«Ich will junge Forschende motivieren»
Anlässlich des diesjährigen Dies academicus hat die Universität Bern Dr. Celia Zwillenberg die Würde als Ehrensenatorin verliehen. Im Interview mit «uniaktuell» erzählt sie, warum ihr Nachwuchsförderung am Herzen liegt.
«uniaktuell»: Frau Dr. Zwillenberg, mit welchen Gedanken werden Sie an die erste Senatssitzung gehen?
Gerne möchte ich einen Beitrag an die Uni leisten, auch wenn es nur ein kleiner sein sollte. Als Ehrensenatorin nehme ich mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Zuerst möchte ich hören, was gesagt und diskutiert wird.
Sie sind in Argentinien aufgewachsen und haben an der Universität La Plata studiert und dort später promoviert. Was hat Sie nach Bern gebracht?
Nachdem ich mit meinen Eltern von Argentinien nach Israel übersiedelt war, lernte ich am Weizmann Institute in Israel, wo ich wissenschaftlich arbeitete, meinen späteren Mann Lutz Zwillenberg kennen. Er lebte seit 1959 in Bern, arbeitete zuerst am Institut für Anatomie der Universität und betrieb später ein privates Forschungsinstitut. Ich erinnere mich, wie ich mit Lutz an einer Zentrifuge erstmals ins Gespräch gekommen bin. Es entwickelte sich bald mehr zwischen uns. Und so bin ich schliesslich nach Bern gekommen. Es ist mir sehr schwer gefallen vom Weizmann Institute wegzugehen. Am weitläufigen Weizmann Institute war ich nie alleine. In Bern musste ich erst eine Schule besuchen und Deutsch lernen. Nach einer Zeit der Anpassung an die Eigenartigkeiten des für mich neuen Landes, war ich von der Zurückhaltung der Menschen sehr angetan.
Und wie sind Sie das erste Mal mit der Universität Bern in Berührung gekommen?
Ich war bereits Mitte dreissig, wollte Kinder und habe mich gegen eine wissenschaftliche Laufbahn entschieden. Wir bekamen zwei Töchter. Eines Tages nahm ich meine zwei Mädchen mit zu einem Tag der offenen Tür am Departement für Chemie und Biochemie in der Freiestrasse. Mein Forschungsgebiet war die Chromatographie gewesen, eine Methode zum Trennen von Aminosäuren. Ich fragte Professor Boschetti, ob er mich gebrauchen könnte. Ich erhielt eine Anstellung («ad honorem», d.h.ohne Lohn)und konnte auch publizieren. Diese Zeit mit jungen Menschen im Labor ist mir in guter Erinnerung geblieben.
Sie sind Stifterin des Dr. Lutz Zwillenberg Preises, der in Erinnerung an Ihren 2011 verstorbenen Ehemann an Nachwuchsforschende der Chemie und Biochemie an der Universität Bern vergeben wird. Haben Sie gemeinsam entschieden, einen solchen Preis zu stiften?
Mein Mann hatte Jahr für Jahr bereits etwas gespendet. Uns beiden war die Nachwuchsförderung schon immer wichtig. Den Preis habe ich dann eingerichtet. Mein Mann ist im Jahr 2011, sechs Tage nachdem ich den Vertrag unterzeichnet habe, gestorben.
Gibt es ein Forschungsgebiet oder eine Preisträgerin, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich bekomme von den ehemaligen Preisträgern Karten aus aller Welt und einmal sogar einen Kalender mit mikroskopisch kleinen Aufnahmen. Ich bin selbst mit Bienen und der Imkerei aufgewachsen. Deshalb habe ich mich besonders gefreut über eine Preisträgerin, die in Bern am Institut für Bienengesundheit forscht. Kurz nach der Preisverleihung habe ich in meinem Milchkästli zwei Gläser Honig gefunden – einen hellen und einen dunkleren mit dem Logo der Uni Bern. Sie hat ihn mir geschickt und ich habe mich unglaublich gefreut.
Sie fördern Judaistik und Biochemie an mehreren Universitäten und betonen, dass Philanthropie, eben gerade nicht heisst, lediglich Geld zu geben. Was verstehen Sie persönlich unter Philanthropie?
