Erst kommt die Moral, dann das Essen

Wer plant, sich moralisch zu verhalten, isst tendenziell gesünder; Sünder in spe greifen hingegen eher zu Burger und Co. – so das Fazit einer Studie von Konsumentenforschern der Uni Bern. Ihre Erkenntnisse könnten wichtige Auswirkungen auf die Gesundheitsförderung haben.

Von Martin Zimmermann 09. April 2014

Ob Donuts, Cola oder Cheeseburger: Viele Menschen haben Mühe, den täglichen Versuchungen von ungesundem Essen zu widerstehen. Dabei können sinnvolle Ernährungsentscheidungen helfen, ein gesundes Leben zu führen. Konsumentenforscher vom Institut für Marketing und Unternehmensführung der Uni Bern haben nun in einer Studie in der Fachzeitschrift «Appetite» untersucht, wie vergangene oder geplante (un-)moralische Taten diese Entscheidungen beeinflussen.

Die Studie – sie wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion» durchgeführt – basiert auf der «Self-Licensing-Theorie» aus der Sozialpsychologie. Diese beschreibt die Tendenz, vergangene moralische oder unmoralische Taten zu kompensieren. Probanden, die sich eine altruistische Tat in Erinnerung rufen, entscheiden sich demnach öfters für ungesundes Essen als solche, die sich an eine egoistische Tat erinnern. «Nach einer altruistischen Tat isst man also eher ein Mars als einen Apfel», sagt Hauptautor Christian Weibel.

Donuts
Unmoralische Ziele lassen uns eher zu ungesundem Essen greifen... Bild: Alena Giesche

Zukünftige Taten beeinflussen Essverhalten

Die bisherige Forschung zu Self-Licensing fokussierte fast ausschliesslich auf vergangene moralische und unmoralische Taten. «Uns interessierte aber auch, wie beabsichtigte Taten Ernährungsentscheidungen beeinflussen», so Weibel. Gemäss der sogenannten Zieltheorie aus der Motivationspsychologie sollten geplante Handlungen zu konsistentem Verhalten führen. Diese Prämisse konnte die Studie bestätigen: Eine geplante altruistische Handlung führt dazu, dass die Probanden eher zum Apfel als zum Mars greifen.

Der oben beschriebene Licensing-Effekt dreht sich also um, wenn Personen gebeten werden, sich moralische oder unmoralische Ziele zu setzen. «Geplantes Verhalten liefert im Gegensatz zu vergangenem Verhalten keine ausreichende Rechtfertigung dafür, etwas zu kompensieren», erklärt Christian Weibel. «Vielmehr setzt man sich mit einem moralischen Ziel – etwa Kommilitonen bei der Prüfungsvorbereitung zu helfen – einen Anreiz, sich auch dementsprechend zu verhalten, indem man sich gesund ernährt.»

Äpfel
... und moralische Ziele zu gesunden Nahrungsmitteln. Bild: Wikimedia Commons

Neue Wege für die Gesundheitsförderung

Diese Erkenntnisse haben laut Weibel wichtige praktische Auswirkungen auf Gesundheitsförderung und Marketing. Gesunde Lebensmittel könnten beispielsweise mit vergangen unmoralischen Handlungen in Verbindung gebracht werden, da Personen danach das Verhalten mit gesundem Essen kompensierten. Der Nachteil an dieser Methode: «Sie würde letztlich unmoralisches Verhalten, wie zum Beispiel Lügen, fördern, damit sich die Menschen gesünder ernähren.»

Christian Weibel sieht die Lösung für dieses Dilemma darin, gesundes Essen mit geplanten moralischen Handlungen zu verbinden. «Dies sollte ebenfalls zu einem höheren Konsum von gesunden Lebensmitteln führen», sagt er, «jedoch ohne die negativen Konsequenzen, die das Fördern von unmoralischem Handeln mit sich bringt.»

Eine entsprechende Kampagne zur Gesundheitsförderung müsste ein moralisches Ziel aktivieren, welches nicht unbedingt mit Essen zu tun hat, beispielsweise die Förderung von Zivilcourage. Dies sollte dazu führen, dass auf einer übergeordneten Ebene Moral «zugänglicher» wird und dadurch der Konsum von gesunden, beziehungsweise «guten» Lebensmitteln steigt.

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