«Land ist der Schauplatz, wo Veränderungen zur Nachhaltigkeit stattfinden»
Vom 24. bis 26. April 2019 treffen sich in Bern über 600 führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt zum 4. Open Science Meeting des Global Land Programme (GLP). Das Thema: Landnutzungssysteme für Mensch und Natur verändern – welche Forschung und Politik braucht es, um ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Landnutzungssysteme zu erreichen? Ariane de Bremond, Wissenschaftlerin am Centre for Development and Environment der Universität Bern und Geschäftsführerin des internationalen GLP-Programmbüros, über die Rolle und Möglichkeiten der Konferenz.
Der Druck auf die Ressource Land nimmt weltweit zu. Das wirft Fragen auf, wie wir Land nutzen und welche entsprechenden Systeme es für eine nachhaltige Entwicklung braucht. Was kann eine Wissenschaftskonferenz wie das 4. Open Science Meeting an Lösungen beitragen?
Ariane de Bremond: Wissenschaft, die sich für Veränderungen im Sinn der nachhaltigen Entwicklung einsetzt, erfordert neue, partnerschaftliche Ansätze. Wenn wir weltweit eine nachhaltige Nutzung und Gouvernanz von Land ermöglichen wollen, müssen wir Brücken zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Entscheidungsträgern bauen. Ein erklärtes Ziel des 4. Open Science Meeting des Global Land Programmes ist es deshalb, solche Ansätze voranzutreiben. Zudem diskutieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Konferenz genau darüber, wie sich die Herausforderungen anpacken lassen – mit dem Ziel, jene Politikfelder zu identifizieren, die im Bereich Landnutzung Veränderungen für eine nachhaltige Zukunft ermöglichen.
Wie bauen Sie die Partnerschaften auf und identifizieren die entsprechenden Politikfelder?
Wir gestalten die Konferenz um die drei Hauptfragen: Welches sind unsere Visionen für eine nachhaltige Landnutzung? Was erwartet die Gesellschaft von Land? Wie unterstützen wir Transformationsprozesse? Diese Fragen erfordern konkrete Antworten, die für die Politik relevant sind. Allgemeiner formuliert, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am 4. Open Science Meeting die Gelegenheit, Forschung in eine bestimmte Richtung voranzutreiben – nämlich, dass diese darüber informiert, wie unsere Gesellschaften die Zielkonflikte und Synergien verschiedener Landnutzungssysteme bewältigen bzw. nutzen können.
Ein Ansatz des GLP ist, dass Wissenschaft und Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und dem Privatsektor das nötige Wissen für Landnutzungssysteme gemeinsam erarbeiten. Am Open Science Meeting treffen sich jedoch vorwiegend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wie setzt GLP den eigenen Anspruch um?
In der Vergangenheit konzentrierten sich die Open Science Meetings des GLP fast ausschliesslich auf die Wissenschaft. Bis 2015 waren das GLP und die anderen Global Change Research Programme Teil eines internationalen Forschungsnetzwerks zum Thema Globaler Wandel. Zu jener Zeit war das GLP das einzige Programm, das soziale und ökologische Fragestellungen kombinierte. Unsere Aufgabe war es damals, erst einmal die Wissenschaft zu Landnutzungssystemen weiter zu entwickeln. Jetzt befinden wir uns in einer neuen Phase: Das 4. Open Science Meeting in Bern ist das erste, das neue Workshop-Formate sowie Teilnehmende integriert, die nicht aus der Wissenschaft stammen. Es ist also eindeutig ein Schritt nach vorne. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überwiegen zwar nach wie vor, aber andere Akteure sind in viele der neuen Formate eingebunden.
Zum Beispiel?
Am Workshop "Industry perspectives on achieving zero-deforestation" etwa nehmen auch private Akteure aus der Wertschöpfungskette teil – wie Goodhope Asia, eines der grössten Unternehmen im Bereich Palmölplantagen. Oder am Workshop zu "Policy and governance of illicit and/or clandestine transactions and land use changes" sind zivilgesellschaftliche Akteure wie Transparency International Simbabwe beteiligt, die sich für mehr Transparenz bei der Landnutzung in der Region einsetzen. Wir waren uns nicht sicher, wie die GLP-Community diese neuen, gemeinsamen Workshops aufnehmen würde, aber die Resonanz war überwältigend. Das zeigt, dass es eine Offenheit für neue Ansätze gibt, die über die Wissenschaft hinausgehen.
