Sommerserie: Ganz schön stark
Was wollen die Schülerinnen und Schüler einer Sek-Klasse aus Ostermundigen zur Forschung der Universität Bern wissen? Die Fragen der Jugendlichen und die Antworten der Forschenden bilden den Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «UniPress». In der diesjährigen Sommerserie blickt «uniaktuell» zurück auf die Begegnungen. Dieses Mal mit Paolo, Dylan, Emre, Daria und Emmanuel, die den Sportdozenten Roland Schütz trafen.
Wie man Muskeln aufbauen kann, möchten Paolo Grieco, Dylan Siegenthaler, Emre Aticioglu, Daria Jorns und Emmanuel Sterchi wissen. Einfach um grosse Muskeln zu bekommen? Oder um Kraft zu bekommen, um sich in einer Sportart zu verbessern? – Nein, das ist nicht das Gleiche, erfahren die fünf von Sportdozent Roland Schütz.

Dylan, Emre und Paolo sind Fussballer. Daria ist seit zehn Jahren Kampfsportlerin und seit drei Jahren Bogenschützin. Emmanuel macht keinen bestimmten Sport, ist aber als Pfadfinder immer gerne draussen. Die Frage, welche die fünf Jugendlichen ihrem Gastgeber Roland Schütz vom Institut für Sportwissenschaft stellen, dreht sich jedoch nicht um dieses alltägliche Sportprogramm. Sie dreht sich darum, wie man muskulös und stark wird. Was nur auf den ersten Blick eine simple Frage ist.
Alle: Wie werden Muskeln aufgebaut?
Roland Schütz: Eine sehr allgemeine Frage … Geht es euch vor allem darum, grosse Muskeln zu bekommen, oder geht es darum, schnell viel Kraft zu bekommen?
Für grosse Muskeln
Paolo interessiert sich für grosse Muskeln, Emre für viel Kraft. Roland Schütz beginnt mit der Anleitung für die grossen Muskeln: «Da musst du Methoden wählen, die im Bodybuilding üblich sind. Du musst eine Übung wählen, die den Muskel, den du vergrössern möchtest, auch wirklich belastet. Die Übung solltest du so gestalten, dass du sie mit allergrösster Anstrengung zehn bis zwölf Mal durchführen kannst, bis der Muskel wirklich ausgepowert ist. Davon machst du drei Serien, dazwischen drei Minuten Pause. Das Ganze zwei bis drei Mal pro Woche.»
Aber Achtung: «Für gewisse Muskeln kann ein Gewicht, das man zehn Mal heben mag, schon ziemlich schwer sein, da muss man aufpassen. Wenn man zum Beispiel die Beine trainieren möchte und Kniebeugen macht, also Gewicht auf den Rücken nimmt und damit rauf und runter geht, und so viel Gewicht stemmt, wie man mit den Beinen gerade noch mag, dann kann das für den Rücken bereits zu viel sein. Also muss man sehr sorgfältig aufbauen, man kann nicht von Anfang an wie wahnsinnig dahinter.»
Für viel Kraft
Dann zündet Roland Schütz die zweite Stufe: Wie hängen nun Muskeln und sportliche Leistung zusammen?
Schütz: Wenn man so trainieren möchte, dass man möglichst viel Kraft hat, dann muss man erst mal wissen, für welche Sportart man viel Kraft möchte. Könnt ihr mir Sportarten sagen, bei der dicke Muskeln und auch relativ viel Gewicht sicher kein Nachteil sind?
Alle: Eishockey … Rugby …
Schütz: Genau. Und beim Fussball – habt ihr da gerne viele dicke Muskeln?
Emre: Nein, die meisten Fussballer haben eigentlich nicht so sehr dicke Muskeln.
Schütz: Und warum nicht?
Emre: Man wäre dann ein wenig unbeweglicher.
Schütz: Genau, und man muss die Muskeln 90 Minuten lang herumschleppen, das ist anstrengend. Ein Schwinger hingegen hat gerne dicke Muskeln, die muss der Gegner erst mal lüpfen können. Aber es gibt auch Sportarten wie Klettern, da braucht man sehr viel Kraft – die können ihren Körper an einem einzigen Finger raufziehen! Trotzdem möchte man zum Klettern möglichst leichte, dünne Muskeln. Dies gilt auch in der Leichtathletik, beim Hochsprung zum Beispiel: Die wollen extreme Sprungkraft, aber extrem wenig Gewicht.
In diesem Fall ist die Trainingsanleitung eine andere als für die fetten Muskelpakete: «Man muss den Muskel ganz kurz – und ganz intensiv – belasten. Denn im Muskel drin hat es Eiweiss-Fäden, die sich zusammenziehen. Dadurch wird Kraft generiert. Aber diese Eiweiss-Fäden ziehen sich nie alle gleichzeitig zusammen. Das können sie nicht, weil sie das nicht geübt haben. Durch Trainingsformen, bei denen man ganz kurz alles gibt, kann man die Eiweissfäden dazu bringen, sich alle gleichzeitig zusammenzuziehen. Das gibt mehr Kraft. Ein solches Training kann mit sehr viel Gewicht und nur zwei bis drei Wiederholungen erfolgen.»
Im Testlabor
Auf die Theorie folgt die Praxis. «Was unsere Studierenden in der Vorlesung hören, das sollen sie gleich ausprobieren können», betont Roland Schütz. Das gilt selbstverständlich auch für die fünf Gäste. Wir steigen in den Keller des Institutsgebäudes und befinden uns unvermittelt in einem Tüftlerlabor im Neonlicht. Neben einem Laufband und einem Veloergometer stehen weitere Geräte, deren Sinn sich dem Laien nicht sogleich erschliessen mag, und überall hat es Bildschirme und Kabel. «Ein bisschen ein Gnusch», entschuldigt sich Schütz, «aber daran sieht man, dass hier gearbeitet wird.» Die Studierenden können hier für ihre Arbeiten nicht nur Pulsmessungen machen, sondern auch Blut nehmen und das Laktat untersuchen, das anzeigt, wie sehr man sich anstrengt. Oder mit einer Maske auf dem Kopf messen, wieviel Sauerstoff man während einer bestimmen Übung verbraucht.

