Erfolg für Berner Weltraumforschung

Grosser Jubel an der Uni Bern: Die Weltraumsonde Rosetta ist nach 31 Monaten im Tiefschlaf pünktlich aufgewacht. Die Berner Weltraumforschenden freuen sich, ihre Messinstrumente an Bord der Sonde nun bald in Betrieb nehmen zu können.

Von Sandra Flückiger 20. Januar 2014

Die Erleichterung war grenzenlos, der Jubel um 19.18 Uhr in der Halle des Gebäudes für Exakte Wissenschaften ausgelassen. Eben hatten die ersten Signale von Rosetta die Erde erreicht. «Das ist eine Riesenfreude, einfach toll», sagt Kathrin Altwegg vom Physikalischen Institut und Center for Space and Habitability sichtlich gerührt. «Seit zehn Jahren ist die Sonde unterwegs und aktuell 800 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Das Signal zeigt, dass wir bisher alles richtig gemacht haben.» 


Prof. Kathrin Altwegg (Projektverantwortliche «Rosina») und Prof. em. Hans Balsiger (Ehren-Projektverantwortlicher) haben allen Grund zur Freude: Rosetta hat ein Signal gesendet. (Bild: Sandra Flückiger)

Die Anspannung war gross: Vor 957 Tagen versetzte die Europäische Weltraumbehörde ESA die Raumsonde Rosetta in einen Tiefschlaf. Damit sollte die Kometenjägerin auf der kältesten Strecke ihrer Reise beim Planeten Jupiter Energie sparen. Ob die Sonde nach rund zweieinhalb Jahren pünktlich am 20. Januar ihrem internen Wecker folgen und erste Wachsignale senden würde, war unklar. «Bei einer so weiten Reise durch das Weltall fliegt das Risiko immer mit», kommentierte Kathrin Altwegg vor rund vierhundert Rosetta-Fans die letzten bangen Minuten des Wartens.

Rosetta spielte kosmisches Pingpong

Dass die Sonde wieder Signale sendet, war keineswegs selbstverständlich, denn sie hat eine lange Reise hinter sich. Am 2. März 2004 ist Rosetta an Bord einer Ariane-5-Rakete zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko aufgebrochen. Fünf Mal flog sie um die Sonne und mehrmals holte sie Schwung, als sie an Erde und Mars vorbeiflog. «Die Vorbeiflüge an den Planeten waren eine Art kosmisches Pingpong», schreibt Kathrin Altwegg im Wissenschaftsmagazin «UniPress». Durch die Gravitation und Geschwindigkeit von Erde und Mars konnte die Sonde bei jedem «Swing-by» ihre Geschwindigkeit erhöhen und schliesslich die Bahn erreichen, die sie nun zum Kometen bringt.


Gebannt verfolgen die vielen Zuschauer die Live-Übertragung der ESA und hoffen auf die erlösenden Signale. (Bild: Sandra Flückiger)

An Bord von Rosetta befindet sich ein Messinstrument, das die Fachleute um Kathrin Altwegg gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam in Bern entwickelt haben. Das Massenspektrometer «ROSINA» wird die chemische Zusammensetzung der Gase im Schweif des Kometen untersuchen. Als weiteres Berner Instrument führt Rosetta das Bildgebungssystem «Osiris» mit. Verantwortlich dafür ist Nicolas Thomas, Professor am Center for Space and Habitability. Das Doppelkamerasystem hat eine Auflösung von vier Zentimetern auf einen Kilometer. Damit war es möglich, gestochen scharfe Bilder zu schiessen, während Rosetta an der Erde, am Mars sowie an den Asteroiden «Steins» und «Lutetia» vorbeiflog.

Wie kam das Wasser auf die Erde?

Der ferne «schmutzige Schneeball» Churyumov-Gerasimenko – von den Forschenden auch liebevoll «Chury» genannt – ist von höchstem Interesse, denn Kometen sind Überbleibsel aus der Urzeit des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren. Sie haben seither keine Weiterentwicklung durchgemacht und bestehen vermutlich aus derselben Materie, aus der Sonne und Planeten gebildet wurden. Deshalb beinhalten sie unschätzbare Informationen über die Entstehung des Sonnensystems und der Erde.


Rosetta erreicht ihr Ziel – den Kometen «Chury» – dieses Jahr. Ab September kreist sie um ihn. (Bild: ESA–C. Carreau/ATG medialab)

Die Forschergruppe um Kathrin Altwegg möchte herausfinden, wie das Wasser auf die Erde gekommen ist. Als diese entstand, war sie ein unwirtlicher Feuerball. Im Laufe der Jahrmillionen erkaltete ihre Oberfläche zu einer harten und kargen Gesteinskruste. «Womöglich brachte dann ein Bombardement von Kometen das Wasser auf die Erde», sagt Altwegg. Und vielleicht hätten die Kometen zugleich die organischen Moleküle geliefert, die als Vorläufer für das Leben auf der Erde dienten. «Bestenfalls werden unsere Instrumente solche Substanzen in den Dämpfen des Kometen identifizieren können.»


Mit diesem Massenspektrometer an Bord von Rosetta untersuchen die Berner Forschenden die Gase des Kometen. (Bild: Physikalisches Institut, Universität Bern)

Im März und April dieses Jahres nimmt das Berner Rosina-Team seine Instrumente in Betrieb und führt Tests durch; ab Juli hoffen die Forschenden, erste Moleküle der sogenannten Kometenkoma messen zu können. Im September, nach ihrer 7,1 Milliarden Kilometer langen Reise, geht Rosetta schliesslich in eine Umlaufbahn um «Chury» und wird ihn während fast eineinhalb Jahren begleiten. Erstmalig wird ausserdem ein Landemodul auf einem Kometen abgesetzt, das dessen Zusammensetzung bestimmt. «So steht uns eine wissenschaftlich äusserst interessante Zeit bevor», sagt Kathrin Altwegg erfreut.

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