Einfach schlauer geworden am grossen Fest des Wissens

Warum schlafen wir? Wie weiss ein Medikament, wo es hinmuss? Im Vorfeld der dritten «Nacht der Forschung» wurden in den Social Media-Kanälen der Universität Bern solche und ähnliche Fragen gestellt. «uniaktuell» hat sich am Samstag, 16. September am grossen Fest des Wissens auf die Suche nach Antworten gemacht.

Von Brigit Bucher 19. September 2017

Grosser Andrang herrschte am Samstag, 16. September auf der Grossen Schanze. Insgesamt besuchten über 9'000 Personen die «Nacht der Forschung» der Universität Bern. Trotz Gedränge an vielen der über 50 Forschungsständen, liessen sich die über 800 beteiligten Forschenden nicht aus der Ruhe bringen und gaben geduldig, aber vor allem auch anschaulich Auskunft auf alle möglichen Fragen von Besucherinnen und Besuchern. Auch «uniaktuell» hat sich unter das Publikum gemischt und jene Fragen aufgenommen, die in kurzen Videos vor dem Anlass in den Social Media-Kanälen gestellt worden waren.

«Liegt die Schweiz in 100 Jahren am Meer?»

Auf der grossen Schanze vor dem Hauptgebäude waren drei Container aufgebaut worden zu den Themen Klima, Energie und Mobilität. Es handelte sich um die letzte Station der Wanderausstellung «Container3» der Universität Bern und der Stadt Bern, die vom 17. August an in allen Berner Stadtteilen an sieben Standorten Halt gemacht hatte. Im Klimacontainer wird schnell klar: Als Folge des Klimawandels wird unter anderem ein Anstieg des Meeresspiegels prognostiziert. Grund genug, sich zu fragen, ob die Schweiz in 100 Jahren am Meer liegen wird. 

Der Klimacontainer des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung OCCR der Universität Bern. © Universität Bern, Bild: Manu Friederich
Der Klimacontainer des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung OCCR der Universität Bern. © Universität Bern, Bild: Manu Friederich

Der letzte Zustandsbericht des Weltklimarats IPCC geht davon aus, dass der mittlere globale Meeresspiegelanstieg gegen Ende dieses Jahrhunderts wahrscheinlich irgendwo im Bereich von 25 bis 80 Zentimeter liegen wird. Je nachdem, ob es gelingt, die im Abkommen von Paris formulierten CO2-Ziele zu erreichen, steigt der Meeresspiegel mehr oder weniger an. Nicht nur wegen der ungewissen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sind präzise Aussagen zum Meeresspiegelanstieg schwierig. Sein Ausmass wird durch zwei unterschiedliche Entwicklungen beeinflusst: Steigt die Temperatur, dehnt sich das Meerwasser aus (thermischen Ausdehnung) – dieses Phänomen lässt sich ziemlich zuverlässig berechnen. Wesentlich schwieriger ist es hingegen, die Zunahme der Ozeanmasse durch das Abschmelzen von Eis zu prognostizieren.

Dennoch ist die Antwort auf die Frage «Liegt die Schweiz in 100 Jahren am Mittelmeer?» klar: Mit Sicherheit nicht. Bern zum Beispiel befindet sich auf einer Höhe von 550 Metern über Meer und damit weit über dem als Folge des Klimawandels prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels. Regionen und auch Megacities in Küstennähe wie Manila, Dhaka oder Bangkok jedoch werden trotz Küstenschutzmassnahmen den Anstieg des Meeresspiegels empfindlich zu spüren bekommen.

«Warum braucht es im Weltall Ausweichmanöver?»

Im Gebäude der Exakten Wissenschaften erfuhr man im Treppenhaus alles über Satelliten; der richtige Ort also, um dem Thema Ausweichmanöver im Weltall auf den Grund zu gehen. 

Anschauliche Demonstration, wie Satelliten funktionieren. © Universität Bern, Bild: Ramon Lehmann
Anschauliche Demonstration, wie Satelliten funktionieren. © Universität Bern, Bild: Ramon Lehmann

Ausweichmanöver von Satelliten sind manchmal notwendig, um Kollisionen mit anderen Raumfahrzeugen oder auch mit Weltraumschrott zu vermeiden. Mitarbeitende des Astronomischen Instituts erklärten, wie zum Beispiel im Observatorium Zimmerwald Beobachtungen mit Teleskopen durchgeführt werden, um die Bahnen von Weltraumschrott zu bestimmen. Diese Bestimmungen von genauen Bahnen erlauben es, Kollisionen von Weltraumschrott mit Satelliten vorauszuberechnen und die Satelliten aus der «Schusslinie» zu manövrieren. Mehr als 20’000 Weltraumschrottteile, die die Erde umkreisen, sind grösser als ein Tennisball. Sie reisen mit Geschwindigkeiten von bis zu 30’000 km/h – für relativ kleine Teile schnell genug, um einen Satelliten oder ein Raumfahrzeug zu beschädigen. Damit aber nicht genug: Es gibt 500’000 Weltraumschrottteile, die gleich gross oder größer sind als eine Murmel und viele Millionen von noch kleineren Stücken von Trümmern. Die Zunahme von Weltraumschrott erhöht die potentielle Gefahr für alle Weltraumfahrzeuge, vor allem aber für die Internationale Raumstation (ISS), Raumschiffe und andere Raumfahrzeuge mit Menschen an Bord. Die ISS zum Beispiel unternimmt im Schnitt pro Jahr 1.5 Manöver, um Weltraumschrott auszuweichen.

