CREOLE – Gelebte Mobilität in Europa
Unter dem Namen CREOLE bietet die Uni Bern gemeinsam mit sechs europäischen Partneruniversitäten einen Forschungsmaster in Sozial- und Kulturanthropologie an. Die Hälfte des Studiengangs verbringen die Studierenden im Ausland. Eine Absolventin und ein Absolvent erzählen von ihren Erfahrungen.
Ava Moll kommt gerade aus der Bibliothek: Sie befindet sich mitten in der Abschlussphase ihrer Masterarbeit. «Ich schreibe über minoritätssprachliche Schülerinnen und Schüler und deren Integration in Norwegen», erklärt sie. Wie alle Absolvierende des CREOLE-Masterstudiengangs hat Moll zwei Semester im Ausland verbracht. Nachdem sie ein Semester in Schweden studiert hatte, forschte sie für ihre Masterarbeit in Norwegen an einer Schule: «Schwerpunkt meiner Arbeit war die soziale Interaktion der überwiegend norwegischen Schülerinnen und Schüler mit ihren wenigen ausländischen Kolleginnen und Kollegen sowie das Ungleichgewicht und weitere Phänomene, die aus einer solchen Verteilung resultieren», so Moll. Bereits fertig mit seiner Masterarbeit ist Oliver Brown. Er stammt aus Neuseeland und studierte dort Geschichte sowie Politikwissenschaften, bevor er für den CREOLE-Master an die Universität Bern kam. Er absolvierte seine Auslandsemester in Irland. In seiner Arbeit «Water Movement in Ireland» beschäftigte er sich mit der Wasserinfrastruktur und der sozialen Perspektive des Wassermanagements: Zwischen 2014 und 2017 fanden in Irland diverse Protestaktionen gegen die Privatisierung von Wasser statt. Da Brown in Neuseeland bereits in einem Zivilbauunternehmen gearbeitet hatte, konnte er diese Erfahrungen einbringen.
Monomaster mit Freiheiten
«Nach Bern kam ich wegen meines Schweizer Passes und weil ich einen praktischen Master absolvieren wollte. CREOLE erlaubte es mir, Theorien und Methoden zu verbinden und zu forschen», sagt Brown. Moll entschied sich unter anderem für CREOLE, weil der Studiengang Auslandserfahrungen ermöglicht und es sich um einen Monomaster handelt. Das biete ihr mehr Freiheiten als eine Kombination aus Haupt- und Nebenfach.
Im CREOLE-Master lernen die Studierenden, unabhängige Forschungsarbeiten durchzuführen, soziokulturelle Prozesse in transnationalen Kontexten zu analysieren und die Wichtigkeit von transnationalen, interkulturellen Verbindungen für die Gesellschaft einzuschätzen. Das eröffnet ihnen verschiedene berufliche Perspektiven. Ava Molls Zukunftspläne: «Gerne wäre ich nach meinem Abschluss im Bereich Migration oder Integration tätig – die Arbeit mit jungen Menschen in Norwegen war sehr inspirierend». Oliver Brown hofft, dass er nach dem Master ein Experte auf seinem Gebiet ist: «Damit hätte ich vielfältige Möglichkeiten, einen Job zu finden – ich würde auch gerne im Ausland arbeiten, zum Beispiel in Deutschland».
Mobilität als Pluspunkt
Oliver Brown sieht vor allem in der Mobilität ist ein grosses Plus von CREOLE: «Man erhält eine europäische Sichtweise auf verschiedene Fragestellungen und kann sich zudem selbst weiterentwickeln». An seine Zeit an der Universität im irischen Maynooth erinnert er sich gerne: «Für mein Forschungsthema war Irland der perfekte Ort und ich konnte zudem ein Netzwerk aufbauen.» Gab es Unterschiede zwischen Bern und Irland? «In Irland wird das Studium wie ein Unternehmen gehandhabt: Die Studierenden stehen unter starkem Druck, das Studium schnellstmöglich abzuschliessen», erzählt er. Im Gegensatz dazu stehen die Umgangsformen: Studierende hätten sich oft mit Professoren nach der Arbeit auf einen Drink getroffen. In Bern habe man einen grösseren Spielraum in der Gestaltung des Studiums und der Fokus liege mehr auf der persönlichen Entwicklung der einzelnen Studierenden. Auch für Moll ist die Auslandserfahrung ein grosser Vorteil des CREOLE-Programms: «Die internationale universitäre Erfahrung schätze ich sehr.» Man lerne andere Denkweisen und akademische Kulturen kennen, werde selbständiger und könne seine Sprachkenntnisse erweitern.
Während des Studiums waren Brown und Moll auch mit Herausforderungen konfrontiert: «Es war schwierig, in der Schweiz oder in Irland einen Job zu finden, da es ja jeweils nur für kurze Zeit war», erzählt Brown. Auch Moll sagt, dass das Studium trotz Unterstützung durch ERASMUS finanziell herausfordernd sei. Bei Bedarf könnten aber Stipendien beantragt werden. Zukünftigen Studierenden rät Moll: «Sie sollen gut recherchieren, an welcher Partneruni sie sich einschreiben wollen, damit sie ihr Forschungsthema dort gezielt vorantreiben können.»
Peer-Review bereits im Studium
Bevor die Studierenden jeweils nach dem ersten Jahr in Bern ins Ausland gehen, nehmen sie mit sämtlichen CREOLE-Studierenden der Partneruniversitäten an einer Summer School teil. «An der Summer School tauscht man sich mit den anderen Studierenden aus, jede und jeder stellt das Masterarbeitsthema vor und erhält danach ein Feedback», so Moll. Damit sei CREOLE wohl akademischer als andere Studiengänge, weil man bereits während des Studiums akademische Feedbacks von Mitstudierenden erhalte.
CREOLE – Master in Cultural Differences and Transnational Processes
CREOLE ist der erste Joint European Master Degree in Sozial- und Kulturanthropologie an der Universität Bern. Es handelt sich um einen Forschungsmaster für Studierende, die sich in Bereichen wie Transnationalismus, neue Identitäten, materielle oder visuelle Kultur spezialisieren wollen.
Der Monomaster dauert zwei Jahre; die Hälfte davon wird an einer der sechs Partneruniversitäten im Ausland absolviert (University of Vienna, Universitat Autònoma de Barcelona, University of Ljubljana, University of Lion II, National University of Ireland, Maynooth und Adam Mickiewicz University, Poland). Der Aufenthalt an der Gastuniversität wird teils durch Erasmus finanziert.
Jeden Herbst beginnen sechs Studierende das Programm. Anforderungen sind etwa ein Bachelor in Sozial- oder Kulturanthropologie sowie gute Englischkenntnisse. Das Aufnahmeverfahren besteht u.a. aus einer Bewerbung mit Motivationsschreiben und einem Bewerbungsgespräch.
Zur Autorin
Lisa Fankhauser arbeitet als Redaktorin Corporate Publishing in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern. Sie ist Themenverantwortliche «Interkulturelles Wissen».