«Qualität entsteht im Klima der Offenheit und des Vertrauens»
Die Universität Bern darf auf ein erfolgreiches 180. Jahr zurückblicken, so das Fazit von Rektor Martin Täuber und Regierungsrat Bernhard Pulver am Dies academicus 2014 – dies trotz des schwierigen internationalen Umfelds für Schweizer Hochschulen nach der Abstimmung vom 9. Februar.
«Die Universität Bern darf auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken», sagte Rektor Martin Täuber. So sei beispielsweise die Mission der Raumsonde Rosetta, an der die Universität Bern wesentlich beteiligt ist, ein grosser Erfolg. Zudem erhielt Bern als einzige Universität der Schweiz zwei Nationale Forschungsschwerpunkte zugesprochen. Aber gerade auch in erfolgreichen Zeiten sei es Aufgabe der Universitätsleitung, die eigene Arbeit kritisch zu hinterfragen. Um zu wissen, ob die Universität gute Arbeit leiste, könnten beispielsweise Rankings beigezogen werden. Rankings sagen Täubers Meinung nach aber nur wenig aus über die Qualität von Lehre und Forschung. Sie stützten sich vor allem auf Rahmenbedingungen, welche die Universitäten kaum beeinflussen könnten. «Rankings helfen der Universität Bern daher nicht, ihre Leistungen zu verbessern», sagte er.
Am Dies academicus 2014 wurden acht Ehrendoktorate vergeben. Rektor Martin Täuber übergibt Fürst Albert II. von Monaco die Ehrendoktorurkunde (Bilder: Manu Friederich).
Qualität in allen Bereichen überprüfen und neu suchen
Qualität könne selten quantitativ erfasst werden, so Täuber weiter. Nicht die Anzahl Publikationen oder die Menge an Drittmitteln seien deshalb per se ein Qualitätsmerkmal, sondern «Einsatz und Hartnäckigkeit, welche die Forschenden investieren». In der Forschung bedeute Qualität beispielsweise, dass deren Erkenntnisse relevant und innovativ seien. In der Lehre seien es Klarheit, Begeisterungsfähigkeit und vernetztes Denken. «Insgesamt entsteht Qualität in einem Klima der Offenheit, der Empathie und des Vertrauens», sagte Täuber. Qualität sei in allen Bereichen immer wieder zu prüfen und neu zu suchen. Dies sei zwar anstrengend, aber lohnenswert.
Keine Kürzungen der Uni-Beiträge
Die Qualität der Universität Bern überzeugt offenbar auch die Politik: Die Universität Bern blieb von der kantonalen Sparrunde 2013 verschont, wie Regierungsrat Bernhard Pulver erfreut unterstrich. Der Bernische Bildungsdirektor wies darauf hin, dass der Kanton Bern schon so rund 10 Prozent weniger Geld für die Universität ausgibt als dies im Schnitt andere Kantone tun. «Ich sehe daher für die Zukunft keinen stichhaltigen Grund, den Beitrag für die Universität Bern zu kürzen und neue Sparrunden zu erzwingen», sagte er. Auch 2015 dürfe die Universität mit einem Beitrag von «über 300 Millionen Franken» rechnen. Bis 2018 soll dieser auf 316 Millionen erhöht werden.
«Die Verunsicherung ist spürbar»
Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative drohten indes neue Gewitterwolken, so Pulver: «Die Verunsicherung ist immer noch spürbar. Auch 10 Monate nach dem Volksentscheid vom 9. Februar ist Vieles noch unklar.» Zwar sei es gelungen, die «schlimmsten Brände» zu löschen, sagte der Regierungsrat mit Blick auf den Studierendenaustausch. Diesen konnte die Universität Bern durch Einzelabkommen mit ausländischen Hochschulen grösstenteils retten.
«Es gibt keinen Grund, den kantonalen Beitrag an die Universität Bern zu kürzen», sagte Regierungsrat Bernhard Pulver.
Beim prestigeträchtigen EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 kann die Schweiz hingegen nur noch beim ersten von insgesamt drei Pfeilern mitmachen. Vor allem ist es ist für hiesige Forschende nun schwieriger, bei gemeinsamen Projekten mit europäischen Partnern die Führung zu übernehmen, wie Pulver sagte. «Und das ist für Forscherinnen und Forscher ein echtes Problem, das den Standort Bern schwächt.» Falls ausländische Forschende der Schweiz in Zukunft vermehrt den Rücken kehrten, so müsse man den einheimischen Nachwuchs noch stärker fördern. Hier, so Pulver, sehe er «klares Steigerungspotenzial».
