Wie du mir, so ich allen

Hunde sind äusserst soziale Tiere, welche sowohl mit anderen Hunden, als auch mit dem Menschen kooperieren. Wenn ihnen zuvor von einem Artgenossen geholfen wurde, helfen sie anderen Hunden mit erhöhter Bereitschaft. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Ökologie & Evolution, die soeben im Journal «Scientific Reports» veröffentlicht wurde. Für «unikatuell» berichtet die Studienautorin Nastassja Gfrerer von den Ergebnissen.

Von Nastassja Gfrerer 16. März 2017

Hunde wurden vom Menschen seit je her gezüchtet und abgerichtet, um für ihn bestimmte Leistungen zu vollbringen beziehungsweise mit ihm zu kooperieren – sei dies in der Verteidigung eines Areals, im Hüten von Tieren, im Suchen von vermissten Dingen oder Personen oder auch als Assistenzhund. Inwieweit Hunde auch mit Artgenossen kooperieren, zeigt eine Studie des Instituts für Ökologie & Evolution.

Zwei von den Schweizer Armeehunden, mit denen die Versuche für die Studie durchgeführt wurden. Bild: zvg
Zwei von den Schweizer Armeehunden, mit denen die Versuche für die Studie durchgeführt wurden. Bild: zvg

Gleiche Kooperationsmuster bei Mensch und Tier?

Menschen werden hilfsbereiter, wenn ihnen zuvor geholfen wurde. Man spricht in diesem Fall von «Gegenseitigkeit» oder «Reziprozität». Erhöhte Hilfsbereitschaft kann dabei entweder einem vorherigen Helfer gegenüber gezeigt werden, oder auch irgendeinem anderen Mitglied der Gesellschaft. Wir sind zum Beispiel geneigt, im Strassenverkehr einem anderen Verkehrsteilnehmer den Vortritt zu lassen, wenn uns zuvor auch Vortritt gewährt wurde. Im Fachjargon wird das als «generalisierte Reziprozität» bezeichnet.

Solch generalisierte Reaktionen auf erfahrene Hilfe gibt es auch bei Wanderratten, wie vorangegangene Studien in der Abteilung Verhaltensökologie an der Universität Bern gezeigt haben. Es ist bislang aber nicht klar, wie weit verbreitet derartige Kooperationsmuster im Tierreich sind, beziehungsweise wo die evolutiven Wurzeln für unsere «grosszügige» Hilfsbereitschaft aufgrund erfahrener Hilfe liegen.

Schweizer Armeehunde helfen einem Partner, an Futter zu kommen

Dies war der Ausgangspunkt für eine Studie an Schweizer Armeehunden, die gerade im Fachmagazin «Scientific Reports» veröffentlicht wurde. Sind Hunde bereit, anderen Hunden zu helfen an Futter zu kommen, wenn ihnen zuvor in der gleichen Situation geholfen wurde? 

Anlage mit Privathunden im Pilotversuch: Ein Hund zieht am Seil, um dem Partnerhund ein Futterstück heranzuziehen. Er selbst bekommt hierfür keine Belohnung. Bild: zvg
Anlage mit Privathunden im Pilotversuch: Ein Hund zieht am Seil, um dem Partnerhund ein Futterstück heranzuziehen. Er selbst bekommt hierfür keine Belohnung. Bild: zvg
Versuchsanlage auf dem Armeegelände. Bilder: zvg
Versuchsanlage auf dem Armeegelände. Bilder: zvg

Die Hunde wurden darauf trainiert, an einem Seil zu ziehen, damit ihr Versuchspartner im Zwinger daneben Futter bekommt. Der Futter-beschaffende Hund bekam hierbei selbst nie eine Belohnung. Er konnte aber profitieren, wenn der Partner im nächsten Versuchsabschnitt dann für ihn Futter heranzog. Für dieses Experiment wurden unverwandte Rüden getestet, die vor dem Experiment noch keinen Kontakt zueinander gehabt hatten. Dies ist wichtig, damit die Hunde ihre Entscheidung zu kooperieren, oder nicht, nur auf die Erfahrung während des Experiments stützen konnten.

