Kommentar zum Zweitwohnungsgesetz soll mehr Klarheit schaffen

Das Zweitwohnungsgesetz ist ein häufig diskutiertes Thema, besonders natürlich in den davon betroffenen Gemeinden. Anlässlich eines Symposiums der Universität Bern in Adelboden referierten verschiedene Expertinnen und Experten über das teils komplexe Gesetz und tauschten sich über erste Erfahrungen in der Praxis aus. Im selben Rahmen fand eine Buchvernissage für den von Angehörigen sowie Absolventinnen und Absolventen der Universität Bern verfassten Kommentar zum Zweitwohnungsgesetz (ZWG) unter Einbezug der Zweitwohnungsverordnung (ZWV) statt.

Von Bettina Spichiger 10. August 2017

Zweitwohnungen sind in der Schweiz keine Seltenheit. Insgesamt bestehen rund 500‘000 Zweitwohnungen, die vor allem in den vom Tourismus stark geprägten Regionen der Kantone Graubünden, Wallis, Tessin, Waadt und Bern gelegen sind. Angesichts der damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen wurde am 11. März 2012 die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» von Volk und Ständen knapp angenommen. Als Folge davon wurde Art. 75b in die Bundesverfassung eingeführt, welcher den Anteil zugelassener Zweitwohnungen in einer Gemeinde auf 20 Prozent beschränkt. Die Verfassungsbestimmung wird nunmehr durch das am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Ausführungsgesetz (ZWG) und die dazugehörige Verordnung (ZWV) ausgeführt.

Kommentar zum Zweitwohnungsrecht – ein «Kind» der Berner Fakultät

Im August 2017 ist der Kommentar «Zweitwohnungsgesetz (ZWG) – unter Einbezug der Zweitwohnungsverordnung (ZWV)» in der Reihe Stämpflis Handkommentar erschienen. Das von Prof. Dr. Stephan Wolf und Dr. Aron Pfammatter herausgegebene Werk enthält die erste umfassende Darstellung des schweizerischen Zweitwohnungsrechts. Im Anschluss an eine allgemeine Einleitung folgt die detaillierte Kommentierung der einzelnen Artikel des Zweitwohnungsgesetzes unter Einbezug der jeweils zugehörigen Verordnungsbestimmungen. Die Autoren des Werks sind allesamt ehemalige Absolventinnen und Absolventen und teilweise auch heutige Angehörige der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern.

v.l.n.r.: Stephan Wolf (Hrsg.), Stephan Grieb (Stämpfli Verlag), Aron Pfammatter (Hrsg.)
v.l.n.r.: Stephan Wolf (Hrsg.), Stephan Grieb (Stämpfli Verlag), Aron Pfammatter (Hrsg.)

Stephan Wolf sagt: «Fragen des Zweitwohnungsrechts werden an der Universität Bern in Forschung und Lehre sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext untersucht und behandelt.» So ist der nun erschienene Kommentar auch in Fortführung eines am 21. Mai 2014 an der Universität Bern veranstalteten rechtsvergleichenden Symposiums zur schweizerischen Zweitwohnungsgesetzgebung und zu den Grundverkehrsbeschränkungen in Tirol entstanden (siehe dazu auch den «uniaktuell»-Artikel vom 28. Mai 2014).

Rechtsvergleichung und erste praktische Erfahrungen

Das Erscheinen dieses Werks bildete den Anlass zu einem Symposium, bei welchem die ersten Erfahrungen und Entwicklungen des Zweitwohnungsrechts von praktisch tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und Notarinnen und Notaren sowie Vertreterinnen und Vertretern der damit befassten Behörden besprochen und diskutiert wurden. Das Symposium mit Buchpräsentation fand am 4. August 2017 in Adelboden statt. Gemäss dem Wohnungsinventar des Bundesamtes für Raumentwicklung wies die Gemeinde Adelboden per 31. Dezember 2016 einen Zweitwohnungsanteil von 61,8 Prozent auf und ist damit dem Zweitwohnungsrecht unterstellt.

v.l.n.r.: Stephan Grieb (Stämpfli Verlag), Fabian Mösching (Autor), Isabelle Nuspliger (Autorin), Stephan Wolf (Hrsg.), Beat Stalder (Autor), Christoph Jäger (Autor), Ernst Hauser (Autor), Aron Pfammatter (Hrsg.)
v.l.n.r.: Stephan Grieb (Stämpfli Verlag), Fabian Mösching (Autor), Isabelle Nuspliger (Autorin), Stephan Wolf (Hrsg.), Beat Stalder (Autor), Christoph Jäger (Autor), Ernst Hauser (Autor), Aron Pfammatter (Hrsg.)

