Sind CEOs überbezahlt?

Überhöhte Bonuszahlungen für CEOs machten in den letzten Jahren viele Schlagzeilen. Markus C. Arnold vom Institut für Unternehmensrechnung und Controlling untersucht jedes Jahr die Vergütung der Vorstände der grössten Unternehmen des deutschen Aktienmarkts aus Sicht von professionellen Investoren. Die kürzlich publizierte Studie zeigt, dass zwischen der Vergütungspraxis und den Präferenzen der Investment Professionals Differenzen bestehen – etwa beim höchsten akzeptablen Gehalt von CEOs.

Herr Arnold, in Ihrer Studie haben Sie untersucht, wie Investment Professionals – also Finanzanalysten, Fonds-/Assetmanager, Bankerinnen oder Vermögensberaterinnen – die Entlohnung von CEOs beurteilen. Es zeigt sich ein deutlicher Trend: Investorinnen und Investoren wünschen sich einen höheren Anteil fixer und einen geringeren Anteil variabler Vergütung, sprich Boni. Wieso klaffen diese Präferenzen und die Vergütungspraxis auseinander?
Markus C. Arnold: Die Investment Professionals scheinen in den letzten Jahren zunehmend die negativen Aspekte variabler Vergütung, vor allem kurzfristiger Boni, wahrzunehmen. Sie sehen zudem keinen starken Zusammenhang zwischen Leistungen und kurzfristigen Bonuszahlungen – deshalb empfinden sie eine Senkung kurzfristiger Boni als beste Lösung.

Prof. Dr. Markus C. Arnold ist Leiter Managerial Accounting und Direktor des Instituts für Unternehmensrechnung und Controlling der Universität Bern. Bild: zvg.
Prof. Dr. Markus C. Arnold ist Leiter Managerial Accounting und Direktor des Instituts für Unternehmensrechnung und Controlling der Universität Bern. Bild: zvg.

Die befragten Investorinnen und Investoren gaben als maximal akzeptable Gesamtvergütung für CEOs in den 30 Unternehmen, die zum bedeutendsten deutschen Aktienindex DAX gehören, durchschnittlich 10.4 Millionen Euro an – ein Rückgang um einen Drittel gegenüber dem Vorjahr. Welches könnten die Gründe dafür sein?
Das Ausmass des Rückgangs ist überraschend, nicht aber die Tendenz, die wir seit einigen Jahren beobachten: Die Wahrnehmungen in der Öffentlichkeit, dass Bezahlung und Leistung von DAX 30-CEOs oftmals auseinanderklaffen, werden auch immer mehr von den Investment Professionals geteilt. Interessant ist, dass für die überwiegende Mehrheit der Befragten eine solche Obergrenze überhaupt existiert: Selbst bei einer Topperformance eines CEOs gilt ein Gesamtgehalt von über 10 Millionen Euro als inakzeptabel. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht bemerkenswert, da es aus Anreizüberlegungen ja gerade vorteilhaft sein kann, jemandem für eine sehr, sehr gute Performance eine sehr hohe Belohnung zu versprechen – offensichtlich sind aber für Investment Professionals auch andere Faktoren wie Fairness- oder Akzeptanzüberlegungen relevant. Aus unseren Studien wissen wir übrigens, dass der «Aufschrei» über zu hohe Vergütungen für CEOs bei «normalen» Gesellschaftsmitglieder deutlich früher passiert – die Obergrenze liegt etwa 50-60% tiefer als bei den Investment Professionals.

Die Studienteilnehmenden gaben als maximal akzeptable Gesamtvergütung für CEOs durchschnittlich 10.4. Millionen Euro an. Bild: Pixabay
Die Studienteilnehmenden gaben als maximal akzeptable Gesamtvergütung für CEOs durchschnittlich 10.4. Millionen Euro an. Bild: Pixabay

Fast alle Befragten glauben, dass CEOs auch für eine niedrigere Gesamtvergütung arbeiten würden. Wieso?
Wir beobachten tatsächlich seit Jahren, dass Investment Professionals der Meinung sind, dass Managern im Durchschnitt mehr als nötig gezahlt wird. Auch wissenschaftlich wird oft diskutiert, inwieweit Manager in der Lage sind, ihre eigene Entlohnung so zu beeinflussen, dass sie quasi «überbezahlt» sind. Dies rückt natürlich vor allem dann in den Fokus, wenn der Eindruck besteht, dass Unternehmensperformance und Managementvergütung nicht übereinstimmen – man denke hier an die verschiedenen Unternehmenskrisen der letzten Jahre wie etwa bei VW oder im Bankensektor.