Direkte oder generalisierte Gegenseitigkeit?

Wenn den getesteten Hunden zuvor von einem Artgenossen geholfen worden war, zogen diese in der Folge mehr für ihren Versuchspartner, als wenn ihnen der Artgenosse vorher nicht geholfen hatte. Die Armeehunde zeigten also altruistisches Verhalten aufgrund vorher erfahrener Unterstützung.

Hunde in der Versuchsanlage auf dem Armeegelände. Bilder: zvg
Hunde in der Versuchsanlage auf dem Armeegelände. Bilder: zvg

Gilt ihre Hilfsbereitschaft aber bevorzugt dem vorherigen Helfer, was auf «direkte Reziprozität» schliessen liesse, oder macht sie erfahrene Hilfe generell hilfsbereiter? Um das zu untersuchen, wurden die Versuchstiere jeweils entweder mit dem gleichen Partner (Test auf «direkte Gegenseitigkeit») oder mit einem neuen Partner (Test auf «generalisierte Gegenseitigkeit») im angrenzenden Zwinger getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass Hunde ihre Entscheidung, einem Sozialpartner zu helfen, nicht auf ihre Erfahrung mit einem bestimmten Individuum stützen, sondern generell durch erfahrenen Beistand Artgenossen gegenüber hilfsbereiter werden – selbst wenn sie diese vorher nie getroffen hatten.

Hunde zeigen also generalisierte, aber nicht direkte Gegenseitigkeit, das heisst sie zeigen Hilfsbereitschaft gegenüber Artgenossen, wenn sie vorher bereits Hilfe erhalten haben und machen dabei keinen Unterschied, ob es sich beim Gegenüber um einen Hund handelt, der ihnen geholfen hat oder nicht. Sie sind damit die erste Tierart, die darauf getestet wurde und die ausschliesslich diese generalisierte Form von Reziprozität anwendet. 

Zur Person

Nastassja Gfrerer hat ihren Master in Biologie an der Universität Bern im Jahr 2013 abgeschlossen. Seit 2014 ist sie Doktorandin von Prof. Dr. Michael Taborsky in der Abteilung für Verhaltensökologie. Ihre Arbeit wird zusätzlich von Prof. Dr. Hanno Würbel von VetSuisse betreut. Neben ihrer Grundlagenforschung an der reziproken Kooperation der Armeehunde untersucht sie den Einfluss von chemischer Kastration auf die Leistungsbereitschaft der Armeehunde und führt regelmässig Sozialisierungstrainings für die Hunde in der Kaserne durch. Finanziell wird Nastassja Gfrerer von der Schweizer Armee unterstützt, sowie von der Haldimann Stiftung, der Margaret und Francis Fleitmann Stiftung und von der Albert Heim Stiftung.

Kontakt:

Nastassja Gfrerer (geb. Rieder)
Universität Bern
Institut für Ökologie und Evolution
nastassja.rieder@iee.unibe.ch

Das Institut für Ökologie & Evolution

Das Institut für Ökologie & Evolution hat zum Ziel, eine wissenschaftliche Basis für das Verständnis und die Erhaltung der lebenden Umwelt zu schaffen. Untersucht werden Mechanismen, durch die Organismen auf ihre Umwelt reagieren und mit ihr interagieren, einschliesslich Reaktionen auf individueller Ebene, Veränderungen in Genhäufigkeiten auf Populationsebene, der Dynamik in der Artenzusammensetzung bis hin zur Funktionsweise ganzer Ökosysteme. Die Abteilung  Verhaltensökologie erforscht insbesondere Mechanismen, die für die Evolution des Verhaltens verantwortlich sind. Sie bedient sich dabei vielfältiger Methoden aus der Evolutionsbiologie, Ökologie, Physiologie und der vergleichenden Analyse. Sie ist prinzipiell organismisch orientiert, verwendet aber auch Instrumente der Molekulargenetik, Immunologie, Parasitologie, Neurobiologie und Endokrinologie. Der wichtigste methodische Ansatz ist das Experiment, sowohl unter natürlichen als auch standardisierten Laborbedingungen.

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