Die Schweiz und ihre Sprachen
In seiner akademischen Rede sprach Bruno Moretti, Vizerektor Lehre, über die Mehrsprachigkeit der Schweiz. Er habe den Eindruck, dass Teile der Bevölkerung diese nicht mehr als Mehrwert sähen sondern als Hindernis. «Sollten wir etwa andere Nationen um ihre Einsprachigkeit beneiden?», fragte Moretti. Mehrsprachigkeit sei kompliziert und einfach zugleich. «Sie ist erwünscht, wenn sie einfach und erfolgreich zu sein scheint, und unerwünscht, wenn sie mühsam und oft von wenig Erfolg gekrönt ist.»
Laut Moretti ist es tatsächlich nicht immer einfach, Sprachen zu lernen. Es gebe aber verschiedene Voraussetzungen, die das Erlernen von Sprachen erleichterten. Optimal sei es, wenn man bereits im sehr jungen Alter in einem spontanen Kontext damit anfange. Zusätzlich brauche es aber auch viel Zeit. Gemäss Studien investiert ein Kind in seinen ersten fünf Lebensjahren 9'000 Stunden, um die Muttersprache zu lernen. «Versuchen Sie, dies auf Schulstunden zu übertragen!», so Moretti.
«Die Institutionen müssen die Mehrsprachigkeit der Schweiz unterstützen», so Vizerektor Bruno Moretti in seiner akademischen Rede.
Tipps, um Kinder zweisprachig zu erziehen
Bruno Moretti beschäftigte sich in seiner wissenschaftlichen Laufbahn auch damit, wie Eltern ihre Kinder zweisprachig erziehen können. Seine Erkenntnisse können auf drei Prinzipen reduziert werden: Möglichkeit, Notwendigkeit, Gefallen. Demnach muss das Kind erstens die Möglichkeit haben, die Sprache regelmässig anzuwenden. Für das Kind muss es zweitens notwendig sein, die zusätzliche Sprache zu verwenden. Drittens muss die Verwendung der Sprache mit positiven Gefühlen verbunden sein. Sie muss dem Kind also gefallen.
In der Schweiz kann man sich laut Moretti sowohl der Möglichkeit als auch der Notwendigkeit der Mehrsprachigkeit entziehen. «Die Institutionen müssen daher die Mehrsprachigkeit unterstützen», so sein Fazit. Die Wissenschaft könne die Politik zwar beraten, ihr aber weder Entscheide abnehmen noch einfache Lösungen anbieten. Es werde weiterhin aufwändig bleiben, Fremdsprachen in der Schule zu lernen.
«Es braucht ein Klima des Respekts»
Was macht ein gutes universitäres Klima aus? Um diese Frage kreiste die Rede von Salome Trafelet, der Vertreterin der StudentInnenschaft der Universität Bern SUB. Im Zentrum einer Universität stehe zwar das Wissen, so Trafelet, aber um dieses Zentrum herum brauche es «das Klima des Respekts, das Klima der Ehrlichkeit», sowie «eine Kultur des respektvollen Umgangs ohne Sexismus, Rassismus, Homophobie oder anderer Art der Diskriminierung.»
Salome Trafelet, Präsidentin des StudentInnenrats, ortet Verbesserungspotenzial beim Anteil weiblicher Professuren.
Die Universität fördere beispielsweise ein gutes Klima, indem sie sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetze; dafür, dass Leute mit denselben Talenten wirklich dieselben Chancen hätten. Salome Trafelet lobte die Anstrengungen der Universität Bern in diesem Bereich: «Letztes Jahr wurden immerhin gegen 30 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt.» Noch bestehe aber Verbesserungspotenzial, denn mittlerweile seien über 50 Prozent der Studierenden in Bern weiblich. Es gebe somit weiterhin Strukturen im Universitätsbetrieb, «welche Frauen bei einer wissenschaftlichen Karriere im Weg stehen».
«Zu einem guten Klima an der Uni gehört auch Transparenz», stellte Salome Trafelet weiter fest. Forschende und Studierende müssten Klarheit darüber schaffen, weshalb sie sich für ein bestimmtes Thema interessierten und welches ihre Eigeninteressen seien. Dass die Universität Bern eine Liste mit den Nebenmandaten der Dozierenden veröffentlicht hat, ist für die SUB-Vertreterin deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Nun müsste aber diese Transparenz auch auf höhere Ebenen ausgeweitet werden. So sollten zum Beispiel die Institute ihre Drittmittel offenlegen, meinte Trafelet.