Nach der Begrüssung und Einleitung durch Prof. Dr. Stephan Wolf legte der in Innsbruck tätige Rechtsanwalt Dr. Axel Fuith die Situation in Österreich, besonders im Bundesland Tirol, dar. Er besprach rechtsvergleichend die unterschiedlichen Ansätze zur Regelung der Zweitwohnungsproblematik und wies insbesondere darauf hin, dass in Österreich keine nationale Ordnung bestehe, sondern je nach Bundesland eine unterschiedliche Regelung vorliege. Im Bundesland Tirol etwa darf der Anteil an Freizeitwohnsitzen am Gesamtwohnungsbestand 8 Prozent nicht überschreiten.

Dr. Aron Pfammatter, Rechtsanwalt und Notar in Brig, stellte das schweizerische Zweitwohnungsgesetz in einem Überblick vor. Er fasste den Anwendungsbereich und verschiedene Begrifflichkeiten präzise zusammen und wies auf erste Erfahrungen und Auswirkungen auf die Gemeinden hin. Ebenfalls erste praktische Erfahrungen schilderte Ariane Nottaris, Fürsprecherin und Regierungsstatthalter-Stellvertreterin Frutigen-Niedersimmental. Dabei wies sie auch auf Zusammenhänge mit der Lex Koller und dem Raumplanungsrecht hin.

Pragmatische Ansätze in Adelboden

In einer anschliessenden Podiums- und Plenumsdiskussion unter der Leitung von Prof. Dr. Beat Stalder wurden neben rechtlichen auch weitere, namentlich wirtschaftliche, bauliche und touristische Folgen der Zweitwohnungsgesetzgebung einbezogen. Dabei wurde die provokative Frage aufgeworfen, ob das Zweitwohnungsgesetz überhaupt sinnvoll und praktisch anwendbar sei. Insbesondere die Abwanderung des Baugewerbes und der damit einhergehende Verlust von Steuersubstrat sowie die eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten beim Vollzug des Gesetzes wurden thematisiert. Urs Pfenninger, Kurdirektor von Adelboden, betonte: «Es braucht mehr Kreativität in der Formulierung von Lösungsansätzen.» Die Gemeinde und der Tourismus wollen beispielsweise Anreize schaffen, dass bestehende Zweitwohnungen mit einheimischem Gewerbe saniert werden. Adelboden könnte dadurch der Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Mietwohnungen gerecht werden und der gewünschten ganzjährigen Belegung näherkommen. Die Gemeinde Adelboden verfolgt insofern einen pragmatischen Ansatz. Wolf sagt: «Der nun vorliegende Kommentar soll einen Beitrag zur Klärung der zahlreichen offenen Fragen und Unsicherheiten im Zweitwohnungsrecht  leisten.»

DAS ZIVILISTISCHE SEMINAR

Das Zivilistische Seminar ist zuständig für Lehre und Forschung im Bereich des Privatrechts (schwergewichtig im Obligationenrecht und im Zivilgesetzbuch). Die einzelnen Ordinariate befassen sich nicht nur mit Grundfragen aus diesen Rechtsbereichen, sondern richten darüber hinaus im Rahmen von wissenschaftlichen Publikationen, Tagungen, Masterveranstaltungen etc. auch ein grosses Augenmerk auf spezielle Problemkreise, etwa aus dem Notariatsrecht, dem Erbrecht, dem Bank- und Kapitalmarktrecht, dem Haftpflicht- und Versicherungsrecht, dem Mietrecht und dem internationalen Kaufrecht.

ZUR AUTORIN

Bettina Spichiger, BLaw, ist Hilfsassistentin am Zivilistischen Seminar der Universität Bern, Abteilung von Prof. Dr. Stephan Wolf.

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