Eine unter dreissig: Jessica Lampe
«30 Under 30» – Auf der bekannten Liste des Forbes Magazine figurieren jedes Jahr je 30 Pionierinnen und Pioniere unter 30 Jahren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2018 sind gleich zwei junge Wissenschaftlerinnen der Universität Bern dabei. Für die Religionspsychologin Jessica Lampe ist der Platz auf der Liste eine Bestätigung für die gesellschaftliche Relevanz ihrer Forschung.
Sie sind eine der «30 Under 30» des Forbes Magazine – Herzliche Gratulation! Wie wurden Sie auf die Ausschreibung aufmerksam?
Ich bin mit meinem Forschungsprojekt Teil der Interfakultären Forschungskooperation (IFK) der Universität Bern zu Religiösen Konflikten und Bewältigungsstrategien. Die Universität Bern hatte unserer Koordinatorin geschrieben, dass sie uns PhDs und Postdocs im Projekt ermutigen sollte, uns für die Kategorie Forschung bei «30 Under 30» zu bewerben. Als wir diese E-Mail erhielten, stellten wir fest, dass ich aber die einzige im Büro unter 30 bin – von den Postdocs im IFK auch generell. Ich füllte also die Bewerbung aus und bekam zu meiner Überraschung ein paar Wochen später die Nachricht, dass ich auf der Liste für die D-A-CH-Region gelandet sei!
Sie sind Postdoktorandin in Religionspsychologie am Institut für Praktische Theologie. Können Sie kurz erklären, worum es bei Ihrem Forschungsprojekt in der Interfakultären Forschungskooperation geht?
Das Projekt bewegt sich im Rahmen der Religionspsychologie und der klinischen Psychologie. Ich befasse mich mit der Frage, welche inneren Konflikte, die durch Religion oder eine Form der Spiritualität ausgelöst werden, im Menschen entstehen und wie diese Konflikte bewältigt werden. Es geht also um den individuellen Menschen, wobei ich mich in meiner empirischen Forschung auf Flüchtlinge beziehe. Wir hoffen mit dem IFK, religiöse Konflikte und deren Dimensionen sowie die Bewältigungsstrategien besser zu verstehen. Somit soll ein besserer Umgang mit unterschiedlichen Meinungen und religiösen Ansätzen ermöglicht werden mit dem Ziel eines friedlicheren Miteinanders.
Sie wurden von Forbes zu einem Networking-Anlass mit Interview und Fotoshooting nach Wien eingeladen, wo Sie auch die anderen Leute auf der «30 Under 30»-Liste getroffen haben. Was war Ihr Eindruck vom Anlass?
Ich habe noch nie so viele interessante Menschen an einem Tag kennengelernt! Viele haben mit Cryptocurrencies zu tun, es gab viele start-ups und Themen wie cyber security, fake news detection, early Alzheimer detection und professional big wave surfing! Ein Zitat, das einer der «30 Under 30» an die Community weitergab, war: «Each friend represents a world in us, a world possibly not born until they arrive, and it is only by this meeting that a new world is born.» Wir haben alle viele neue Welten kennengelernt und sind mit einer unglaublichen Dankbarkeit und Inspiration davongegangen, dass es Hoffnung für diese Welt gibt und wir in einer unglaublich spannenden Zeit leben.
Finden Sie selbst, dass Sie auf die Liste gehören?
Ich war positiv überrascht, wie interessiert und bejahend alle anderen Teilnehmer auf mein Forschungsprojekt reagiert haben. Es ist ein sehr spannendes und gesellschaftlich relevantes Thema und verdient auf jeden Fall einen Platz auf der Liste.
Bevor Sie in der Religionspsychologie gelandet sind, haben Sie in der Abteilung Tierschutz der Vetsuisse Fakultät an der Universität Bern doktoriert. Zuvor studierten Sie Psychologie im Bachelor und Tier-Verhaltensforschung im Master. Wie kam diese Laufbahn zustande?
Wenn es möglich war, habe ich schon immer meine Forschung mit Tieren verbunden. Zum Beispiel habe ich während des Bachelors mit einer Studie die cross-modale Wahrnehmung von Menschen bei Pferden erstmalig nachgewiesen. Ich war auch Teil des Springreiter-Teams an der Uni und habe als «horse trail guide» in den Blue Ridge Mountains in Virginia gearbeitet. Ehrenamtlich habe ich mit pferdegestützter Therapie gearbeitet – diese Erfahrungen haben mich sehr geprägt. Die Verbindung zwischen Menschen und Tieren und vor allem der therapeutische Aspekt haben mich immer fasziniert. Meine Doktorarbeit hatte mit positiven Emotionen und emotionaler Ansteckung zu tun – und mit der Emotionsforschung lässt sich nun wieder die Brücke zu meinem neuen Forschungsprojekt schlagen.
