«Am "Dies academicus" feiern wir die Gründung der Universität Bern»
Die Universität feiert am 1. Dezember ihren 184. «Geburtstag» mit dem «Dies academicus». Im Interview erzählt Rektor Christian Leumann von den aktuellen Herausforderungen für die Universität, die Auszeichnung neuer Ehrendoktoren und Ehrendoktorinnen und darüber, was Studierende von der Universität Bern erwarten können.
Woher kommt der Name «Dies academicus» und was bedeutet er?
Christian Leumann: Als «Dies academicus» bezeichnet man ganz grundsätzlich einen akademischen Feiertag, der an vielen Universitäten üblich ist. Er wird oft auch als Informationsveranstaltung genutzt. In Bern ist das etwas anders: An unserem «Dies academicus» feiern wir die offizielle Gründungsfeier der Universität vom 15. November 1834. Wir bezeichnen den Anlass deshalb auch als Stiftungsfeier.
Wer feiert jeweils mit?
Der Anlass ist öffentlich, es sind also alle eingeladen, die sich für die Universität Bern interessieren. Natürlich dient das Fest auch dazu, die Mitarbeitenden, Forschenden, Studierenden und Angehörigen der Universität Bern zusammenzubringen.
Warum tragen Sie und die Dekaninnen und Dekane an diesem Tag die Talare?
Diese Tradition ist noch gar nicht so alt, sie besteht seit 1937 und wurde aus dem Ausland übernommen. Es ging darum, eine Amtstracht für offizielle Feierlichkeiten oder Besuche zu haben. Die Universitätsleitung und die Dekaninnen und Dekane repräsentieren die Universität Bern und sind durch die Talaren als höchste Würdenträgerinnen und Würdenträger auszumachen. Die Kleidung bezeugt auch Respekt gegenüber den Ehrendoktorinnen und Ehrendoktoren, die am Dies ausgezeichnet werden.
Die Ehrendoktorwürde ist ein gutes Stichwort: Nach welchen Kriterien werden Ehrendoktortitel eigentlich vergeben?
Eine Ehrendoktorwürde ist eine Auszeichnung für grosse Verdienste, für besondere wissenschaftliche oder akademische Leistungen. Vorgeschlagen werden die Ehrendoktorinnen und -doktoren von den Fakultäten.
Welches sind die prominentesten Ehrendoktorinnen und Ehrendoktoren der Universität Bern?
Dazu gehören zum Beispiel die Maler Albert Anker und Kuno Amiet oder aus jüngerer Zeit die ehemalige Chefanklägerin des Uno-Kriegsverbrechertribunals Carla del Ponte und der englische Autor John le Carré. Und dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Ehrendoktorinnentitel mit sechsjähriger Verspätung in Bern abgeholt hat, ging ja gross durch die Medien (schmunzelt).
Am Ende des «Dies academicus» wird jeweils das gleiche Lied gesungen. Warum? Können Sie uns etwas dazu erzählen?
Das Lied hat den Namen «Gaudeamus igitur», was so viel heisst wie «Lasst uns also fröhlich sein!». Es ist ein sehr stimmungsvolles Lied, mit einer eingängigen Melodie, so dass jede und jeder mitsingen kann. Der Text wird jeweils im Programmheft abgedruckt. Ursprünglich ist es ein Studentenlied, wohl das berühmteste seiner Art. Zu der feierlichen Stimmung am Schluss passt es daher ausgezeichnet.
Sie haben am «Dies academicus» vor einem Jahr gesagt, die Zukunft sei rosig, aber nur wenn die relevanten Herausforderungen korrekt antizipiert und entsprechenden Weichen richtig gestellt werden. Was sind aktuell die relevanten Herausforderungen für die Universität?
Die wichtigsten Herausforderungen der Universität sind aktuell die Raumfrage, die Digitalisierung und die langfristige finanzielle Planungssicherheit. Damit sich die Universität Bern auch weiterhin gut entwickeln kann, braucht sie genügend Raum und die dazugehörige Infrastruktur. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung des Areals Uni Muesmatt. Zudem ist für uns finanzielle Planungssicherheit von grösster Bedeutung. Der Bildung wird zum Glück fast überall höchste Priorität attestiert. Und die Digitalisierung ist eine enorme Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Wir beschäftigen uns derzeit in Forschung und Lehre intensiv mit diesem Thema, damit wir die richtigen Schlüsse ziehen und die Universität für künftige Veränderungen gut aufstellen können.
Und welche Weichen wurden in den letzten zwölf Monaten gestellt?
Einerseits konnten wir mit dem neuen Gebäude an der Mittelstrasse und mit «sitem Insel» zwei wichtige Projekte vorwärtsbringen. Die Arbeiten in Bezug auf die Digitalisierung habe ich bereits erwähnt. Zwei grosse Weichen haben wir aber nicht selbst gestellt: Wir mussten im Sommer Abschied nehmen von unserem langjährigen Verwaltungsdirektor Daniel Odermatt, der überraschend verstorben ist. Er hat die Universität mit seiner offenen und vorrausschauenden Art stark geprägt. Und mit Bernhard Pulver trat dieses Jahr unser Erziehungsdirektor, der uns ebenfalls während vieler Jahre hervorragend unterstützt hat, zurück. Wir schauen nun optimistisch in die Zukunft, mit der neuen Regierungsrätin Christine Häsler, die auch sehr offen für unsere Anliegen ist.
Sie haben die Freiheit in Forschung und Lehre erwähnt. Warum ist sie für eine Universität von so grosser Bedeutung und gibt es auch Grenzen?
