Von Robotern und Menschen
Roboter als Personen? Wir sollten grosszügig sein, wenn es darum geht, künstlichen Intelligenzen einen menschenähnlichen Status zu geben. Diese Meinung vertritt Martino Mona, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «UniPress». In seiner kommenden Vorlesung in der Reihe «Roboter» des Collegium generale widmet er sich ebenfalls dem Verhältnis zwischen Mensch und Maschine.
Science-Fiction und Roboter sind langweilig. Das Beste an «Star Wars» ist die Parodie «Spaceballs» von Mel Brooks – und Stanley Kubricks «2001: Odyssee im Weltraum» ist eine eher nervige, wenn auch ästhetisch ansprechende und wenigstens halluzinogen wirkende Grundlage für ein paar schöne Musikkompositionen. Das aktuell diskutierte, moralisch aufgeladene Phänomen der selbstfahrenden Autos erweist sich als triviales Problem, das man ohne weiteres mit den üblichen rechtlichen Zurechnungsregeln in den Griff bekommen kann. Ein Unfall, der durch ein selbstfahrendes Auto verursacht wird, ist im Wesentlichen nicht anders zu behandeln als ein Unfall, der durch einen explodierenden Mikrowellenofen verursacht wird. Ein moralisches Dilemma sieht anders aus. Die einzig relevante Frage ist wie so oft auch hier: Wie viel Risiko und Unkontrollierbarkeit wollen wir in Kauf nehmen, um von den Vorteilen der Technik profitieren zu können?
Roboter werden uns nicht vernichten
Völlig verfehlt sind Rufe nach drastischen Einschränkungen oder gar einem Verbot der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, die von apokalyptischen und zugleich auch sehr naiven Vorstellungen getragen sind. Kluge und technisch versierte Menschen sollen Roboter entwickeln dürfen, die dem Menschen in allen Aufgaben und Tätigkeiten ebenbürtig sein werden oder ihn sogar weit überflügeln. Selbstredend auch Roboter, die sich – wie im Film «Nummer 5 lebt!» – selber in Varianten reproduzieren können. Das nennt sich Fortschritt und ist einem Stillstand oder gar einem Rückschritt immer vorzuziehen. Das eigentlich relevante und grundlegende Problem wird nicht die Details dieses technischen Fortschritts betreffen, sondern das Verhältnis zwischen Robotern und Menschen überhaupt. In dieser Hinsicht sind Roboter interessant: Weil sie uns zwingen, mehr Klarheit darüber zu erlangen, was unser Wesen ist und was eigentlich das Menschsein ausmacht. Nur insofern sie diese Gewissheit zu erschüttern vermögen, haben Roboter einen revolutionären Charakter. Sie werden uns nicht verdrängen oder gar vernichten, sie könnten uns aber dahingehend hochgradig verwirren, dass wir uns in Zukunft nicht mehr als freie Menschen ernstnehmen und den Robotern nicht das geben, was ihnen zusteht.
Mehr als explodierende Mikrowellenöfen
Am interessantesten dürfte die Frage sein, ob zukünftige künstliche Intelligenzen grundsätzlich überhaupt verantwortlich sein können. Oder mit anderen Worten, ob sie einen freien Willen haben werden. Dass künstliche Intelligenzen die anderen Elemente des Menschseins bereits erfüllen oder in relativ naher Zukunft erfüllen werden, dürfte unbestritten sein. Die Willensfreiheit wird also aller Voraussicht nach das entscheidende Kriterium sein, um in Zukunft zwischen Menschen und Robotern unterscheiden zu können. Dazu müssen wir uns aber Klarheit darüber verschaffen, dass die heutige in gewissen Kreisen beliebte Annahme eines durchgehend determinierten Menschen, der keine Willensfreiheit hat, uns zu Robotern macht. Der Aufstieg der Roboter wird uns zwingen, tiefschürfender darüber nachzudenken, inwiefern wir uns dank unserer Eigenschaft der Willensfreiheit von Robotern unterscheiden. Und auch darüber, was geschehen soll, wenn wir eines Tages einsehen, dass künstliche Intelligenzen ebenfalls die Fähigkeit entwickelt haben, Ziele und Wünsche zu formulieren, und die Freiheit haben, ihren eigenen Willen zu steuern und selbstverantwortlich zu entscheiden. Spätestens dann haben wir es nämlich nicht mehr bloss mit explodierenden Mikrowellenöfen zu tun.
Der Roboter als Person
Um das Verhältnis zwischen Menschen und Robotern vernünftig zu gestalten, müssen wir also nicht nur klären, welchen Status künstliche Intelligenzen haben sollen, sondern – vielleicht noch mehr – welchen Status wir uns selber geben. Wir sollten uns aber auf jeden Fall davor hüten, aufgrund einer übersteigerten Vorstellung des Status von uns Menschen oder des Konzepts «Person» einen vergleichbaren Status für Roboter von Anfang an auszuschliessen. Existierende künstliche Intelligenzen haben noch keinen Personenstatus. Es soll aber darauf hingewiesen werden, dass bei der Ausdehnung der Statussphäre auf andere biologische oder nicht-biologische Wesen starke kognitive Verzerrungen am Werk sind. Wir sollten nicht dem Gegenwarts-Bias verfallen und die Messlatte für Personenstatus unvernünftig hoch anzusetzen, indem wir Begriffe wie «Intelligenz», «Akteur» oder «Autonomie» mit übertriebenen metaphysischen Annahmen anreichern. Im Zweifel scheint es vernünftig, solche Begriffe deflatorisch zu verwenden und anderen Wesen eher grosszügig einen mit dem unsrigen vergleichbaren Status zuzuschreiben. Wenn wir dies fälschlicherweise tun, verlieren wir wenig, wenn wir aber Personen fälschlicherweise als Nicht-Personen qualifizieren, kann dies höchstproblematische Konsequenzen haben.
VERANSTALTUNGSHINWEIS
Wenn wir uns Roboter denken, denken wir sie uns als idealische, höhere Menschen? Martino Mona hält am Mittwoch, 28. November 2018 einen öffentlichen Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe «Roboter» des Collegium generale. Die Vorlesung findet von 18.15 bis 19.45 Uhr im Auditorium maximum (Raum 110) des Uni-Hauptgebäudes statt. Der Eintritt ist frei.
ZUR PERSON
Martino Mona ist ordentlicher Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie. Er hat Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten Fribourg, Paris, Oxford und Bern studiert sowie Rechtswissenschaft an der Universität Bern, an der Universität Basel und an der Harvard Law School. Er war Assistent und Lehrbeauftragter an der Universität Bern und an der Universität Basel und Assistenzprofessor an der Universität Bern.
Kontakt:
Prof. Dr. Martino Mona
Universität Bern, Institut für Strafrecht und Kriminologie (ISK)
martino.mona@krim.unibe.ch
ROBOTER IN «UNIPRESS»
Der hier veröffentlichte Text von Martino Mona erschien bereits in der Rubrik «Meinung» im Wissenschaftsmagazin «UniPress». Lesen Sie weitere spannende Beiträge zu verschiedenen Erfolgswegen nach der Uni oder zur Entwicklung des Selbstwertgefühls in der aktuellen Ausgabe.