Sommerserie: Mit Eisbohrkernen in die Vergangenheit blicken
Was wollen die Schülerinnen und Schüler einer Sek-Klasse aus Ostermundigen zur Forschung der Universität Bern wissen? Die Fragen der Jugendlichen und die Antworten der Forschenden bilden den Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «UniPress». Die Sommerserie in «uniaktuell» zeigt die Highlights dieser Begegnungen. Den Start machen Milena, Alper und Rafael, die auf den Klimawissenschaftler Hubertus Fischer trafen.
Wir treffen Milena Walther, Alper Simsek und Rafael Tunic am Eingang zum Gebäude der Exakten Wissenschaften an der Sidlerstrasse. Unser Gastgeber ist Klimaphysiker Hubertus Fischer, die Begrüssung erfolgt bei bestem Wetter. Ein kurzes Posieren neben der Einstein-Büste ist vor dem Gespräch aber einfach nötig. Den Mann mit der frechen Zunge kennen schliesslich alle.
Wie wäre das Klima ohne Menschen?
Milena, Alper und Rafael stellen Fragen. Sie möchten wissen, wie denn das Klima ohne die Menschen aussähe. Hubertus Fischer holt aus. «Den Menschen, wie wir ihn heute kennen, gibt es seit zirka 200 000 Jahren. Die Erde ist aber viel älter.» Was wissen wir denn über die Zeit vor den Menschen? «Anhand von Klimaarchiven kann die Wissenschaft das Klima der Vergangenheit relativ genau rekonstruieren. Wir können daraus schliessen, dass das Klima heute ohne Menschen deutlich kühler wäre.» Ein wichtiges Klimaarchiv ist das Eis: Die Eismassen in Grönland und der Antarktis sind zum Teil sehr alt. «Darum machen wir dort Eisbohrungen. Die in den Kernen eingeschlossenen Luftblasen geben Auskunft über den jeweiligen CO2-Gehalt zu einer bestimmten Zeit», erklärt Fischer. So konnte auch die Kurve erstellt werden, die wir im Korridor bestaunt haben.
Hubertus Fischer sagt, dass für die letzten 15 Zentimeter der Kurve, also die mit dem steilen Anstieg, ein neues Wort für unser Erdzeitalter diskutiert werde: Anthropozän. Dieser Begriff definiert den Zeitabschnitt, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren für die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. «In den letzten 150 Jahren – seit Beginn der Industrialisierung – ist das Klima im Mittel 0,8 Grad wärmer geworden» sagt Fischer. Ob diese 0,8 Grad denn schlimm seien, will Alper wissen. «Es gab schon früher Temperaturschwankungen. Aber der aktuelle Klimawandel ist vor allem ein Problem für die acht Milliarden Menschen, die davon betroffen sind», warnt der Klimaphysiker. Die Klimaerwärmung führt unter anderem dazu, dass der Meeresspiegel steigt. Da etwa ein Viertel aller Menschen in tiefgelegenen Regionen wohnt, ist dieser Anstieg für Millionen von Menschen in Küstennähe lebensbedrohend. Zudem ist die Geschwindigkeit der globalen Klimaänderung viel grösser als in der Vergangenheit und bringt die Anpassungsfähigkeit der Menschen und der Gesellschaften an ihre Grenzen.
Im Eislabor
Das Eislabor ist ein überdimensionierter Gefrierschrank mit Fenster. Im Innern beträgt die Temperatur minus 22 Grad, «wie im Arktischen Sommer» witzelt Hubertus Fischer. Bis zu acht Stunden täglich hat er während seiner Doktorarbeit und auch später in solchen Eislabors verbracht. Das wäre nicht möglich, gäbe es nicht spezielle Kleider und Schuhe, die für den Einsatz in grosser Kälte entworfen wurden.
Was für die Arktis und die Antarktis taugt, taugt auch fürs Eislabor. Hier werden die Eisbohrkerne untersucht, ihre Zusammensetzung analysiert und mit ausgeklügelten Methoden der CO2-Gehalt bestimmt. Fischer gibt Milena, Alper und Rafael einen Beutel mit 20 000 Jahre altem Eis und deutet auf die Luftblasen: «Die Zusammensetzung dieser Blasen interessiert uns. Eisbohrkerne sind die einzigen Klimaarchive, mit denen die Zusammensetzung der Atmosphäre der Vergangenheit direkt rekonstruiert werden kann.» Darin ist die Universität Bern seit Jahrzehnten führend. Und Hubertus Fischer ist zu bescheiden, zu erwähnen, dass er die hierfür nötigen Verfahren entscheidend weitergebracht hat.
Unipress 171: Sie fragen, wir antworten
«Sie Fragen, wir antworten» lautet der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe von «UniPress», dem Wissenschaftsmagazin der Universität Bern. Schülerinnen und Schüler der Sekundarklasse S9b aus Ostermundigen haben Forschenden der Universität Bern Fragen gestellt.
Nacht der Forschung
Am Samstag, 16. September 2017, lädt die Universität Bern zur dritten Nacht der Forschung. An diesem grossen Wissensfest gibt die Universität einen Einblick in ihre Forschung – verständlich erklärt und unterhaltsam präsentiert. Die «Nacht der Forschung» findet zwischen 16.00 und 24.00 Uhr in den drei Gebäuden der Universität Bern rund um die Grosse Schanze und auf dem Areal um die Gebäude herum statt.
Zu den Autoren
Marcus Moser arbeitet als Leiter Corporate Communication, Ivo Schmucki als Hochschulpraktikant Corporate Communication an der Universität Bern.