Sommerserie: Wenn ein Paar den Glauben nicht teilt
Was wollen die Schülerinnen und Schüler einer Sek-Klasse aus Ostermundigen zur Forschung der Universität Bern wissen? Die Fragen der Jugendlichen und die Antworten der Forschenden bilden den Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «UniPress». In der diesjährigen Sommerserie blickt «uniaktuell» zurück auf die Begegnungen. Diesmal mit Helin Son, Lidia Muñoz und Sabrina Violo, die bei der Theologin Stefanie Lorenzen zu Besuch waren.
«In unserer Klasse sind ganz verschiedene Religionen vertreten», erzählt Sabrina, «und bei allen ist alles eben ein bisschen anders». Das beobachten die beiden Katholikinnen Lidia und Sabrina und die Muslimin Helin, das interessiert sie, darüber sprechen sie mit ihren Freundinnen. Und jetzt mit der evangelischen Theologin Stefanie Lorenzen. Die Frage, die sie in der Dreiergruppe formuliert und mitgebracht haben, ist sehr konkret: «Können Angehörige verschiedener Religionen heiraten?»

Was den Akt auf dem Standesamt betrifft, ist die Antwort rasch gegeben: «Zivil können Menschen aller Religionszugehörigkeiten einander heiraten», stellt Lorenzen klar: «Daher ist es ganz normal, dass man heute viele gemischt-religiöse Ehen findet.»
Katholisch-evangelisch
Auf der Ebene der Religionen und ihrer Rituale hingegen gebe es ganz unterschiedliche Regelungen. Lorenzen holt tief Luft und steigt mit dem Christentum ein: «Christen unterschiedlicher Konfessionen – also zum Beispiel katholisch und evangelisch – können untereinander kirchlich heiraten. Solche sogenannten ökumenischen Trauungen sind mittlerweile üblich und unproblematisch.» Doch das sei noch nicht lange so: «Vor wenigen Jahrzehnten sind zum Beispiel in einem katholischen Dorf die Leute nicht mehr zum Bäcker gegangen, wenn er eine evangelische Frau geheiratet hat – und umgekehrt.»
Islamisch-katholisch
Lorenzen hält inne. «Vielleicht interessiert euch ja eine spezielle Kombination?» – Ja, Lidia möchte wissen, ob jemand mit islamischem Glauben jemand Katholisches heiraten kann. – «In der muslimischen Tradition geht das, wenn der Mann Muslim ist. Er kann also zum Beispiel eine christliche Frau heiraten, aber eine muslimische Frau kann in der Regel keinen christlichen Mann nach muslimischem Ritus heiraten. Könnt ihr euch vorstellen, warum das so ist?» – Vielleicht wegen der Eltern, die das nicht wollen, vermuten die jungen Frauen. – «Es geht darum, dass die Kinder muslimisch erzogen werden sollen. Und man geht davon aus, dass der Mann das letzte Wort in der religiösen Erziehung hat und sich sozusagen religiös durchsetzen kann. Umgekehrt wird es als schwieriger eingeschätzt: Wenn eine muslimische Frau zum Beispiel einen christlichen Mann heiratet, hat man Angst, dass die Familie sich insgesamt christlich orientiert.»
Und nun zum römisch-katholischen Standpunkt: Auch da sei die Ehe mit der Verpflichtung verbunden, dass die Kinder katholisch erzogen – und getauft – werden. «Dieser Anspruch beider Religionen auf die Kinder birgt natürlich Konfliktstoff», so Lorenzen. Sind katholische Erziehung und Taufe gesichert, sei eine muslimisch-katholische Ehe jedoch möglich – «allerdings gilt sie nicht als Sakrament, also als von Christus eingesetzte besondere Form, Gott zu begegnen.» Und: «Eine solche Hochzeit muss der Bischof durch eine sogenannte Dispens als Ausnahme genehmigen.» Nun sind es die Gäste, die grosse Augen machen und höchst konzentriert auch dem abschliessenden Satz lauschen: «Auf evangelischer Seite hingegen ist die Ehe kein Sakrament und das Versprechen der Kindertaufe und der religiösen Erziehung ist nicht unbedingt erforderlich.»
Jüdisch-jüdisch
Neu ist den Gästen auch, dass Ehen nach jüdischem Ritus traditionell ausschliesslich zwischen Jüdinnen und Juden geschlossen werden können. Lorenzen: «Das hat seinen Grund auch darin, dass die weit verstreuten jüdischen Gemeinden oft starker Verfolgung ausgesetzt waren. Da ist es zentral, dass die Religion stets von den Eltern auf die Kinder weitergegeben wird – und das ist natürlich sicherer, wenn beide Ehepartner den selben Glauben haben.»
In der Bibliothek
Die Gastgeberin nimmt ihren Ehering vom Finger und zeigt ihn den Schülerinnen: «Kennt ihr die Tradition des gegenseitigen Ringe-Ansteckens?» – «Ja, und dann sprechen beide noch einen Spruch, den sie vorher mit dem Pfarrer vereinbart haben», erzählt Lidia. Das sei ein ganz zentraler Moment einer Hochzeit, betont Lorenzen. Bei katholischen Trauungen würden die Ringe noch gesegnet und mit Weihwasser besprengt. Im muslimischen Bereich gebe es ursprünglich keine Trauringe, es gebe aber Paare, die trotzdem welche tragen. Davon hat Helin noch nie gehört – dafür erzählt sie vom Ritual des Henna-Abends.

