Neue Erkenntnisse bei Blutkrankheiten
Für seine Forschung am Protein RNH1 wird Ramanjaneyulu Allam mit dem «Johanna Dürmüller-Bol DKF Forschungspreis» ausgezeichnet. Seine Erkenntnisse könnten zur Bekämpfung von Blutkrankheiten beitragen.
Zur Zeit beschäftigt sich Dr. Ramanjaneyulu Allam mit sogenannten Ribosomopathien, also Krankheiten, die auf eine Fehlfunktion des Ribosoms zurückzuführen sind. «Dieses Ribosom muss man sich wie eine Art Maschine vorstellen», erklärt er. Ribosome sind in jeder einzelnen Zelle des Körpers vorhanden und für die Synthese von Proteinen verantwortlich, welche in unserem Körper unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Das Ribosom selbst besteht unter anderem aus einer Vielzahl von ribosomalen Proteinen. Kommt es bei diesen zu Mutationen beziehungsweise Defekten, wird die Bildung von neuen Proteinen beeinträchtigt. Die Folge sind schwere Stoffwechselstörungen und Krankheiten wie Krebs.
«Diese Auszeichnung ist für mich extrem motivierend», sagt Ramanjaneyulu Allam über die Verleihung des «Johanna Dürmüller-Bol DKF Forschungspreis 2014». (Bild: Eno Nipp)
«Aber wieso diese Defekte nur für bestimmte Krankheiten verantwortlich sind und nicht den gesamten Organismus beeinflussen, bleibt bis heute ein Rätsel», fasst Ramanjaneyulu Allam die Faszination für dieses Themengebiet zusammen. Einen Schritt weiter gekommen ist man jedoch bei der Identifizierung des Proteins RNH1 als möglichen Indikator für die verminderte Produktion von roten Blutkörperchen und damit für Blutarmut – zumindest treffe diese Erkenntnis auf Mäuse zu.
Ein unerwartete Entdeckung
«Die Entdeckung eines Zusammenhangs zwischen Blutarmut und RNH1 ist einem Zufall zu verdanken», erzählt Ramanjaneyulu Allam. Bevor er nach Bern kam, beschäftigte sich der heute 35-jährige Inder an der Universität Lausanne mit sogenannten Inflammasomen, einem Bestandteil des Immunsystems. Bei einer bakteriellen Infektion beispielsweise spielt die durch Inflammasomen ausgelöste Entzündungsreaktion eine wichtige Rolle bei der Abwehr. Auf der anderen Seite geht man heute davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten von Inflammasomen und zahlreichen Krankheiten besteht.
Gewebeschnitt durch zwei verschiedene Proben von Mäusezellen. Unverkennbar die verminderte Produktion von roten Blutkörperchen bei RNH1-Mangel (rechts). (Bild: Ramanjaneyulu Allam)
Eine mögliche Antwort für dieses Fehlverhalten erhoffte man sich an der Universität Lausanne von dem Protein RNH1, welches an der Bildung von Proteinkomplexen – wie eben einem Inflammasom – beteiligt ist. Die Tests mit Mäusezellen bewirkten jedoch eine andere Reaktion, die so gar nicht untersucht werden sollte: Offensichtlich führte der Verlust des RNH1-Proteins zu einer Störung bei der Bildung von roten Blutkörperchen. «Dieses Phänomen war für mich so überraschend und interessant, dass ich mich entschloss, in diese Richtung weiter zu forschen.»
Mögliche Therapieansätze für die Zukunft
In einem nächsten Schritt soll nun die Erforschung von RNH1 auf menschliche Zellen ausgeweitet werden. Zuerst möchte Ramanjaneyulu Allam untersuchen, ob sich der Verlust des RNH1-Proteins auch beim Menschen negativ auf die Produktion von roten Blutkörperchen auswirkt. Sollte dies der Fall sein, «könnte die Zuführung von RNH1-Proteinen ein neuer Therapieansatz zur Behandlung von chronischer Blutarmut bedeuten».
Dies wäre ein wichtiger Fortschritt in der Behandlung von Erkrankungen wie der Diamond-Blackfan-Anämie (DBA), einer schweren chronischen Blutarmut, oder des 5q-minus-Syndroms, welches neben einer Anämie auch zu einer Leukopenie, also einem Mangel an Blutplättchen und weissen Blutzellen führt – in seltenen Fällen kommt es zum Ausbruch einer akuten Leukämie. Bisher erfolgte die Behandlung dieser Krankheiten durch Gabe von Stereoiden und Bluttransfusionen sowie der Transplantation von Knochenmark.
Zur Person
Den Grundstein für seine Karriere legte der 1979 geborene Sohn einer indischen Bauernfamilie mit dem Biochemie-Studium an der Sri Venkateswara University in Tirupati, Indien. 2002 erhielt er ein Forschungsstipendium am All India Institute of Medical Sciences in Neu-Delhi. 2006 ging er als Doktorand an die Universität München. Vier Jahre später wechselte er an die Universität Lausanne zu Prof. Dr. Jürg Tschopp. Nach dessen plötzlichem Tod im Frühjahr 2011 führte Ramanjaneyulu Allam die Erforschung des RNH1-Proteins eigenständig weiter. In dieser Zeit wurde auch Prof. Anne Angelillo-Scherrer auf die Arbeit von Ramanjaneyulu Allam aufmerksam. Seit Januar 2014 arbeitet er nun in der von ihr geführten Forschungsgruppe Hämatologie am Departement Klinische Forschung DKF der Universität Bern.
Der DKF-Forschungspreis
Die bernische Fondation Johanna Dürmüller-Bol stiftet in den Jahren 2012 bis 2016 – mit der Option, den Zeitraum später zu verlängern – das Preisgeld für den jährlich vergebenen Forschungspreis des Departements Klinische Forschung (DKF). Der mit 30'000 Franken dotierte Preis trägt daher nun den Namen «Johanna Dürmüller-Bol DCR Research Award». Ausgezeichnet werden damit herausragende Projekte von Nachwuchsforschenden am DKF. Das Ziel ist es, den Gewinnern das Einwerben kompetitiver Drittmittel zur Weiterführung ihrer Projekte zu ermöglichen.