«Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern haben langfristige Konsequenzen»
Im Juni gastiert das Lohnmobil in Bern: Eine Ausstellung und verschiedene Veranstaltungen bieten unterschiedliche Zugänge zum Thema Lohngleichheit. Barbara Zimmermann, Doktorandin am Institut für Soziologie, hält einen Vortrag zur Lohnungleichheitsforschung. «uniaktuell» befragte sie zur Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern.
«uniaktuell»: Frau Zimmermann, welches sind die aktuellen Herausforderungen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt?
Barbara Zimmermann: Einerseits ist es erfreulich, dass die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, denn sein eigenes Geld zu verdienen bedeutet Unabhängigkeit, gerade auch von patriarchalen Familienstrukturen. Dank besserer Ausbildung besetzen Frauen zunehmend auch höhere Positionen. Andererseits wird auch ein grosser Teil der schlecht bezahlten Jobs mit niedrigen Qualifikationsanforderungen von ihnen ausgeübt. Dazu leisten sie weiterhin einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit, welche in der Gesellschaft sehr wenig Anerkennung erfährt. Auch ist der Arbeitsmarkt nicht diskriminierungsfrei: In meiner Dissertation untersuche ich geschlechtsspezifische Karriereverläufe – also etwa, weshalb Frauen weniger oft Führungspositionen erreichen als Männer. Aufgrund von Vorurteilen werden ihnen z.B. seltener dafür notwendige Kompetenzen zugeschrieben. Auch verdienen Frauen für die gleiche Arbeit noch immer weniger als Männer. Diskriminierungen können auch bei Mutterschaft vorkommen und nicht zuletzt ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ein Thema, das nicht unterschätzt werden sollte.
Können Sie die unterschiedlichen Faktoren, die für die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau verantwortlich sind, erläutern?
Viele Faktoren führen dazu, dass Frauen und Männer nicht gleich viel verdienen. Grosse Erklärungskraft haben u.a. die Branche, das Ausbildungsniveau und die Berufserfahrung. Frauen sind weiterhin überproportional von der Doppelbelastung von Erwerbs- und Hausarbeit betroffen und arbeiten deshalb öfter Teilzeit. Häufig sind Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt werden, schlechter bezahlt und bieten auch sonst weniger Karrierechancen. Nebst diesen sogenannt erklärenden oder objektiven Faktoren bleibt aber ein Teil der Lohnlücke unerklärt – zur Zeit wird darüber gestritten, ob dieser Anteil nun auf Diskriminierung zurückzuführen ist. Für die Diskriminierungsthese spricht, dass bereits beim Berufseinstieg, einem Zeitpunkt also, bei dem sich die jungen Frauen und Männer aufgrund unterschiedlicher Berufsverläufe und Familienpflichten noch kaum unterscheiden, 7% unerklärter Lohnunterschied nachgewiesen wird. Die experimentelle Forschung zeigt, dass Stereotype sehr mächtig sind – Diskriminierung kann somit zumindest weiterhin nicht ausgeschlossen werden.
Sehen die lohnrelevanten Faktoren global gleich aus oder unterscheiden sich diese von Land zu Land?
Der Gender Pay Gap unterscheidet sich von Land zu Land, da auch institutionelle und kulturelle Faktoren oder die Struktur des Arbeitsmarkts eine Rolle spielen. Ein reglementierter Arbeitsmarkt oder genderneutrale Sozialleistungen wie Mutter- und Vaterschaftsurlaub können den Lohnunterschied verringern. In Ländern des globalen Südens spielt etwa der informelle Sektor eine viel grössere Rolle, weshalb direkte Vergleiche mit westlichen Industrienationen kaum sinnvoll sind.
Was muss sich konkret ändern?
Es braucht ein Umdenken – besonders auch bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Diese gehen oft davon aus, dass ihre Lohnpraxis nicht diskriminierend sei, ohne dies aber zu überprüfen. Dazu bräuchte es auch dringend familien- und generell lebensverträglichere Arbeitsmodelle – und zwar für Frauen und Männer. Teilzeitarbeit sollte nicht mehr der Karrierekiller Nummer eins sein, dass Jobsharing auch in Kaderpositionen funktioniert, ist längst bewiesen.
Haben Sie Tipps, wie sich Frauen bei Lohnverhandlungen verhalten sollen?
Es wird oft gesagt, Frauen verhandelten schlechter und verdienten deshalb weniger: Eine Aussage, die ganz klar zu kurz greift. So werden nämlich die Frauen für ihr tieferes Einkommen verantwortlich gemacht. Es sind jedoch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, welche für einen fairen Lohn zu sorgen haben. Es ist aber sicherlich von Vorteil, sich über das Lohnsystem der Firma oder der Branche zu informieren. Dabei helfen etwa die Gewerkschaften oder der Lohnrechner. Auch sollte man sich seiner Stärken und Qualifikationen bewusst sein und diese zeigen.
Welche Folgen haben die tieferen Löhne für die Frauen?
Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern haben sehr langfristige Konsequenzen. Die Einkommenseinbusse addiert sich im Verlauf eines Erwerbslebens. Weniger Lohn bedeutet weniger Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen und zudem oft eine existenzielle Bedrohung. Folge davon sind Lücken in der sozialen Sicherung: Frauen sind viel öfter von Altersarmut betroffen und Alleinerziehende überdurchschnittlich häufig auf Sozialhilfe angewiesen. Das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern lässt es zudem logisch erscheinen, dass Frauen ihr Pensum eher reduzieren, wenn Kinder kommen und sich fortan um die Familie kümmern, während die Männer weiterhin Haupternährer bleiben. Dabei werden die traditionellen Rollenbilder aber laufend reproduziert – ein Teufelskreis.
Zur Person
Barbara Zimmermann hat an den Universitäten Genf und Fribourg Politikwissenschaft, Sozialpolitik und Genderstudies studiert und doktoriert zur Zeit am Institut für Soziologie. Zudem ist sie an der Berner Fachhochschule im Fachbereich Soziale Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig.
Kontakt:
Barbara Zimmermann
031 631 48 85
barbara.zimmermann@soz.unibe.ch
Lohnmobil in Bern
Zwischen dem 13. und 15. Juni ist das Lohnmobil auf dem Bundesplatz, vom 16.-17. Juni am Bahnhofplatz stationiert. Das Lohnmobil ist eine Wanderausstellung zum Thema Lohngleichheit von Frauen und Männern. Im Rahmen der Deutschschweiz-Tournee hat die Abteilung für Gleichstellung (AfG) der Universität Bern zwei Referate zum Thema organisiert.
Zur Autorin
Lisa Fankhauser ist innerhalb des Bereichs Corporate Communication für die interne Kommunikation zuständig.