Universität Bern verstärkt die internationale Präsenz
Ende Februar war Jan Palmowski, Generalsekretär von The Guild of European Research-Intensive Universities, zu Besuch in Bern. Die Mitgliedschaft bei The Guild erhöht den internationalen Einfluss der Universität Bern, was letztendlich den Forschenden zugutekommt. Dies sagen Rektor Christian Leumann und Jan Palmowski.
Warum soll die internationale Präsenz der Universität Bern erhöht werden?
Christian Leumann: Als drittgrösste Universität der Schweiz sind wir nicht für all unsere internationalen Forschungsbestrebungen bekannt und kämpfen daher mit einem Reputationsproblem. Deshalb besteht ein wichtiger Teil der Internationalisierungsstrategie unserer Hochschule darin, dem Rest der Welt unsere Forschung zu zeigen und Anerkennung dafür zu erhalten.
Wir haben nach Wegen gesucht, dieses Aufgabe anzugehen– eine Möglichkeit ist die Mitgliedschaft in einer Vereinigung forschungsintensiver Universitäten, die uns sicherlich helfen wird.
Welche Vorteile bringt die Mitgliedschaft bei The Guild?
Christian Leumann: Als schweizerische Universität befinden wir uns in einer besonderen Situation, da die Schweiz nicht vollständig an die europäische Forschungsförderungslandschaft angeschlossen ist. Alle Informationen, die wir von unseren Schwesteruniversitäten im übrigen Europa erhalten, sind wichtig, damit wir uns einen Überblick verschaffen können, wo wir und sie stehen, wo ihre Probleme liegen und wie wir uns gegenseitig helfen können.
Wir versuchen, unserer Stimme in Brüssel Gehör zu verschaffen und Informationen aus erster Hand über das Geschehen dort zu erhalten, indem wir uns mit einem Netzwerk anderer Universitäten im Rahmen der europäischen Universitäten und der Finanzierung durch die Europäische Union verbinden.
Jan Palmowski, gibt es besonderen Grund zur Sorge für die Schweizer Universitäten im Rahmen der laufenden Diskussionen zu Horizon Europe, dem nächsten EU-Forschungsförderprogramm, das 2021 in Kraft treten soll?
Jan Palmowski: Ich sehe drei Bereiche, die mir Sorgen bereiten. Der erste ist die von der EU hergestellte Verbindung zwischen dem Rahmenabkommen oder -vertrag zwischen der EU und der Schweiz und den Diskussionen über die schweizerische Beteiligung an Horizon Europe. Dies könnte zu unzumutbaren Verzögerungen bei der Teilnahme der Schweiz führen.
Des Weiteren kann die EU fordern, dass sogenannte Drittländer oder Nicht-EU-Mitglieder wie die Schweiz von bestimmten Zuschüssen ausgeschlossen werden können, wie beispielsweise aus dem Europäischen Forschungsrat. Ich bin sicher, dass Forschende in der Schweiz auch weiterhin Zugang zu diesen Finanzierungen haben werden, aber die Unsicherheit ist nicht förderlich.
Drittens: Wenn die wissenschaftliche Exzellenz von Horizon Europe gefährdet ist, könnte die Schweiz beschliessen, Horizon Europe nicht beizutreten. Dies wäre meiner Meinung nach eine Katastrophe für die Wissenschaft in der Schweiz und in der EU.
Wie offen ist man bei den EU-Institutionen gegenüber Anliegen der Universitäten von The Guild?
Jan Palmowski: Ich war positiv überrascht, wie sehr die Europäische Kommission Anregungen von Interessengruppen schätzt. Letztendlich braucht sie die Gewissheit, dass ihre Initiativen für Forschende, Institutionen und Studierende funktionieren.
Es gibt viele Menschen in der Kommission, die mit Leib und Seele dabei sind und die nicht nur in unserem Sektor, sondern auch in den nationalen Unterschieden bewandert sind, mit denen sie tagtäglich zu tun haben.
In kürzester Zeit hat The Guild ausgezeichnete Beziehungen zur Kommission, dem Europäischen Parlament und zum Europäischen Rat aufgebaut. Dieser Erfolg basiert auf der Qualität der Beiträge, die wir von unseren Mitgliedern erhalten haben.
Welchen Beitrag kann und wird die Universität Bern zu den Diskussionen über die EU-Forschungspolitik leisten?
