«Man muss seine Grenzen kennen, um sie zu überschreiten»

Vom Labor auf die Tartanbahn: Die frischgebackene Berner Bachelor-Absolventin und medaillenprämierte Hürdenläuferin Noemi Zbären erzählt im Interview von ihrem Streben nach Perfektion und weshalb sich eine Sportkarriere und das Biochemiestudium ideal ergänzen.

Interview: Brigit Bucher 23. Juli 2015

«uniaktuell»: Noemi Zbären, mehrfache Gratulation ist angebracht: Nicht nur haben Sie soeben erfolgreich den Bachelorstudiengang in Biochemie an der Universität Bern abgeschlossen, Sie haben am 11. Juli Gold auch gewonnen über 100m Hürden an der U-23-EM in Tallin. Welcher Erfolg bedeutet Ihnen mehr?
Noemi Zbären: Schwer zu sagen, beides waren für mich Highlights. Ich habe in den letzten Jahren nicht nur viel Zeit und Energie in mein Bachelorstudium investiert, sondern sicher ebenso hart für den sportlichen Erfolg gearbeitet.

Sie stehen in doppelter Weise unter grossem Leistungsdruck. Wie beeinflussen sich die beiden Gebiete und wie motivieren Sie sich, sowohl im Sport als auch an der Uni immer wieder Höchstleistungen zu erbringen?
Ausschliesslich positiv! Ich bin ein Mensch, der auf beiden Ebenen gewisse Anforderungen braucht. Der Sport bietet mir die ideale Balance zum Labor- und Vorlesungsalltag. Das Eine bietet Erholung vom jeweils Anderen. Einerseits kann eine gute Leistung im Sport meine Motivation im Bildungsbereich weiter steigern, andererseits kann eine gute Note an der Uni auch ein schlechtes Wettkampfresultat kompensieren.

Auf dem Weg zu Gold: Noemi Zbären (Mitte) beim Hürdenlauf. © deinSportmoment.ch (alle Bilder)
Hürdenlaufen ist eine Einzelsportart, Sie trainieren aber nach wie vor mit Ihren Clubkolleginnen und -kollegen in Langnau auf der Anlage im Schulhaus. Wie halten Sie es im Studium? Sind Sie Einzelkämpferin? Oder lernen Sie beispielsweise in Lerngruppen?

Im Wettkampf bin ich Einzelkämpferin aber im Training sicherlich nicht. Ähnlich sieht es auch an der Uni aus: Übungen, Vorlesungen und gewisse Bereiche der Prüfungsvorbereitung mache ich gerne mit meinen Kommilitonen zusammen. Geht es aber um den letzten Schliff, lerne ich auch gerne alleine.

Auf der Webseite der Universität Bern steht zum Studium der Biochemie unter anderem: «Da der Stoffwechsel, z. B. die Atmung, Verdauung, Nervenreizleitung, Muskelbewegung, Zellteilung und Vererbung auch auf biochemischen Vorgängen beruht, umfasst das Forschungsgebiet ebenfalls komplexere Abläufe in Geweben, Organen und Organismen.» Können Sie also Erkenntnisse aus dem Studium auf den Sport anwenden? Beispielsweise für Ihr Trainingsprogramm oder Ihre Ernährung?

Ich habe mich vor allem aus sportlichem Interesse an biochemischen Vorgängen und eben den komplexeren Abläufen für diese Studienrichtung entschieden. Obwohl ich bezüglich Trainingsprogramm nicht all zu viel zu sagen habe – meine Trainer-Crew stellt die Pläne zusammen – kann ich die Reaktionen meines Körpers auf anstrengende Trainings-Einheiten besser verstehen und damit auch die Regeneration positiv beeinflussen.

In einem Interview mit der Berner Zeitung sagten Sie, Sie würden nach Ihrem Studium gerne in der Forschung im Bereich Neurophysiologie tätig werden. Was steckt hinter diesem Berufswunsch?

Das Nervensystem ist wohl eines der komplexesten Systeme des menschlichen Körpers. Je grösser die Herausforderung, desto interessanter. Allerdings erhalte ich täglich neue Einblicke in weitere Forschungsfelder, die mein Interesse wecken. Also könnte sich mein Berufswunsch auch weiterhin noch verändern, denn momentan liegt mein Augenmerk eher auf der Immunologie.

Letzte Woche fand in Bern der grösste Kongress für Sportpsychologie mit über 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Ein Workshop drehte sich um Fragen, wie nützlich oder schädlich Perfektionismus im Sport ist. Was würden Sie sagen?

Als Perfektionistin tendiere ich klar zu «nützlich». Das Streben nach Perfektionismus ist ein wichtiger Teil auf dem Weg zu Topleistungen, wenigstens in meiner Sportdisziplin. Allerdings habe ich auch schon andere Erfahrungen damit gemacht. Man kann sich selbst mit zu hohen Erwartungen blockieren. Deshalb ist es wichtig, seine Grenzen zu kennen, um sie überschreiten zu können.

Zur Person

Noemi Zbären, 12.03.1994, aus Langnau im Emmental, Sportklub Langnau (Leichtathletikverein)

Bildung:

Universität Bern, Bachelor of Science (Biochemie & Molekularbiologie) (2012-2015)
Gymnasium Bern Kirchenfeld (2009-2012)

Sport:

2015 – U23 Europameisterin (Tallinn)
2014 – 9. Europameisterschaften (Zürich)
2013 – U20 Europameisterin (Rieti)
2012 – Vize-U20 Weltmeisterin (Barcelona), Teilnahme Olympic Games (London)
2011 – Vize-U18 Weltmeisterin (Lille)
2010 – 3. Youth Olympic Games (Singapur)
div. Schweizermeistertitel.

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