschuldidaktik. Spielt diese unterschiedliche Wertschätzung von Forschung und Lehre auch eine Rolle für die wissenschaftliche Weiterbildung?
Die Lehre gehört – wie die Forschung, die Weiterbildung und die Dienstleistungen – zu den vier Hauptpfeilern der Universität Bern. In der Strategie 2021 hat die Universitätsleitung verdeutlicht, dass sie der Qualität der Lehre einen hohen Stellenwert beimisst und auf attraktive, innovative Lehr- und Lernformen setzt. Dabei kann die Lehre des Grundstudiums von der Weiterbildung profitieren. «Die Studierenden der Weiterbildung verlangen eine sehr konzentrierte Lehre», so Vizerektor Bruno Moretti an der Tagung, «weshalb diese Lehre ein Sonderfall ist, eine Art Entwicklungslabor.» An der Universität Bern ist die Hochschuldidaktik ein Teil des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW. Deshalb würden hier beste Voraussetzungen dafür bestehen, dass sich die reflektierten Erfahrungen aus der Hochschullehre und der Weiterbildung gegenseitig unterstützten, so Andreas Fischer, Direktor des ZUW.
«Träges Wissen»
Wer an einer Universität oder Hochschule studiert, erwirbt zwar fundiertes Wissen. Gemäss zahlreichen Studien hapert es jedoch dabei, diese Kenntnisse umzusetzen. Somit verlassen viele Studierende die Universität mit einem Rucksack voll «Eunuchenwissen», wie dieses «träge Wissen» scherzhaft genannt wird: Man weiss zwar, wie es geht – aber man kann es nicht tun. Dies sei auch eine Folge der akademischen Lehre, konstatierte der Psychologe und Pädagoge Diethelm Wahl in seinem Vortrag «Prinzipien der guten Hochschullehre». In einer Vorlesung werde oft umfangreiches und anspruchsvolles Wissen vermittelt. Aufgrund der hohen Dichte des Inhalts schafften es die Studierenden aber meist nicht, dieses «träge» Wissen mit ihrem Vorwissen zu vernetzen oder in Handlungen umzusetzen. Ihnen fehle die Möglichkeit, das Gehörte, Gesehene und Gelesene aktiv zu verarbeiten. Das «träge Wissen» könne zu «flinkem Wissen» werden, wenn die akademische Lehre nach dem Sandwich-Prinzip organisiert und strukturiert sei: Wissensvermittlung und Verarbeitungsphasen wechseln sich ab.
Studie zur Lehrqualität in der Weiterbildung
In der akademischen Weiterbildung werden diese Erkenntnisse – und damit die Orientierung an den Voraussetzungen und Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – schon länger berücksichtigt. Gemäss Katrin Kraus muss die Weiterbildung beim Unterricht jeweils zwei Systeme mitbedenken: Wissenschaft und Praxis. Die Professorin für Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz sagt: «Diese Studierenden stehen mitten im Leben, sie wollen ihre Erfahrungen reflektieren und in Kontrast zur Theorie setzen.» Für Kraus sind deshalb die Weiterbildungs-Studiengänge prädestiniert dafür, die professionelle Handlungsfähigkeit von Akademikern zu erweitern.
Das zeigt auch die explorative Studie des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW zur «Lehrqualität in der Hochschulweiterbildung», die Studienleiterin Silke Wehr Rappo an der Tagung erstmals präsentiert hatte. Gemäss den Untersuchungsergebnissen gelingt der wissenschaftlichen Weiterbildung der Spagat zwischen Theorie und Praxis sehr gut. Zudem beurteilten die befragten Kursleitenden und Teilnehmenden die didaktische Gestaltung des Unterrichts ähnlich – Selbst- und Fremdeinschätzung sind fast deckungsgleich.
Institutionelle Hemmnisse
Welche Hindernisse stehen einer «besseren» Lehre an der Hochschule im Weg? In der abschliessenden Diskussion wurde deutlich, dass der Stellenwert der Lehre gegenüber der Forschung ein Thema ist. Heute liegt der Fokus der Akademikerinnen und Wissenschaftler, der Hochschulen und der Gesellschaft eindeutig auf der Forschung. Dies zeigen etwa die Kriterien, nach denen das wissenschaftliche Personal der Hochschulen evaluiert wird (Forschung, Publikationen, Einwerbung von Drittmitteln) oder Habilitationsreglemente, die eine minimale didaktische Ausbildung von zwei Tagen verlangen. Hier braucht es gemäss mehreren Diskussionsteilnehmenden einen Paradigmenwechsel innerhalb der Hochschulen zugunsten der Lehre. Thomas Tribelhorn, Leiter der Hochschuldidaktik der Universität Bern, setzt zudem auf den Mittelbau und den Faktor Zeit: «Diese Forscherinnen und Wissenschaftler nutzen das Angebot der Hochschuldidaktik, unsere Kurse sind schnell ausgebucht. Deshalb hoffen wir auf die Revolution von unten.»