Roland Schütz setzt sich in eine Apparatur, greift sich einen grossen Hebel und zieht fünf Sekunden lang mit voller Pulle daran. «Ein Kraftmessgerät für den Bizeps», erklärt er, und liest auf dem Bildschirm seinen Wert ab: «39». Dann blickt Schütz herausfordernd in die Runde und ruft: «So, jetzt nimmt es mich aber Wunder, wie stark ihr seid!» Der erste der Jungs schafft 70. Der zweite 84. Der dritte 60. Der vierte 57. Dann kommt Daria. «86!», verkündet Roland Schütz und pfeift anerkennend. Die Jungs blicken konsterniert. «Wie muss man genau ziehen?», fragt einer. «Wir wissen nun nicht, ob du eine andere Technik angewandt hast, Daria, oder ob du wirklich die Kräftigste bist», meint Schütz. – «Ich hab ganz normal gezogen», gibt Daria zurück. Wenn Studierende hier mit einer Gruppe Tests machten, müssten sie auf genau solche Dinge achten, damit die Resultate objektiv seien, betont Schütz.
Unipress 171: Sie fragen, wir antworten

«Sie Fragen, wir antworten» lautet der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe von «UniPress», dem Wissenschaftsmagazin der Universität Bern. Schülerinnen und Schüler der Sekundarklasse S9b aus Ostermundigen haben Forschenden der Universität Bern Fragen gestellt.
Nacht der Forschung

Am Samstag, 16. September 2017, lädt die Universität Bern zur dritten Nacht der Forschung. An diesem grossen Wissensfest gibt die Universität einen Einblick in ihre Forschung – verständlich erklärt und unterhaltsam präsentiert. Die «Nacht der Forschung» findet zwischen 16.00 und 24.00 Uhr in den drei Gebäuden der Universität Bern rund um die Grosse Schanze und auf dem Areal um die Gebäude herum statt.
Zu den Autoren
Timm Eugster arbeitet als Redaktor bei UniPress, Ivo Schmucki als Hochschulpraktikant Corporate Communication an der Universität Bern.