Wie kommt es, dass sie mit 29 Jahren bereits so weit fortgeschritten sind in Ihrer akademischen Laufbahn?
Es ist einfach so passiert. Ich habe recht schnell einen Abschluss nach dem anderen gemacht, den Master in Edinburgh bereits nach einem Jahr. Da ich die Highschool in den USA absolvierte, besuchte ich nur 12 statt 13 Jahre lang die Schule. Auch konnte ich in den letzten Jahren der Highschool schon College-Kurse belegen und so bereits Uni-Credits sammeln – ich war schon lange «ready» für die Uni! Ein Austauschjahr des Bachelors habe ich an der Oxford University absolviert. Hier boten mir die one-to-one tutorials auch einen einzigartigen Kontext zu wachsen.
Wurden Sie gezielt gefördert?
Ich komme aus einer akademischen Familie, so dass sich meine bisherige Laufbahn relativ natürlich ergab. Ohne Forderung und Förderung ist wissenschaftliche Weiterentwicklung natürlich schwer möglich. Ich habe das Glück, Menschen in meinem akademischen Umfeld zu haben, für die die Förderung und Unterstützung junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nicht nur ein echtes Anliegen, sondern auch eine grosse Leidenschaft ist.
Was ist die grösste Herausforderung für junge Menschen in der Wissenschaft?
Postdoc-Stellen sind zeitlich sehr kurz bemessen. Dabei hat man natürlich immer im Hinterkopf, wie und ob es weitergeht – es ist schwierig, Zukunftspläne zu machen. Man muss sehr flexibel und mobil bleiben. Ich denke, je älter man wird und je mehr Verantwortung man trägt, desto schwieriger wird das auch.
Was könnte man unternehmen, um jungen Frauen den Einstieg in die Wissenschaft zu erleichtern?
Die Abteilung für Gleichstellung der Uni Bern bietet hilfreiche Kurse an, und es gibt spezifische Mentoring-Programme. Es benötigt noch mehr Frauen in Führungspositionen als inspirierende Vorbilder. Die Statistiken über Frauen in Führungspositionen und Professuren sind erschreckend.
Wie bringen Sie Karriere und Privates unter einen Hut?
Das ist immer ein Balanceakt. Da hilft es, gut organisiert zu sein und einen unterstützenden Partner, Freunde und Familie zu haben. Yoga, Meditation und frische Luft – am besten auf dem Pferderücken – helfen mir dabei, den Stress-Pegel niedrig zu halten und somit dann auch die Arbeit wieder frischer und ausgeglichener angehen zu können. Eine Yoga-Weisheit besagt: Wie man mit sich selber umgeht, so geht man auch mit anderen um. Um also etwas Positives in der Welt zu bewegen, muss man sich auch um sich selbst kümmern, um der Welt etwas zurückgeben zu können.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich bin da relativ offen, was das Leben mir zu bieten hat und welche Möglichkeiten sich ergeben. Wichtig ist mir, etwas Gutes in der Welt zu bewirken in der Zeit, die mir hier gegeben ist.
Zur Person
Dr. Jessica Lampe (*1989) ist seit Februar 2018 Postdoktorandin am Institut für Praktische Theologie, Abteilung Seelsorge, Religionspsychologie und Religionspädagogik, bei Prof. Dr. Isabelle Noth. Sie habilitiert im Teilprojekt «Religious Coping Styles among people dealing with internal religious and spiritual struggles» der Interfakultären Forschungskooperation (IFK) «Religious Conflicts and Coping Strategies», das von Prof. Dr. Hansjörg Znoj vom Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie mitverantwortet wird. Sie studierte Psychologie und Tier-Verhaltensforschung an der James Madison University in Harrisonburg (Virginia, USA), der Oxford University und der University of Edinburgh (UK). Von 2013 bis 2017 doktorierte Sie bei Prof. Dr. Hanno Würbel in der Abteilung Tierschutz der Vetusisse-Fakultät an der Universität Bern.
Mehr zur IFK «Religious Conflicts and Coping Strategies»
Kontakt
Dr. Jessica Lampe
Universität Bern
Institut für Praktische Theologie, Abt. Seelsorge, Religionspsychologie und Religionspädagogik
Telefon: +41 31 631 55 71
E-Mail: jessica.lampe@theol.unibe.ch
Forbes «30 Under 30»
Unter dem Namen «30 Under 30» veröffentlicht das Forbes Magazine jedes Jahr Listen mit Pionierinnen und Pionieren unter 30 Jahren in unterschiedlichen Kategorien. 2018 wurden in der deutschsprachigen Ausgabe jeweils 30 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nominiert. Von der Universität Bern ist neben Jessica Lampe auch Marietta Angeli vom World Trade Institute auf der Liste.
Zum Autor
Ivo Schmucki arbeitet als Redaktor bei Corporate Communication an der Universität Bern.