«Wie weiss ein Medikament, wo es hinmuss?»

Um herauszufinden, wie ein Medikament in unserem Körper an der richtigen Stelle wirkt, war ein Besuch beim NCCR TransCure angesagt im Untergeschoss des UniS-Gebäudes. Beim Nationalen Forschungsschwerpunkt NCCR TransCure handelt es sich um ein Forschungs-Netzwerk mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Schweiz, das vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert und von der Universität Bern geleitet wird.

Forschung erlebbar gemacht für Gross und Klein beim NCCR TransCure. © Universität Bern, Bild: Franziska Rothenbühler
Forschung erlebbar gemacht für Gross und Klein beim NCCR TransCure. © Universität Bern, Bild: Franziska Rothenbühler

Zu erfahren gab es Folgendes: Sobald ein Medikament in unseren Körper gelangt – dies kann auf unterschiedlichen Wegen passieren –  gelangt es in den Blutkreislauf, zirkuliert durch verschiedene Organe und wird nur an bestimmte Elemente unserer Zellen andocken. Im Prinzip funktioniert das wie mit einem Schlüssel, der nur in ein bestimmtes Schlüsselloch passt. Viele dieser Zielorte von Medikamenten sind sogenannte Membrantransporter, die Substanzen in unsere Zellen hinein und heraus transportieren. Medikamente können einfach an die Membrantransporter andocken, da diese sich an der Zelloberfläche befinden. Ein Beispiel ist Amilorid, das die Natriumkanäle in den Nieren blockiert und so dazu führt, dass mehr Natrium abgebaut werden kann und Bluthochdruck reduziert wird. Ein anderes Beispiel ist Digoxin, das zur Gruppe der sogenannten Herzglykosiden gehört. Dieses Medikament kann die Schlagkraft des Herzens erhöhen, indem es Einfluss nimmt auf den Natrium-Kalium-Transportmechanismus. Das menschliche Genom kodiert etwa 2'000 dieser Transporter.

Bis jetzt wurden aber nur einige wenige davon genutzt, um Krankheiten zu behandeln. Der Nationale Forschungsschwerpunkt TransCure untersucht genau solche Transporter, die noch nicht als Andockstellen für Medikamente bekannt sind.

«Warum schlafen wir?»

Gleich nebenan hatte die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie einen Raum rund um das Thema Schlaf eingerichtet.

Sofort wird klar: Schlaf ist weit mehr als nur eine passive Ruhephase für unser Gehirn. Der Schlaf ist nämlich ein komplexer, aktiver Prozess, der Gehirnfunktionen wiederherstellt. Er ist entscheidend fürs Lernen und für unser Gedächtnis, für die Gehirnplastizität und die Regulierung von Emotionen, um nur einige Funktionen zu nennen. Schlaf ist aber nicht nur für das Gehirn wichtig. Die Immunabwehr, die Herz-Kreislauf-Gesundheit und die Appetitregulation sind alle mit dem Schlaf verbunden. 

Viel Wissenswertes zum Thema Schlaf. © Universität Bern, Bild: Franziska Rothenbühler
Viel Wissenswertes zum Thema Schlaf. © Universität Bern, Bild: Franziska Rothenbühler

Trotz der wissenschaftlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Schlafforschung, die dessen Bedeutung für unser Gehirn und Körper zeigen, ist die Antwort auf die Frage, warum wir schlafen, letztendlich noch unklar. Eine einheitliche Theorie des Schlafes gibt es also noch nicht. Es bleibt also im Moment nur festzustellen, dass wir schlafen, weil wir ohne genügend Schlaf müde und übellaunig werden und nicht normal funktionieren können.

«Wie tönte die Industrialisierung?»

Im Hauptgebäude war das Institut für Musikwissenschaft zu Gast. In einem «Pariser Salon» konnte die Klangwelt der Weltausstellungen im 19. Jahrhundert erkundet werden. Der geeignete Ort also, um der Frage nachzugehen, wie die Industrialisierung klang. 

Im «Pariser Salon» des Instituts für Musikwissenschaft. © Universität Bern, Bild: Manu Friederich
Im «Pariser Salon» des Instituts für Musikwissenschaft. © Universität Bern, Bild: Manu Friederich

Mensch und Natur rufen seit jeher Klänge hervor, die Industrialisierung veränderte aber den Klangraum nachhaltig. Im Gegensatz zur handwerklichen Aktivität konnten Maschinen kontinuierlich unfassbar laut sein: Webereien, Näh- und Dampfmaschinen polterten und ratterten enorme Geräuschpegel zusammen, denen nicht nur Arbeiterinnen und Arbeiter ausgeliefert waren.

Die Landflucht führte zur klanglichen Trennung von Stadt und Land. In der Stadt wich das Pferdegetrappel dem Verkehr, auf dem Land durchzog Traktorenlärm eine immer stiller werdende Dorfszenerie. Auch die Natur blieb davon nicht unberührt. Industrielle Geräusche begannen auch den gesamten Luftraum zu sättigen, so das Rauschen von Strassen oder der Lärm von Rettungshubschaubern.

Wer fragt, wird belohnt

Eindrücklich und erkenntnisreich war der Rundgang an der «Nacht der Forschung». Und die vielen Forschenden schienen durchaus Gefallen zu finden, für ein paar Stunden ihre Büros und Labors zu verlassen und Gross und Klein zu erklären, was sie denn so tun an der Universität Bern.

ZUR AUTORIN

Brigit Bucher arbeitet als Stv. Leiterin Corporate Communication an der Universität Bern und ist Redaktorin bei «uniaktuell».

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