Was sind die Anreize für die nicht-wissenschaftlichen Akteure, an der Konferenz teilzunehmen?
Die Welt wird immer komplexer und es gibt ein breites Bedürfnis, über traditionelle Sektoren hinweg zusammenzuarbeiten. Auch Akteure aus der Zivilgesellschaft oder der Privatwirtschaft fordern neue Partnerschaften. Diese Konferenz bietet die Möglichkeit, Vertrauen und ein gemeinsames Verständnis aufzubauen.
Von Landnutzungsfragen sind alle betroffen: von der Nahrungsmittelproduktion über die Raumplanung, die Rohstoffgewinnung, den Natur- und Umweltschutz bis hin zum Schutz vor Naturgefahren. Lässt sich angesichts dieser Komplexität und der vielfältigen Zielkonflikte, die damit verbunden sind, überhaupt ein wissenschaftliches Programm gestalten?
Wir können ein wissenschaftliches Programm oder eine Agenda entwickeln, die das Verständnis dafür fördert, wie unsere Gesellschaften nachhaltigere Landnutzungssysteme entwerfen können. Die Land-Systemwissenschaft wandelt sich allmählich von der Erforschung von Mensch-Umwelt-Systemen zur Forschung für eine nachhaltige Entwicklung solcher Systeme. Anders gesagt: Land ist der Schauplatz, wo Veränderungen zur Nachhaltigkeit stattfinden. Wenn wir andere systemische Perspektiven einbinden, die sich damit überschneiden, kann uns das helfen, die Hebel für Veränderungen zu identifizieren – wie zum Beispiel bei der Palmöl-Wertschöpfungskette. Darüber hinaus können solche Sichtweisen zeigen, wie verschiedene Akteure die Politik auf der Grundlage ihrer eigenen spezifischen Interessen beeinflussen.
Das GLP ist eines von vier Forschungsprojekten von Future Earth, einem der grössten Forschungsnetzwerke der Welt. Neben dem GLP sind auch die Mountain Research Initiative (MRI), das Past Global Changes (PAGES) sowie das Global Mountain Biodiversity Assessment (GMBA) an der Universität Bern angesiedelt. Was macht die Universität Bern so attraktiv für die internationale Forschungsgemeinschaft im Bereich Nachhaltigkeit und Umwelt?
Die Universität Bern engagiert sich schon lange in der Förderung von Kompetenzzentren, die sich mit drängenden Fragen der globalen Umweltveränderung beschäftigen – etwa mit dem Centre for Development and Environment (CDE) und dem Oeschger Centre for Climate Change Research (OCCR). In Bern haben auch die meisten Akademien der Wissenschaften Schweiz ihren Sitz – insbesondere die Akademie der Naturwissenschaften. Sie unterstützt seit vielen Jahren die Forschung zu globalen Umweltveränderungen. So ist Bern ist in diesem Bereich zu einer Drehscheibe für wissenschaftliche Exzellenz und den wichtigen, unterstützenden Forschungsplattformen geworden. Das CDE schliesslich ist ein natürliches Zuhause für das GLP, zumal sich ihre transformativen Ziele weitgehend decken.
Dieses Interview ist auch im CDE-Magazin Spotlight erschienen.
Medieneinladung Open Science Meeting des Global Land Programme
Rund 600 führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt beraten vom 24. bis 26. April in Bern, wie sich Land für eine nachhaltige Entwicklung nutzen lässt. Am Vortag der internationalen Konferenz des Global Land Programme, das an der Universität Bern angesiedelt ist, soll auch eine Vision für die Schweizer Forschung und Politik zum Thema Landnutzungssysteme formuliert werden.
ZUR PERSON
Dr. Ariane de Bremond ist Senior Research Scientist am Centre for Development and Environment der Universität Bern und Geschäftsführerin des internationalen GLP-Programmbüros.
Kontakt:
Dr. Ariane de Bremond
Unviersität Bern
Centre for Development and Environment (CDE)
ariane.debremond@cde.unibe.ch
Zu den Autorinnen
Gaby Allheilig ist Kommunikationsverantwortliche beim CDE. Dr. Brigitte Portner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim CDE und leitende Koordinatorin des lokalen Organisationskomitees des 4. Open Science Meetings beim Global Land Programme.