Speisen wie zu Jesu Zeiten
Wie kochten die Bewohnerinnen und Bewohner Judäas in der Antike? Der Berner Theologe Ernst Axel Knauf ist dieser Frage nachgegangen und hat eine biblische Rezeptsammlung zusammengestellt. Zur «haute cuisine» gehören seine Kreationen allerdings nicht.
Man nehme rote Linsen, rote Zwiebeln und Frühlingszwiebeln. Essig (50 Prozent Aceto balsamico, 50 Prozent billigster Rotwein), Olivenöl, Meersalz, Granatapfelsaft und fakultativ Honig. Zwiebel, kleingewürfelt oder gehackt, im Öl andünsten. Linsen zugeben, etwas rösten lassen. Dann mit zweifacher Menge Wasser ablöschen, 20 Minuten kochen lassen. Nach 15 Minuten kleingeschnittene Frühlingszwiebeln und Essig beifügen, vor dem Servieren mit Granatapfelsaft und dem Honig vermischen.
Zugegeben: Das Rezept «Linsen à la Esau» klingt nicht gerade nach haute cuisine. Das soll es auch nicht, wie dessen Autor Ernst Axel Knauf sagt: «Zu biblischen Zeiten ging es beim Kochen nicht um Kulinarik, sondern darum, dem Hungertod zu entgehen. Nahrungskrisen gab es damals oft.» Knauf hat über die Jahre hinweg eine kleine Sammlung von antiken Rezepten aus dem Heiligen Land angelegt. Nicht zuletzt, weil er «selbst gerne kocht», so der Theologe, der an der Uni Bern im Bereich Altes Testament und biblische Umwelt forscht.
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Hummus und Kohl-Wasser
Die meisten Rezepte sind ähnlich simpel wie das Linsen-Gericht: in Olivenöl gebratenes Rührei mit Zwiebeln und Salz, saure Milch und Thymian-Honig oder Hummus (Kichererbsen mit Salz, Essig, Öl und Knoblauch). Alle Kreationen sind vegetarisch – Fleisch wurde damals nur selten gegessen, etwa an Feiertagen. Zitronen importierten laut Knauf die Römer, Reis ab dem 8. Jahrhundert die Araber und Kartoffeln sowie Tomaten fanden spätestens ab dem 19. Jahrhundert ihren Weg in den Nahen Osten.
Gewöhnungsbedürftig klingt die Anleitung, wie man Wasser in der damals üblichen Qualität zubereitet: Algen und Kopfsalat in Wasser aufkochen. Das muffig riechende Resultat soll das abgestandene Zisternenwasser simulieren, welches den Menschen in der Trockenzeit zur Verfügung stand. «Neben Olivenöl und Brot war deshalb Wein das Grundnahrungsmittel», erläutert Ernst Axel Knauf. «Man mischte ihn mit dem Wasser, um dieses geniessbar zu machen. Die Technik des Abkochens kannte man noch nicht.» Einfach nur Wasser zu trinken, habe wegen der teils schlechten hygienischen Zustände übrigens auch hier in Europa bis weit in die Neuzeit als «verrückt» gegolten.
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Fälschen ist erlaubt
Als Quelle für seine Rezepte dienten Knauf unter anderem das Alte und Neue Testament. Über Hummus steht etwa in Rut 1,14: «Boaz sagte zu Rut zur Essenzeit: Komm her, iss vom Brot, tauche deinen Bissen in den Hummus (chómetz). Sie setzte sich den Erntearbeitern zur Seite, und er häufte für sie Röstkorn (qalî) auf.» Daneben stützt sich der Theologe auf archäologische Funde – Werkzeuge oder Öfen, pflanzliche und tierische Überreste – sowie auf andere zeitgenössische Schriften. Aus dem alten Babylon seien tatsächlich Rezepte bekannt, sagt er. «Leider sind dort keine Mengenangaben zu finden.»
Manche Details wie die genaue Konsistenz des groben Weizenmehls fürs Fladenbrot seien nur schwer zu rekonstruieren: «Ich mische dazu Kleie mit Ruchmehl. In solchen Fällen muss man eben kreativ sein und mit heutigen Zutaten arbeiten, sonst experimentiert man unter Umständen wochenlang.» Da er ungefähr wisse, wie das Resultat aussehen müsse, so Knauf, «macht das Fälschen aber grossen Spass.»
Ob er plane, seine Sammlung dereinst als Buch zu veröffentlichen? Der Bibelforscher winkt ab: «Da gab es schon genügend Versuche, leider auch ein paar schlechte. Ich demonstriere die Rezepte lieber an öffentlichen Veranstaltungen, zum Beispiel war ich am 175-Jahr-Fest der Uni Bern. Das reicht mir.»