Jan Palmowski: Bern ist eine äusserst starke Universität, die sich durch Forschungsexzellenz in allen Bereichen auszeichnet und über weltweit führendes Know-how auf verschiedenen Gebieten verfügt. Die Universität hat die wichtigsten Grundsatzpapiere von The Guild zu Horizon Europe und anderen Themen wie offene Wissenschaft massgeblich mitgestaltet. Die Universität hat ihre Anliegen als schweizerische Institution sehr deutlich kommuniziert.
Wir haben unsererseits beim Europäischen Rat und den Mitgliedern des Europäischen Parlaments intensive Lobbyarbeit zur Position der Schweiz geleistet. Dies ist besonders erfolgreich, wenn die Position nicht als Interessenvertretung eines Landes angesehen wird, sondern einer Koalition von 19 starken europäischen Universitäten in 14 Ländern.
Christian Leumann: Für die Universität hat die Zugehörigkeit zu einer internationalen Organisation wie The Guild dazu geführt, dass sie innerhalb der schweizerischen Wissenschaftsgemeinschaft ein anderes Ansehen geniesst. Die Behörden in der Schweiz sehen uns jetzt als Teil eines europäischen Hochschulnetzwerks und konsultieren uns nun vermehrt zu Fragen ausländischer Wissenschaftspolitik.
Unseren Kolleginnen und Kollegen in The Guild können wir die EU-Forschung aus Sicht einer Aussenstehenden vermitteln, die weniger politisch motiviert ist, da wir neutraler sind. Wir können es uns leisten, eine offenere Sichtweise zu haben und zu vertreten.
Wie würden Sie die Reaktion auf die Mitgliedschaft an der Universität beschreiben?
Christian Leumann: Als im Allgemeinen positiv. Ich bin absolut überzeugt, dass die Mitarbeiter erkennen, dass dies ein Schritt nach vorn ist, um auf internationaler Ebene stärker präsent zu sein. Natürlich gab es auch einige Widerstände. Als Teil eines Netzwerks muss jeder einen Beitrag leisten und wir alle haben bereits eine hohe Arbeitsbelastung.
Wir bitten unsere Kolleginnen und Kollegen, uns ihre Ansichten über die Mitgliedschaft in The Guild mitzuteilen, was für sie auf dem Spiel steht und wie wir uns gemeinsam als Mitglied von The Guild entwickeln können. Wir empfehlen ihnen, zunächst die Vorteile von The Guild für ihre eigene wissenschaftliche Arbeit und ihre Netzwerke zu erkennen, anstatt nur den zusätzlichen Arbeitsaufwand zu sehen.
Jan Palmowski: Wir alle müssen mit unserer Zeit jonglieren, aber für The Guild sind hochwertige Beiträge der Universität ausschlaggebend. Die Mitgliedschaft bietet Forschenden eine besondere Gelegenheit, Horizon Europe so zu beeinflussen, dass es sich letztendlich um ein Programm zur Unterstützung unserer Wissenschaft handelt. Das können wir nicht den Politik überlassen.
Je mehr wir unsere Stimme erheben und unsere Erfahrungen teilen, desto besser können wir Horizon Europe beeinflussen.
The Guild of European Research-Intensive Universities
The Guild wurde 2016 gegründet und zählt 19 von Europas bedeutendsten Universitäten aus 14 Ländern zu ihren Mitgliedern, die sich durch intensive Forschung auszeichnen. Sie engagiert sich für die Stärkung der Stimme der akademischen Institutionen, der Forschenden und der Studierenden. The Guild verpflichtet sich dem Streben nach Exzellenz, der Suche nach Wahrheit und der Vertrauensbildung als Grundlage des öffentlichen Lebens. Ebenso engagiert sich The Guild in der Schaffung von neuem Wissen zum Wohle der Gesellschaft, der Kultur und des wirtschaftlichen Wachstums.
Jan Palmowski ist Professor für «Modern History» an der Universität Warwick, die ihn für seine Tätigkeit als Generalsekretär bei The Guild freigestellt hat.
UniBE International
UniBE International ist für die Umsetzung der Internationalisierungsstrategie der Universität Bern und für die internationalen Beziehungen zu den Interessengruppen der Universität wie The Guild und den Partneruniversitäten sowie für die weltweite Mobilität von Studierenden und Mitarbeitenden verantwortlich.
Zur Autorin
Faryal Mirza ist External Relations Managerin der Abteilung UniBE International, dem Ansprechpartner von The Guild auf institutioneller Ebene.