Die «dunklen Seiten» von Facebook

Social-Media-Plattformen können die Lebensqualität ihrer Nutzer schmälern, sagt Hanna Krasnova. Die neue Berner Assistenzprofessorin für Informationsmanagement erforscht die psychologischen Auswirkungen von Facebook und Co.

Von Martin Zimmermann 25. Juni 2014

Wenn von sozialen Medien, also Internet-Plattformen wie Facebook, die Rede ist, steht oft der Sicherheitsaspekt im Vordergrund: Wer hat Zugriff auf meine Daten? Wie viel soll ich von mir preisgeben? «Das Thema Datenschutz ist mittlerweile sowohl bei den Nutzern wie auch in der Forschung angekommen», sagt Hanna Krasnova. «Bislang wenig beachtet wurden hingegen die psychologischen Folgen, welche die Nutzung von sozialen Medien mit sich bringt.»

Krasnova, 33 Jahre alt, ist seit September 2013 Berner Assistenzprofessorin für Informationsmanagement am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) und Mitglied des Berner Kompetenznetzwerks Digitale Information. Sie interessiert sich vor allem dafür, welche negativen psychologischen Konsequenzen mit der Nutzung von sozialen Medien einhergehen können; seien es Irritation, Frustration, Einsamkeit und sogar Depression.


Aktive Facebook-Nutzer sind tendenziell glücklicher. (Bild: Alena Giesche)

Wer passiv ist, leidet

Zurzeit erforscht Krasnova die «dunklen emotionalen Seiten» von Facebook, wie sie sagt – das soziale Netzwerk gilt mit seinen derzeit über 1,2 Milliarden Nutzern als erfolgreichstes soziales Medium (siehe Kasten). «Unsere Studienergebnisse zeigten, dass insbesondere die passive Nutzung von sozialen Medien negative Gefühle wecken und damit einen schlechten Einfluss auf unsere Lebensqualität ausüben kann», erläutert sie.

Das heisst: Wer nur die Beiträge und Kommentare anderer Nutzer liest, ohne selbst Beiträge hochzuladen oder sich an Gesprächen zu beteiligen, verspürt oft Neid, Eifersucht oder fühlt sich von der Informationsflut überfordert. Man vergleiche sich unwillkürlich mit den Personen, die in ihren Beiträgen etwa von Reisen und Parties berichteten und fühle sich ausgeschlossen, so die Forscherin. Das treffe insbesondere auf junge Nutzer zu.

Aktive Nutzerinnen und –Nutzer sozialer Medien verspüren hingegen öfters positive Emotionen. Hanna Krasnova nennt ein Beispiel: «Wenn ich in einem Facebook-Beitrag schreibe, ich hätte mein Notebook verloren, dann kann ich mit helfenden oder tröstenden Kommentaren rechnen. Das stellt auf.» Blieben Kommentare oder positive Bewertungen für den Beitrag aus, führe das allerdings wiederum zu Frust.

Enervierende «Selfies»

Facebook-Aktivismus kann bei anderen Nutzern aber auch für Unmut sorgen: Krasnovas Team befragte eine Gruppe von über 540 Studierenden, welche Bild-Beiträge auf Facebook sie besonders ärgerten. Es zeigte sich, dass die Befragten sogenannte Selfies, also Fotos, die man von sich selbst mit dem Smartphone schiesst, als besonders irritierend empfanden. Überraschend: Bilder von Essen stiessen ebenfalls auf grosse Ablehnung.


Facebook-Nutzung kann auch ihre «dunklen» emotionalen Seiten haben. (Bild: Clipdealer.de)

Demgegenüber bewerteten die Probanden laut Krasnova tendenziell Landschafts- und Ferienfotos als am wenigsten «nervig». Generell betrachten die Befragten ihre eigenen Beiträge als relevant, während sie anderen Nutzern unterstellen Facebook unter anderem nur aus Langeweile zu nutzen oder um sich wichtig zu machen.

Hanna Krasnova hofft, mit diesen Ergebnissen dazu beitragen zu können, dass die Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien künftig Beiträge bewusster hochladen oder kommentieren. «Es geht darum, die Leute dafür zu sensibilisieren, dass ihre Beiträge und Kommentare bei jenen, die sie rezipieren, negative emotionale Konsequenzen haben können», sagt sie. Krasnova betont indes, dass viele Studien-Ergebnisse noch vorläufig sind: «Wir betreten mit unserer Forschung in vielerlei Hinsicht Neuland. Oft sind wir die Ersten, welche sich überhaupt eines Themas annehmen.»

Ein Zug namens Social Media

Bei den Probanden in Hanna Krasnovas Studien handelte es sich bislang vor allem um Studierende. Sie hofft, künftig ein demografisch breiteres Spektrum erforschen zu können, zum Beispiel ältere Menschen und junge Teenager. Kinder, die nach 2000 geboren wurden, sind laut Krasnova bereits «digital natives», digitale Einheimische, die von klein auf mit den neuen Technologien aufgewachsen sind. «Für sie werden die Grenzen zwischen online und offline immer mehr verschwimmen. Sie werden andere Vorstellungen von Vertrauen und vom Teilen von Informationen oder Eigentum entwickeln. Gerade deshalb ist unsere Forschung so wichtig.»


Hanna Krasnova forscht an der Uni Bern zum Thema Social Media. (Bild: zvg)

Ältere Generationen, die «digital immigrants» (digitale Immigranten), entdecken sozialen Medien hingegen erst nach und nach – und tun sich gelegentlich schwer damit. Verweigerung ist für Hanna Krasnova allerdings keine Option. Soziale Medien seien keine vorübergehende Erscheinungen, sondern «hier um zu bleiben»: «Sie aufhalten zu wollen, ist etwa so aussichtsvoll, wie einen rollenden Zug mit blossen Händen zu stoppen.»

Oben