Bei einem Misserfolg des Unternehmens fordert fast ein Drittel der Befragten, dass CEOs mehr Verantwortung tragen und mit Negativboni bestraft werden. Kann sich dies in der Praxis durchsetzen?
Die Chance dafür halte ich für sehr gering – dagegen werden sich Manager sehr stark wehren. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass Manager auch sehr grosse Risiken tragen: Nicht nur ihr Gehalt, sondern auch ihre Karriere kann von der Unternehmensperformance abhängen. Oftmals sind sie «verbrannt» für den Markt, wenn sie in einem Unternehmen versagt haben. Zudem beginnen Unternehmen verstärkt, Manager für Fehlverhalten haftbar zu machen und Schadensersatz einzuklagen.

Transparenz in der Offenlegung der Gesamtvergütung wird von den professionellen Investoren verlangt: Wieso ist dies so wichtig?
Nur wer weiss, wie viel die Vorstände verdienen, kann sich gegen mögliche Vergütungsexzesse wehren – etwa mittels Abstimmungen gegen Vorschläge des Vorstands oder des Aufsichtsrats auf der Jahreshauptversammlung. Öffentlich Kritik zu üben oder den Druck auf den Aufsichtsrat zu erhöhen, um einen Führungswechsel herbeizuführen, sind weitere Möglichkeiten. Insbesondere letztere sind für Einzelpersonen allerdings schlechter realisierbar als etwa für Portfoliomanager, die einen relevanten Aktienanteil des Unternehmens halten. Aber: Oftmals werden gerade professionelle Investoren, die deutlich mehr Aktien und damit Stimmrechte halten als der Normalbürger, nicht aktiv auf Versammlungen. Stattdessen verkaufen sie bei Unzufriedenheit einfach die Aktien – sie stimmen also quasi «mit den Füssen ab».

Um gegen mögliche Vergütungsexzesse von Vorständen vorzugehen, muss Transparenz in der Offenlegung der Gesamtvergütung gegeben sein. Bild: Pixabay
Um gegen mögliche Vergütungsexzesse von Vorständen vorzugehen, muss Transparenz in der Offenlegung der Gesamtvergütung gegeben sein. Bild: Pixabay

Stichwort Abfindungsklauseln bei vorzeitiger Entlassung: Die Mehrheit der Befragten kritisiert eine volle Auszahlung erwarteter Boni über mehrere Jahre. Wird sich dieses System in Zukunft ändern müssen?
Abfindungsklauseln sind ein aktuelles Thema, wie man ja auch an der parlamentarischen Diskussion in der Schweiz zu den Abfindungen für Kader der Bundesbetriebe sieht. Der Trend in den letzten Jahren geht sicherlich in Richtung einer deutlich kritischeren Sicht auf solche Klauseln – gerade auch vor dem Hintergrund der vorhin diskutierten Frage, ob Manager bessere Vergütungspakete als nötig erhalten. Ich bin eher skeptisch, ob eine völlige Abschaffung sinnvoll ist oder gar ein vollständiges Verbot solcher Entschädigungen das Ziel erreicht.

Können die Resultate Ihrer Studie auch auf die Schweiz übertragen werden?
Ich gehe davon aus, dass sich grundsätzliche Ergebnisse auch auf die Schweiz übertragen lassen. Auch in der Schweiz gibt es regelmässig Diskussionen zur Höhe von Vorstandsgehältern und ihr Verhältnis zur Unternehmensperformance – etwa die Minder-Initiative, die unter anderem Abgangsentschädigungen und Vorauszahlungen für Verwaltungsräte börsenkotierter Unternehmen verbietet, und aktuelle Motionen, die fordern, dass Gehälter in Bundesbetrieben komplett gekappt werden sollen. Dies zeigt, dass die Vorstandvergütung auch hier ein stets aktuelles Thema ist und gleichzeitig auch Sorgen um Corporate Governance-Aspekte die Diskussion oft mitbestimmen.

DVFA-DAX 30-Vergütungsstudie

Seit 2015 führen Prof. Dr. Markus C. Arnold, Universität Bern, und Prof. Dr. Martin Artz, Universität Münster, eine jährliche Umfrage unter Investment Professionals zum Thema «Vergütung der DAX 30-CEOs» durch. 2018 gaben 113 Teilnehmende ihre Präferenzen zu Struktur und Höhe der Vergütung an.

ZUR PERSON

Prof. Dr. Markus C. Arnold ist seit 2012 Professor für Managerial Accounting an der Universität Bern. Zudem ist er als Direktor des Instituts für Unternehmensrechnung und Controlling tätig.

Kontakt:

Prof. Dr. Markus C. Arnold
Universität Bern, Institut für Unternehmensrechnung
E-Mail: markus.arnold@iuc.unibe.ch

ZUR AUTORIN

Lisa Fankhauser arbeitet als Redaktorin bei der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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