Nur mit Geld geben ist es nicht getan. Wie man Geld gibt und wofür, das ist entscheidend. Meine eigenen Enthusiasmus für Forschung und ein Fachgebiet auf junge Forschende zu übertragen, das liegt mir am Herzen. Das verstehe ich unter Philanthropie. Ein Preis ist Belohnung für Mühe und Anstrengung und kann Türen öffnen, wie der Lutz Zwillenberg Preis einem jungen Forscher die Aufnahme in Harvard erleichtert hat. Schön für mich am Lutz Zwillenberg Preis ist natürlich, dass ich verstehe, woran die Forscherinnen und Forscher arbeiten.
Haben Sie von Ihrer Förderung einen persönlichen Gewinn?
Nehmen Sie das Bienensterben: Forschung dazu ist ein Gewinn für alle. Mich macht das glücklich. Also hat nicht nur die beschenkte Person Freude. Stellen Sie sich vor, wenn ein junger Student aus Geldmangel seine Forschungsarbeit nicht zu Ende bringen kann...
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Themen Biochemie und jüdische Studien, zwei Bereiche, die Sie seit langem fördern und wofür Sie sich einsetzen?
Beide Gebiete gehören zu mir wie eine Jacke; mit beidem habe ich mich jahrelang beschäftigt. Einen direkten Zusammenhang gibt es nicht. Warum Biochemie? Weil ich selber motiviert bin und weil ich verstehe, worum es geht. Biochemie und Biophysik sind Naturwissenschaft. Das ist komplett etwas anderes als Geisteswissenschaft. Beim ersten gibt es Gesetze, Mathematik und keine Abweichung. In der Geisteswissenschaft gibt es kein «so ist es». Speziell das Jüdische gehört zu meiner Identität. Bei den jüdischen Studien geht es nicht nur um Religion, sondern um Geschichte, Lernen der Quellen, Philosophie, Literatur. Ich komme aus einem belesenen Elternhaus und hätte gerne Literatur studiert, entschied mich jedoch für Biochemie. Ich bereue es nicht. Biochemie bot mir die Möglichkeit, im Labor in drei verschiedenen Ländern zu arbeiten.
Wurden Sie selbst in ihrer Laufbahn gefördert und haben Sie einen Rat an junge Forschende?
Ich habe kein Stipendium oder sonstige Förderung erhalten. Dies war damals in Argentinien nicht üblich. Während meines Studiums konnte ich als Assistentin im Labor und im Kinderspital arbeiten; ich war sehr glücklich, selber Geld zu verdienen. Mein Rat an junge Forschende: Sie sollen nicht enttäuscht sein, wenn sie nicht sofort gute Resultate erzielen können. Man muss immer weitermachen, Experimente wiederholen, eine Begeisterung für das Studium an den Tag legen.
Zur Person
Die promovierte Biochemikerin, Dr. Celia Zwillenberg Fridman, ist in Argentinien aufgewachsen, hat am Weizmann Institute in Rehovot (Israel) gearbeitet und publiziert wie auch später an der Universität Bern. In der jüdischen Gemeinde in Bern hat sie in den vergangenen Jahren mehr als 160 Veranstaltungen und mehrere Reisen organisiert. Celia Zwillenberg hat zwei Töchter und neun Enkelkinder, und sagt von sich: «Wenn ich etwas mache, versuche ich es von ganzem Herzen zu machen.»
Dies academicus 2016
Am 182. Dies academicus der Universität Bern thematisierte Rektor Christian Leumann die Chancen und Herausforderungen der Universität. Regierungsrat Bernhard Pulver zeigte sich «sehr stolz» über die Leistungen der Universität Bern und sah in der Politik auch einen Grund für diesen Erfolg. Besseren Zugang zur Wissenschaft für marginalisierte Teile der Gesellschaft forderte schliesslich Pia Portmann, Vertreterin der Studierendenschaft. Sieben Persönlichkeiten wurden mit einem Ehrendoktortitel und vierzehn Forschende mit akademischen Preisen geehrt. Die Philanthropin Celia Zwillenberg wurde zur Ehrensenatorin ernannt.
Zur Autorin
Dorothea Bergler, Universitätsförderung, begleitet Donatoren, Stiftungen und Unternehmen in ihrem philanthropischem Engagement. Sie unterstützt den Rektor und die Universitätsleitung bei der Pflege ihrer Beziehungen und berät Institute und Fakultäten bei ihren Fundraisinganliegen.