Hellwach im Traum

Ein luzider Traum ist ein grosses Vergnügen für den Träumenden, erlaubt Sportlern aber auch, Bewegungsabläufe zu trainieren. Der Berner Sportwissenschaftler Daniel Erlacher erkundet die luziden Träume und deren Möglichkeiten.

Von Salomé Zimmermann 14. April 2014

Wenn man während des Traumgeschehens weiss, dass man träumt, dann handelt es sich um einen luziden Traum. Solche Klarträume können vom Träumenden willentlich beeinflusst werden: «Besonders beliebt ist im Klartraum das Fliegen», sagt Daniel Erlacher, Sportwissenschaftler und Psychologe vom Institut für Sportwissenschaft.

In Deutschland hat ungefähr die Hälfte der Bevölkerung schon einmal einen luziden Traum erlebt, ein Fünftel hat mehr als einmal pro Monat einen Klartraum und ein Prozent mehrmals pro Woche. Obwohl das Phänomen also gar nicht so selten ist, wissen viele nicht darum, und es ist auch noch kaum untersucht. Daniel Erlacher, der vor zwei Jahren von Heidelberg nach Bern gewechselt hat, ist einer der wenigen Wissenschaftler, die das luzide Träumen erforschen.


Am Institut für Sportwissenschaft der Uni Bern werden Klarträume erforscht. (Bilder: zvg)

Kommunikation via Augenbewegungen

Die regelmässigen Klarträumer sind bunt gemischt, es gibt kein eindeutiges Merkmal wie Alter, Geschlecht oder eine spezifische Eigenschaft, die zum bewussten Träumen prädestiniert. «Einzig Meditationserfahrung, gute Traumerinnerung und Offenheit für neue Erfahrungen führen zu einer grösseren Wahrscheinlichkeit von luziden Träumen», erläutert Erlacher. Im Klartraum ist im Gegensatz zu anderen Träumen ein kontrollierendes Bewusstsein vorhanden. Er ist also gekennzeichnet durch einen teilweise wachen Geist, während der Körper schläft – beim Schafwandeln ist es genau umgekehrt.

Luzide Träume treten laut Erlacher überwiegend in der sogenannten REM-Phase (Rapid-Eye-Movement-Phase) auf, in welcher der Körper komplett erschlafft ist – mit einer Ausnahme: den Augäpfeln, die sich beim Träumen bewegen. Diese Eigenart macht es möglich, dass luzide Träume überhaupt wissenschaftlich ergründet werden können. Geübte Klarträumer legen sich im Schlaflabor ins Bett und werden aufgefordert, mittels bestimmter Links-Rechts-Augenbewegungen den Beginn und das Ende eines luziden Traums zu signalisieren und den Traum in eine bestimmte Richtung zu lenken, etwa Kniebeugen im Traum auszuführen. Der Puls erhöht sich dann, allerdings deutlich geringer als bei Kniebeugen im Wachzustand.


Ein Versuchsteilnehmer hofft, im Labor einen luziden Traum zu haben.

Traumhaftes Training

Entsprechend nutzen Profisportler luzide Träume zum Einüben und Vertiefen von Bewegungsabläufen. Erlacher und sein Team haben den Erfolg gemessen: «Ein Versuchsteilnehmer, der in Klarträumen ‹mental› trainiert hat, zeigt eine um 8 Prozent bessere Leistung als vorher. Ein Versuchsteilnehmer, der ein Training in der Realität durchgeführt hat, zeigt eine um 15 Prozent bessere Leistung.» Luzide Träume machen also nicht nur Spass, sie sind auch ein wirksames Instrument für sportlichen Erfolg.

Es gibt Hinweise, dass im Klartraum der Frontallappen des Hirns aktiver ist als beim normalen Träumen. Auf dieser Erkenntnis aufbauend, haben Erlacher und seine Kollegen in einem Experiment versucht, Klarträume mit leichten Strom-Stimulationen auch bei Ungeübten gezielt herbeizuführen. «Das hat nicht so gut funktioniert», bedauert der Sportpsychologe. So muss die bewusste Gestaltung der Traumwelt nach wie vor geduldig eingeübt werden. Im Schlaflabor klappt es mit der sogenannten «Wake up, back to bed»-Methode (siehe Kasten) etwas schneller. Bereits nach einer Schlaflabor-Nacht konnte die Hälfte der vorher Ungeübten einen luziden Traum erleben.


Meditation und gute Traumerinnerung machen luzide Träume laut Daniel Erlacher wahrscheinlicher. (Bild: Martin de Bruin, ISPW)

Träume im Zeitraffer?

Eine weitere kürzlich abgeschlossene Studie Erlachers hat sich mit der Traumzeit befasst. Die sogenannte Schrumpftheorie behauptet nämlich, dass der Traum im Zeitraffer abläuft und dass beispielsweise fünf Minuten physischer Schlaf einer Stunde im Traum entsprächen. Dies hat sich nicht bestätigt: «Luzide Träumer, die den Auftrag hatten, im Klartraum bis dreissig zu zählen oder Kniebeugen zu machen, brauchten dafür etwas länger als im Wachzustand», so Erlacher.

Der Sportwissenschaftler kann es kaum erwarten, bis das Zentrum Sport und Sportwissenschaft im Neufeld fertig gebaut ist, um dann mit besseren Möglichkeiten der Schlafaufzeichnung seine Forschungen zum Klartraum zu intensivieren. «Ich bin fasziniert vom luziden Träumen und den damit verbundenen Möglichkeiten, auch wenn mir selber das Klarträumen trotz längerem Training nicht leicht fällt.»

Klarträumen lernen

Die bisher effizienteste Methode, luzide Träume zu erleben – zumindest im Schlaflabor –, ist die sogenannte «Wake up, back to bed-Methode», die optimale Bedingungen für einen REM-reichen Morgenschlaf garantiert. Nach sechs Stunden muss man aufstehen, sich an einen Traum erinnern, diesen auf-schreiben und die Hinweise, dass es sich um einen Traum und nicht um die Realität handelte, notieren. Wenn im nachfolgenden Schlaf (idealerweise noch einmal drei Stunden) ähnliche Traumsymbole auftauchen, ist es möglich, diese zu identifizieren und dann bewusst zu träumen.

Weitere Vorgehensweisen beschreibt Daniel Erlacher in seinem Buch: Anleitung zum Klarträumen. Die nächtliche Traumwelt selbst gestalten. Norderstedt: BoD.

Zur Webseite www.klartraum.de

 

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