Helin: Traditionellerweise dürfen nur Frauen da sein – und der Bräutigam und die Braut natürlich. Alle ziehen sich rot an, die Braut vor allem, und dann macht eine Frau, die glücklich verheiratet ist, die Henna-Paste. Man sagt, die Pflanze ist im Paradies gewachsen, und deshalb macht es eine Frau, die glücklich verheiratet ist, damit das Glück auf das zukünftige Paar übergeht. Dann werden die Hände der beiden verziert und eine Münze draufgelegt und anschliessend wird getanzt und gefeiert. Das alles ist vor der Hochzeit. Bei der Hochzeit ist es so, dass die Frau normal, also weiss angezogen ist und der Bräutigam schwarz, also normal, und es wird viel getanzt …»
Lidia: In Spanien gibt es auch spezielle Bräuche. Bei meinen Eltern war es so, dass sie mit einem Schwert den Kuchen schneiden mussten. Oder dann gibt es den Brauch, dass man Stecknadeln an die Kleider der Braut hängt und wenn sie eine verliert und eine Frau sie findet, dann wird sie in ihrem Eheleben auch Glück haben.
Lorenzen: Solche Bräuche sind gar nicht so stark religiös geprägt, sondern eher lokale Traditionen.
Lidia: Ja, das einzige, was religiös ist, ist der Anfang in der Kirche mit dem Pfarrer, das Fest hat dann nicht mehr viel mit Religion zu tun, da wird viel getanzt und gesungen.
Helin: Ich glaube, die Feste sind bei euch ähnlich gross wie bei uns …
UNIPRESS 171: SIE FRAGEN, WIR ANTWORTEN

«Sie Fragen, wir antworten» lautet der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe von «UniPress», dem Wissenschaftsmagazin der Universität Bern. Schülerinnen und Schüler der Sekundarklasse S9b aus Ostermundigen haben Forschenden der Universität Bern Fragen gestellt.
NACHT DER FORSCHUNG

Am Samstag, 16. September 2017, lädt die Universität Bern zur dritten Nacht der Forschung. An diesem grossen Wissensfest gibt die Universität einen Einblick in ihre Forschung – verständlich erklärt und unterhaltsam präsentiert. Die «Nacht der Forschung» findet zwischen 16.00 und 24.00 Uhr in den drei Gebäuden der Universität Bern rund um die Grosse Schanze und auf dem Areal um die Gebäude herum statt.
ZU DEN AUTOREN
Timm Eugster arbeitet als Redaktor bei UniPress, Ivo Schmucki als Hochschulpraktikant Corporate Communication an der Universität Bern.