Sie sieht Bienen als Fenster zur Natur

Das komplexe Zusammenspiel von Lebewesen fasziniert sie: Gina Retschnig möchte ihren Beitrag leisten zur Bienen-Gesundheit. Der Bienenforscherin gefällt die Arbeit mit Imkern und die Vielseitigkeit ihrer Tätigkeit im Labor, auf dem Feld und in der Lehre. «uniaktuell» stellt wöchentlich junge Forschende der Uni Bern vor – bis zur «Nacht der Forschung» am 6. September.

Den Bienen geht es nicht gut: Ganze Völker sterben weltweit dahin. Dafür gibt es mehrere Gründe, zwei wesentliche Faktoren sind Pestizide und Krankheiten. Gina Retschnig untersucht, wie Parasiten und andere sogenannte Stressoren in den Honigbienen zusammenwirken. Zudem beschäftigt sich die 29-jährige Ostschweizerin mit den Drohnen, den männlichen Bienen. Das Forschen vermittelt ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Ihr Ziel sind denn auch nicht Ruhm und Titel, sondern konkret die Verbesserung der Bienengesundheit und neue Erkenntnisse. Nach ihrem Master in Ernährungswissenschaften in Wien und ihrer Dissertation in Bern arbeitet Gina Retschnig als Postdoc und Assistentin am Berner Institut für Bienengesundheit.

Uniaktuell: In der Forschung steckt viel Herzblut und Leidenschaft. Was ist Ihre Leidenschaft?
Gina Retschnig: Mich interessiert die Natur an sich, im Speziellen die Tiere. Ich finde es faszinierend, zuschauen zu können, was da passiert, und dabei ständig Neues zu entdecken. Ich möchte wissen, wie die Dinge funktionieren und wie das eine mit dem anderen zusammenspielt. Mir gefällt die Bienenforschung sehr gut, sie ist vielfältig und vereint Labor- und Feldarbeit, ich kann Studierende betreuen und an spannenden Konferenzen auf der ganzen Welt teilnehmen. Zudem gibt es nicht so viele Bienenforschende. Wir sind fast wie eine grosse Familie, man kennt sich.


«Die Bienen geben uns Aufschluss über den Zustand der gesamten Natur», sagt Bienenforscherin Gina Retschnig. (Bilder: Adrian Moser)

Wieso ist Ihre Forschung relevant für die Gesellschaft?
Die Bienen sind extrem wichtig für die Bestäubung. Und das gilt sowohl für die Honig- wie auch für die Wildbienen. So tragen sie zur Biodiversität und zur Entstehung von Früchten und Gemüsen bei. Bienen sind auch so etwas wie ein Fenster zur Natur. Wir sehen sie, wir nehmen sie wahr, anders als viele andere Insekten, von denen wir nichts mitkriegen. Insofern sind die Bienen eine Art Aushängeschild und geben uns Aufschluss über den Zustand der gesamten Natur. Nicht zu vergessen: Die Bienenhäuser stellen eine alte Tradition dar. Lange war es üblich, dass jeder Bauer auch seine Honigbienenvölker pflegte.

Was wollen Sie persönlich mit Ihrer Forschung erreichen?
Ich möchte meinen Beitrag leisten für eine bessere Gesundheit der Bienen. Ziel wäre, dass Honigbienen ihre Funktion für das biologische System wieder besser wahrnehmen können und wieder einfacher zu halten sind. Wenn wir herausfinden, wie Parasiten in den Honigbienen zusammenwirken, lassen sich diese Erkenntnisse vielleicht auch auf andere Organismen ausweiten, auf Hummeln beispielsweise. Generell gefällt mir, dass wir in der Bienenforschung sozusagen Stakeholder haben. Denn die Imker sind unsere Ansprechpartner und setzen unsere Vorschläge in der Praxis um, kommen aber auch mit ihren Bedürfnissen und Fragen zu uns. Die Erwartungen der Imker sind hoch, aber sie helfen uns, denn so haben wir Input von aussen und Austausch mit Nicht-Wissenschaftlern – das, was vielen anderen Forschenden fehlt.

Warum haben Sie sich für Ihr Forschungsgebiet entschieden?
Ich habe nach der Matura in Frauenfeld Ernährungswissenschaften in Wien studiert. Während eines Praktikums in der Studienzeit bin ich auf einen Artikel über Bienengesundheit gestossen und wusste sofort, dass es das ist, was ich in Zukunft machen möchte. Deshalb habe ich nach einem Masterarbeitsthema gesucht, das mir erlaubt, eine Brücke in diesen Fachbereich zu schlagen. Am österreichischen Pendant von Agroscope (Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung) habe ich meine Masterarbeit zu Pestizidrückständen im Honig verfasst und mich anschliessend auf die Doktorandenstelle in Bern beworben. Die wichtigen Entscheidungen treffe ich immer aus dem Bauch heraus, dann läuft es und ist fast nicht mehr zu ändern. Ich hatte eigentlich keinen speziellen Bezug zu Bienen, bevor ich angefangen habe, sie zu erforschen. Als Kind habe ich zwar die Bienen aus dem Pool meiner Familie gerettet, aber zu Imkern beispielsweise hatte ich keinen Kontakt.

Sie haben eine lange Karriere vor sich – welches sind Ihre nächsten Schritte?
Ich habe eben erst meine Dissertation bei Peter Neumann abgeschlossen und nun beginne ich meine Postdoc-Zeit, auch hier in Bern, mit einem Vertrag, der bis Ende 2017 läuft. Was nach diesen vier Jahren passiert, weiss ich noch nicht, darüber zerbreche ich mir nicht jetzt schon den Kopf.

Wer ist Ihr Vorbild?
Ich habe eigentlich keine Vorbilder, vielmehr versuche ich, bodenständig und realistisch zu bleiben, nicht abzuheben im akademischem Umfeld – dabei helfen mir auch meine Eltern und Freunde. Vor allem aber möchte ich menschlich integer bleiben. Ich gehe für den Erfolg nicht über Leichen, ich bin eine Teamplayerin und brauche einen guten Kontakt zu den anderen Forschenden und ein gutes Gewissen. Auch mein Privatleben würde ich für den Beruf nicht gänzlich aufgeben wollen. Ich habe ein gutes Grundvertrauen und mache mir keine Sorgen – es kommt, wie es kommt. Die Forschung gefällt mir unter anderem so gut, weil ich dabei das Gefühl habe, eine sinnvolle Sache zu tun. Da fällt mir noch der berühmte Bienenforscher Karl von Frisch ein. Vielleicht ist er ein Vorbild für mich: Ihm ging es immer um die Sache, nie um Prestige oder Titel.

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