Wieviel Staat braucht der Markt?

Am 23. Juni 2017 trafen sich rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Wissenschaft in der Aula der Universität Bern, um sich über Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Staat und Markt auszutauschen. Zu Gast waren unter anderen SBB-CEO Andreas Meyer, Nationalrat Urs Gasche, Ladina Heimgartner (SRG), Monika Rühl (economiesuisse), Carole Söhner-Bührer (WEKO), Prof. Aymo Brunetti (Universität Bern), Dr. Eric Scheidegger (SECO) und Sara Stalder (Stiftung für Konsumentenschutz).

Von Fabian Feger 30. Juni 2017

Trotz hohen Temperaturen nahmen rund 200 Teilnehmende am Swiss Governance Forum 2017 an der Universität Bern teil. Die Tagung war vom Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) organisiert worden und stand unter dem Motto «Unternehmen zwischen Staat und Markt». Der Rektor der Universität Bern, Prof. Dr. Christian Leumann, begrüsste die Anwesenden und verwies in seiner Eröffnungsrede darauf, dass Politik und Verwaltung ein Schwerpunktthema der Universitätsstrategie darstellen. Ebenfalls betonte er den Anspruch, Freiheit in der Lehre und in der Forschung zu gewährleisten und das universitär generierte Wissen auch in der Praxis einzubringen. 

Die ökonomische Rolle von Regulierung

Prof. Doina Radulescu, Professorin für «Staat und Markt» am Kompetenzzentrum für Public Management, eröffnete den inhaltlichen Teil des Swiss Governance Forums mit einem Vortrag zum Spannungsfeld zwischen Staat und Markt. Dabei betonte sie, dass Regulierung zwar aufgrund Marktversagen notwendig wird, gleichzeitig aber auch ein Missbrauchsrisiko durch Interessengruppen bestehe. Beispielsweise seien beim Verbot des Fahrdienstes Uber Individualinteressen ein entscheidender Faktor. Zum Abschluss ihres Vortrages verwies Prof. Radulescu auch auf die Herausforderungen im Umgang mit Daten. Diese gewinnen immer mehr an Bedeutung und könnten die marktbeherrschende Stellung von Unternehmen weiter festigen.

Herausforderungen für staatsnahe Unternehmen

Im Zuge der Gastreferate teilten prominente Vertreterinnen und Vertreter staatsnaher Unternehmen ihre Erfahrungen. Urs Gasche, Verwaltungsratspräsident der BKW, betonte dass eine Staatsbeteiligung am Unternehmen nicht nur mit Vorteilen verbunden sei, sondern die Handlungsfreiheit durch politische Interessen eingeschränkt würde. Ebenfalls wehrte er sich gegen die Forderung der Aufspaltung der BKW, da in diesem Falle Synergieeffekte zwischen einzelnen Unternehmenteilen verloren gingen. SBB CEO Andreas Meyer sieht kaum Zielkonflikte für die SBB, die als unternehmerisch geführter Leistungserbringer für den Staat fungiert. Gleichzeitig ermahnte er aber, dass die zukünftigen Folgekosten von Infrastrukturinvestition im politischen Entscheidungsprozess zu berücksichtigen sind. Im letzten Referat des Tages sprach Ladina Heimgartner, Direktorin RTR und Mitglied des Verwaltungsrates der SRG, über die Herausforderungen der SRG. Dabei kritisierte sie, dass die Politik immer zahlreichere Anforderungen an das Unternehmen stelle, gleichzeitig aber mit Regulierungen dessen Handlungsmacht beschränke. Das frühere Gleichgewicht drohe somit zu kippen.

Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion (von links nach rechts): Prof. Dr. Aymo Brunetti (Universität Bern), Sara Stalder (SKS), Reto Lipp (Moderator, SRF), Monika Rühl (economiesuisse), Dr. Eric Scheidegger (SECO) und Carole Söhner-Bührer (WEKO).
Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion (von links nach rechts): Prof. Dr. Aymo Brunetti (Universität Bern), Sara Stalder (SKS), Reto Lipp (Moderator, SRF), Monika Rühl (economiesuisse), Dr. Eric Scheidegger (SECO) und Carole Söhner-Bührer (WEKO).