Forschung und Lehre sollten nicht von politischen oder wirtschaftlichen Interessen gelenkt sein. Forschung sollte Wissen bestätigen oder neues Wissen erschaffen. Aber wir stossen immer häufiger an ethische Grenzen, wie zum Beispiel in der Genforschung. Denen gilt es Rechnung zu tragen. Wir müssen mithelfen zu definieren, was in der Forschung sinnvoll ist und was gegen ethische Grundsätze verstösst. Wichtig ist auch, dass keine privaten Interessen die Forschung bestimmen.
Hat mit dem veränderten politischen Klima in der Welt auch hier der Druck zugenommen?
Hier in der Schweiz und in Bern ist das Vertrauen in die Universitäten weiterhin stark. Es sind lange und gute Beziehungen zwischen der Politik und der Wissenschaft und diese Stabilität scheint auch weiterhin gegeben zu sein. Allerdings ist das nicht überall auf der Welt so. Die Universität Bern setzt sich daher auch für Scholars at Risk ein.
Die Universität ist den letzten Jahren stark gewachsen und bildet in diesem Jahr zum ersten Mal mehr als 18'000 Studierende aus. Was bedeutet dies für die Universität?
Mehr Studierende ist zunächst einmal ein grosses Lob für unsere Organisation. Es heisst nämlich, dass mehr Menschen zu uns kommen, die überzeugt sind, dass sie bei uns eine gute Ausbildung erhalten. Und das wollen wir ihnen auch ermöglichen und ihnen die bestmöglichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium bieten. Mehr Studierende brauchen aber zum Beispiel auch mehr Platz und mehr Betreuungspersonen.
Was können die Studierenden von der Universität erwarten? Worauf wird bei der Ausbildung besonders Wert gelegt?
Die Studierenden können hier mit Lehrenden und Forschenden in Kontakt treten, die auf absolutem Weltniveau mitspielen. In der Ausbildung legen wir Wert darauf, dass die Studierenden zu kritischem Denken angeregt werden. Wir bilden wissbegierige und engagierte Menschen aus, die später die richtigen Fragen stellen und befähigt sind, darauf Antworten zu finden.
Wie sind die Jobaussichten für Studierende der Universität Bern?
Aus der Absolventenstudie des BFS geht hervor, dass fast alle Absolventen der Uni Bern ein Jahr nach Abschluss des Studiums eine Stelle haben, durchschnittlich sind es 95%. Die Studierenden an der Uni Bern können also zuversichtlich in die Zukunft schauen.
Die Universität hat sich strategisch positioniert – als Volluniversität mit fünf Schwerpunktthemen, internationaler Ausrichtung und regionaler Verankerung. Wo steht die Universität heute in der Universitätslandschaft?
Die Universität Bern befindet sich unter den besten 150 Universitäten weltweit. Wir stehen also recht gut da (schmunzelt). In Bezug auf die Studierendenzahlen sind wir die drittgrösste Universität der Schweiz, hinter der ETH und der Uni Zürich und aktuell ganz knapp vor Genf. Wir sind international, national und regional bestens vernetzt und suchen aktiv den Kontakt mit unseren Anspruchsgruppen. Die Uni Bern ist zum Beispiel Mitglied bei The Guild, einer Organisation forschungsintensiver europäischer Universitäten und fördert etwa über das Forum für Universität und Gesellschaft den Austausch mit Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit in der Grossregion Bern.
Wie ist die Akzeptanz der Universität in der Bevölkerung?
Die Universität Bern ist ein Teil der Stadt und ein wichtiger Standortfaktor für den Kanton. Das wird auch in der Bevölkerung wahrgenommen. An der Nacht der Forschung 2017 haben uns zum Beispiel über 9'000 Personen besucht, ein schönes Zeichen der Anerkennung.
Wenn Sie heute in die Zukunft blicken. Sieht sie immer noch rosig aus – für die Universität und für die Gesellschaft?
Die Zukunft wird uns alle vor neue, vielleicht nicht planbare Herausforderungen stellen. Die Fragestellungen werden immer komplexer und können fast nur noch gemeinsam, mit fächerübergreifenden und interkulturellen Ansätzen angegangen werden. Dafür müssen wir offen sein für andere Ideen und Veränderungen und benötigen kreative, innovative und kritische Köpfe. Die Universität Bern ist für dieses interdisziplinäre Denken bestens aufgestellt.
Zur Person
Prof. Dr. Christian Leumann hat per 1. August 2016 das Amt als Rektor der Universität Bern übernommen. Zuvor war er bereits als Vizerektor Forschung seit 2011 Mitglied der Universitätsleitung. Christian Leumann, 1958 geboren, dissertierte an der ETH Zürich in Biochemie. Nach einem Post-Doktorat an der University of California arbeitete er als Oberassistent an der ETHZ. 1993 wurde er ordentlicher Professor für bioorganische Chemie am Departement für Chemie und Biochemie an der Universität Bern. Christian Leumann ist Vater zweier erwachsener Kinder und lebt mit seiner Frau in Bern.
Der «Dies academicus»
Der «Dies academicus» ist die Stiftungsfeier der Universität Bern und erinnert an ihre Gründung im Jahre 1834. An ihrer 184. Stiftungsfeier verleiht die Universität Bern sieben Ehrendoktortitel und vergibt den mit 100'000 Franken dotierten Hans-Sigrist-Preis sowie weitere Auszeichnungen. Der «Dies academicus» findet dieses Jahr am Samstag, 1. Dezember 2018 im Stadttheater Bern statt.
ZUM AUTOR
Christian Degen ist Leiter der Abteilung Kommunikation & Marketing der Universität Bern.