Die Rolle von staatsnahen Unternehmen und ihre Regulierung

In der von Reto Lipp (SRG) moderierten und hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion wurde die Regulierung und Governance von staatsnahen Unternehmen aufgegriffen. Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse, steht der Expansion staatsnaher Unternehmen in Privatmärkte skeptisch gegenüber. Sie verstehe zwar, dass die Unternehmen zusätzliche Umsätze generieren wollen, doch sehe sie nicht ein, weshalb beispielsweise die Post in den Verkaufsstellen Süssigkeiten anbieten soll. Sara Stalder von der Stiftung Konsumentenschutz warnte generell vor dem Machtmissbrauch durch Unternehmen. Die von der SBB eingeführte Swisscard, die den gesamten Transport in der Schweiz abdeckt, sei zwar sehr praktisch, doch Konsumenten hätten keine Möglichkeit, auf Alternativangebote auszuweichen. Sie kritisierte insbesondere auch die automatische Verlängerung von Abonnements. Zuletzt stand der Umgang mit technologischen Entwicklungen und dem zunehmenden Wert von Daten im Fokus der Diskussion. Dr. Eric Scheidegger, Direktor des SECO, brachte an, dass Marktmacht nicht ausschliesslich an der Grösse der Unternehmen zu messen sei. Die Marktstellung von Unternehmen wie Google oder Facebook werde durch tiefe Markteintrittsbarrieren relativiert.  Theoretisch könne jedes Unternehmen  mit einem Laptop und Computerkenntnisse als ein Konkurrent im Markt tätig werden. Auch Carole Söhner-Bührer, Vizedirektorin im Sekretariat der WEKO, sah wenig Notwendigkeit Technologiegiganten in der Schweiz stärker zu regulieren. Aufgrund ihres internationalen Charakters seien die Bemühungen auf EU-Ebene völlig ausreichend.

Insgesamt waren sich die Diskussionsteilnehmer aber einig, dass die Schweiz im internationalen Vergleich bezüglich Regulierung gut dastehe. Aymo Brunetti, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bern, stellte aber fest, dass die Zufriedenheit der Schweizer Bevölkerung zu einem Status Quo Bias bei Abstimmungen führe. Bei komplexen Sachthemen wird an der Urne eher gegen Veränderung gestimmt. Dass dies für zukünftige Herausforderungen problematisch sein kann, liegt auf der Hand.

Fakten zum Swiss Governance Forum 2017

Organisation: Kompetenzzentrum für Public Management an der Universität Bern
Thema: Unternehmen zwischen Staat und Markt
Ziel: Rahmen für Austausch zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zum Thema
Datum: 23. Juni 2017, 14.00-19:00
Ort: Aula, Hauptgebäude der Universität Bern
Anzahl Teilnehmer: 200
Nächstes Forum: Sommer 2019

Kompetenzzentrum für Public Management KPM

Das Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern wurde 2002 gegründet. Als interdisziplinäre Einheit, angesiedelt zwischen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern, sieht es sich der Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen Recht, Ökonomie und Politikwissenschaft verpflichtet. Kernprodukt des Kompetenzzentrums ist ein Nachdiplomstudiengang mit Masterdiplom (MPA). Ein zweites wichtiges Standbein des neuen Kompetenzzentrums ist die Grundlagenforschung im Bereich der Verwaltungswissenschaften. Und drittens werden Dienstleistungen für die öffentliche Hand in Form von Beratungen, Gutachten und Evaluationen erbracht.

Zum Autor

Fabian Feger ist Doktorand und wissenschaftlicher Assistent am Kompetenzzentrum für Public Management. Seine Dissertation verfasst er im Bereich der Volkswirtschaftslehre.

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